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Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall beauftragte der Geschädigte einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Die Kosten des vom Geschädigten kürzte die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung um 32,13 €. Sie war der Auffassung, die vom Sachverständigen berechneten Kosten seien überhöht.
DEKRA oder TÜV hätten zu günstigeren Preisen das Gutachten erstellt. Der Geschädigte trat seinen Restschadensersatzanspruch auf Erstattung der vollen Sachverständigenkostenan den Sachverständigen erfüllungshalber ab. Die Klage des Sachverständigen aus abgetretenem Recht hatte vor dem Amtsgericht Siegen Erfolg.

Die zulässige Klage ist begründet. Soweit die Klägerseite hier aus abgetretenem Recht vorgeht, stand der Anspruch zuvor dem Geschädigten – dem Zedenten – zu, der diesen Anspruch wirksam gemäß § 398 BGB an den Kläger abgetreten hat. Der Anspruch gegen die beklagte Versicherungsgesellschaft ergab sich aus § 1 PflVG in Verbindung mit §115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 StVG. Denn bei dem Betrieb des bei der beklagten Versicherungsgesellschaft haftpflichtversicherten Fahrzeugs ist der im Eigentum des Zedenten stehende Wagen beschädigt worden. Zur Feststellung des Umfangs des Schadens und der Höhe des Schadens war der Geschädigte berechtigt, einen örtlichen Kfz-Sachverständigen zu beauftragen.

Die Kosten für das Schadensgutachten trägt grundsätzlich der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer. Der Grundsatz der Kostenerstattung gilt selbst dann, wenn sich das eingeholte Gutachten später als falsch erwiesen hat, objektiv unrichtig oder unbrauchbar oder das Honorar des Gutachters übersetzt ist (vgl. OLG Naumburg NJW-RR 2006, 1029). Denn das Risiko ungeeigneter Schadensermittlung trägt grundsätzlich der Schädiger (vgl. OLG Hamm, VersR 2001, 249 und DAR 2001, 506). Dabei ist der Sachverständige nicht der Erfüllungsgehilfe des Geschädigten im Verhältnis zum Schädiger (vgl. OLG Hamm, NZV 1993, 228). Der Geschädigte ist in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei und darf grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zur entsprechen scheint (vgl. BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann; BGH DS 2014, 90 = NJW 2014, 1947).. Er ist damit regelmäßig berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Dabei spielt es keine entscheidungserhebliche Rolle, auf welchem Weg sich dieser rechtsgeschäftliche Kontakt angebahnt hat.

Der Geschädigte kann nach § 249 II 1BGB aber nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Bei der Beurteilung des erforderlichen Herstellungsaufwandes ist hierbei auch Rücksicht auf die konkrete Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGHZ 163, 362). Hiernach wären die Gutachterkosten nur dann nicht ersatzfähig, wenn der Geschädigte bei der Auswahl des Sachverständigen schuldhaft seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB nicht nachgekommen wäre. Der Geschädigte hat mit der Beauftragung des von ihm ausgewählten Sachverständigenbüros einen Sachverständigen für die Bewertung von Kraftfahrzeugschäden ausgewählt. Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden sind weder von der Beklagtenseite vorgetragen noch ersichtlich.

Den Geschädigten traf insbesondere keine Obliegenheit zur Erkundigung oder Nachforschung bezüglich der Sachverständigenkosten. Eine solche Obliegenheit folgt insbesondere nicht aus der Entscheidung des BGH in NJW 2007, 1450 (= BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann). Der Geschädigte kann im Allgemeinen von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen. Denn anders als etwa im Mietwagengeschäft fehlt es hier an allgemein zugänglichen und gültigen Preislisten. So bestand auch keine Verpflichtung des Geschädigten, sich bei anderen Gutachtern oder bei Prüfverbänden wie DEKRA und TÜV nach deren Preisvorstellung zu erkundigen. Er war auch nicht gehalten, die Berechtigung der Ansprüche des Sachverständigen der Höhe nach von einem weiteren Sachverständigen überprüfen zu lassen, was weitere Kosten ausgelöst hätte. Ein solches überobligationsmäßiges Verhalten kann vom Geschädigten nicht verlangt werden, wäre aber die Folge, wenn man ihn hierzu verpflichten würde (vgl. auch hierzu BGH NJW 2014,1947 =DS 2014, 90).

Die zu ersetzenden Sachverständigenkosten umfassen neben dem an der Schadenshöhe orientierten Pauschalgrundhonorar auch die in der Rechnung des Sachverständigen enthaltenen Nebenkosten. Diese sind nicht als erkennbar unüblich anzusehen und rechtfertigen sich dadurch, dass nicht jeder an der Schadenshöhe bemessene Auftrag denselben Arbeits- und Materialaufwand mit sich bringt. Der Bundesgerichtshof hat diese Grundsätze in seiner Entscheidung (in NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90) noch einmal wiederholt und bestätigt. Danach gilt die Darlegungs- und Beweislast auf Seiten des Schädigers fort, wonach dieser konkret vorzutragen hat, inwiefern der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 II 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Die von der Beklagtenseite vorgenommene Kürzung der Nebenkosten kann nach alldem keinen Bestand haben.

Fazit und Praxishinweis: Zu Recht hat das erkennende Gericht darauf hingewiesen, dass der Geschädigte ohne Verletzung seiner Schadensgeringhaltungspflicht berechtigt ist, einen Sachverständigen seiner Wahl für die Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe zu beauftragen. Er muss nicht erst die großen Prüforganisationen, wie DEKRA oder TÜV, kontaktieren. Zudem ist keine Gewähr gegeben, ob diese Organisationen neutral das Gutachten erstellen. Der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige ist ohnehin nicht dessen Erfüllungsgehilfe. Das Risiko falscher Prognosen trägt der Schädiger.
Quellen
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