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Die Parteien streiten um die vollständige Erstattung der Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall. Der Geschädigte hatte nach dem Unfall einen Sachverständigen seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragt. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung verweigerte die vollständige Erstattung mit der Begründung, die Kosten seien überhöht.
Der Geschädigte trat einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen ab, der die gekürzten Sachverständigenkosten gerichtlich geltend machte. Das angerufene Amtsgericht Siegen gab dem Kläger Recht.

Die Klage ist zulässig und begründet. Insbesondere ist der klagende Sachverständige aktivlegitimiert. Hinsichtlich der Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung bestehen keine Bedenken. Die abgetretene Forderung bezüglich der gekürzten Sachverständigenkosten stand dem Geschädigten zu. Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Schädiger die zur Wiederherstellung erforderlichen Kosten zu ersetzen. Die Berechnung des Schadens hängt grundsätzlich nicht von etwaigen rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeiten ab, also auch nicht von der Begründung einer unter Umständen überhöhten Zahlungsverpflichtung gegenüber einem Sachverständigen. Maßgeblich ist allein, ob der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt. Ist das der Fall, so sind die im Zuge der Wiederherstellung angefallenen Kosten ihrer Höhe nach einer Überprüfung nicht zugänglich (vgl.BGH NJW 2004, 3326).

Der Grundsatz der Kostenerstattung gilt selbst dann, wenn sich das eingeholte Gutachten später als falsch erwiesen hat, objektiv unrichtig oder unbrauchbar oder das Honorar des Gutachters übersetzt ist (vgl. OLG Naumburg NJW-RR 2006, 1029). Denn das Risiko ungeeigneter Schadensermittlung trägt grundsätzlich der Schädiger (vgl. OLG Hamm, VersR 2001, 249). Dabei ist der Sachverständige nicht der Erfüllungsgehilfe des Geschädigten im Verhältnis zum Schädiger (vgl. OLG Hamm, NZV 1993, 228). Der Geschädigte ist in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei und darf grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zur entsprechen scheint (vgl. BGH NJW 2014, 1947).Er ist damit regelmäßig berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Dabei spielt es keine entscheidungserhebliche Rolle, auf welchem Weg sich dieser rechtsgeschäftliche Kontakt angebahnt hat.

Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB aber nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Bei der Beurteilung des erforderlichen Herstellungsaufwandes ist hierbei auch Rücksicht auf die konkrete Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGHZ 163, 362). Hiernach wären die Gutachterkosten nur dann nicht ersatzfähig, wenn der Geschädigte bei der Auswahl des Sachverständigen schuldhaft seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB nicht nachgekommen wäre. Der Geschädigte hat mit der Beauftragung des von ihm ausgewählten Sachverständigenbüros einen Sachverständigen für die Bewertung von Kraftfahrzeugschäden ausgewählt. Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden, auf das es allein ankommt,sind weder von der Beklagtenseite vorgetragen noch ersichtlich.

Den Geschädigten traf insbesondere keine Obliegenheit zur Erkundigung oder Nachforschung bezüglich der Sachverständigenkosten. Eine solche Obliegenheit folgt insbesondere nicht aus der Entscheidung des BGH vom 23.1.2007 (BGH NJW 2007, 1450. Der Geschädigte kann im Allgemeinen von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen. Denn anders als etwa im Mietwagengeschäft fehlt es hier an allgemein zugänglichen und gültigen Preislisten. So bestand auch keine Verpflichtung des Geschädigten, sich bei anderen Gutachtern oder bei Prüfverbänden wie DEKRA und TÜV nach deren Preisvorstellung zu erkundigen. Er war auch nicht gehalten, die Berechtigung der Ansprüche des Sachverständigen der Höhe nach von einem weiteren Sachverständigen überprüfen zu lassen, was weitere Kosten ausgelöst hätte. Ein solches überobligationsmäßiges Verhalten kann vom Geschädigten nicht verlangt werden, wäre aber die Folge, wenn man ihn hierzu verpflichten würde (vgl. hierzu auch BGH NJW 2014, 1947). Die von der beklagten Haftpflichtversicherung vorgenommene Kürzung der Nebenkosten aus der Kostenrechnung des Sachverständigen erfolgte daher zu Unrecht.

Fazit und Praxishinweis: Mit überzeugender Begründung hat das erkennende Amtsgericht Siegen den Restschadensersatzanspruch des Geschädigten gegenüber der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung bejaht. Fehler des Sachverständigen bei der Erstellung des Gutachtens gehen nämlich grundsätzlich nicht zu Lasten des Geschädigten, denn der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige ist nicht dessen Erfüllungsgehilfe. Lediglich im Falle eines Auswahlverschuldens muss sich der Geschädigte Fehler des Sachverständigen anrechnen lassen. Der Grundsatz der Kostenerstattung gilt selbst dann, wenn sich das eingeholte Gutachten später als falsch erwiesen hat, objektiv unrichtig oder unbrauchbar oder das Honorar des Gutachters übersetzt ist (vgl. OLG Naumburg NJW-RR 2006, 1029). Denn das Risiko ungeeigneter Schadensermittlung trägt grundsätzlich der Schädiger.
Quellen
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