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Am 1.5.2015 ereignete sich in Heinsberg-Karken im Bereich der Kreuzung R-Str./ H-Str. ein Verkehrsunfall. Der spätere Kläger ist Eigentümer eines Motorrollers. Er befuhr die R-Straße in Richtung Niederlande. Die mitbeklagte Pkw-Fahrerin befuhr mit dem bei der Aachen-Münchner Versicherung AG versicherten Pkw die H-Straße in Richtung Kreuzung R-Straße. Die H-Straße ist durch das Verkehrszeichen 206 als sogenannte Stopp-Straße gegenüber der R-Straße untergeordnet. Das Stopp-Schild ist gut sichtbar aufgestellt. Da die beklagte Pkw-Fahrerin in die Kreuzung einfuhr, um nach links abzubiegen, leitete der Rollerfahrer ein Ausweichmanöver ein, bei dem er stürzte. Durch den Sturz wurde der Kläger verletzt und der Roller beschädigt.
Der Geschädigte beauftragte einen qualifizierten Kfz-Sachverständen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Er gelangte zu einem wirtschaftlichen Totalschaden und gelangte zu einem Wiederbeschaffungswert von 1.450,-- € und einem Restwert von 250,-- €. Seine Gutachterkosten berechnete der Sachverständige mit 483,14 €. Der Kläger verlangte neben den Gutachterkosten den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert zuzüglich Ummelde- und Auslagenpauschale, insgesamt 1.763,14 €. Die späteren Beklagten traten der Klage mit der Argumentation entgegen, dass die beklagte Fahrerin an der Haltelinie angehalten habe und dann auch noch einmal an der Sichtlinie.

Das zunächst zuständige AmtsgerichtHeinsberg hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung. Mit Urteil vom 25.11.2015 – 18 C 219/15 – nahm das Gericht eine Haftungsverteilung von 75 zu 25 zu Lasten des Rollerfahrers an und verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 427,04 €. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Die Berufung hatte insoweit Erfolg, als das Landgericht Aachen die Haftungsverteilung nunmehr mit 25 zu 75 zu Lasten der Beklagten vornahm.

Die Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 1.281,11 €. Die Beklagten haften für die eingeklagten materiellen Schäden grundsätzlich aus den §§ 7 I, 18 I 1 StVG, 115 VVG, denn der Schaden des Rollerfahrers ist beim Betrieb des bei der beklagten Versicherung versicherten Kraftfahrzeuges entstanden. Aber auch der Kläger haftet grundsätzlich gemäß § 7 I StVG. Ein Ausschluss gemäß § 7 II StVO wegen höherer Gewalt kommt nicht in Betracht. Es ist daher eine Quotelung der Haftung vorzunehmen. Diese sieht die erkennende Berufungskammer- anders als das Amtsgericht – mit 25 zu 75 zu Lasten der Beklagten gegeben.

Die beklagte Pkw-Fahrerin hat gegen § 1 II StVO verstoßen. Danach muss, wer am Verkehr teilnimmt, sich so verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Die beklagte Pkw-Fahrerin hat gegen diese Vorschrift verstoßen, als sie in die Kreuzungeinfuhr, obwohl sich der Rollerfahrer auf der bevorrechtigten Straße befand. Die Behauptung der beklagten Pkw-Fahrerin, der Rollerfahrer habe nach rechts geblinkt, konnte in der Beweisaufnahme nicht bestätigt werden. Da die beklagte in die Kreuzung einfuhr, konnte der Kläger nur davon ausgehen, dass die Pkw-Fahrerin ihn übersehen hat. Dass er dann einen Ausweichversuch startete, ist verständlich. Es bestehen nämlich keine hinreichenden Anzeichen dafür, dass der Kläger unsachgemäß reagiert hätte.

Da der Verkehrsverstoß der beklagten Pkw-Fahrerin nicht derart schwer wiegt, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Motorrollers dahinter gänzlich zurücktritt, ist diese mit 25 Prozent zu Lasten des Klägers in Ansatz zu bringen. Die geltend gemachten Ummeldekosten mussten außer Betracht bleiben, weil sie nicht schlüssig dargelegt und bewiesen wurden.

Fazit und Praxishinweis: Haften beide Unfallbeteiligten, so hat das Gericht nach § 18 StVG eine Abwägung der Haftungsbeiträge der jeweiligen Beteiligten vorzunehmen. Nur, wenn eine schwerwiegende Pflichtverletzung auf einer Seite vorliegt, kann von einem Zurücktreten der Betriebsgefahr hinter dem Verschulden des anderen Verkehrsteilnehmers ausgegangen werden, denn grundsätzlich ist auch die jeweilige Betriebsgefahr des benutzten Kraftfahrzeuges zu berücksichtigen. Das Überfahren des Stopp-Schildes istgrundsätzlich eine Pflichtverletzung, die dazu führt, dass die überwiegende Haftung bei dem Vorfahrtsverletzer liegt.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung