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Schaeffler gibt Strom für die E-Formel
Warum meint ein Autozulieferer wie Schaeffler, sich im Motorrennsport engagieren zu müssen?

RobGal

Elektroautos, Digitalisierung, Vernetzung: Die automobile Welt steht vor ihrer vielleicht grundlegendsten Veränderung, und der Umbruch ist in vollem Gang. Wohin genau es geht, vermag niemand zu sagen, aber die Wegmarken sind klar: keine Unfalltoten, Schutz des Klimas, Verhinderung des Verkehrsinfarktes durch ein schnelleres und komfortableres integriertes Verkehrssystem.
Entsprechend hart ist das Gerangel der Wirtschaft, wer die Technologie kreiert, die sich durchsetzt. Doch neben dem eifersüchtigen Gegeneinander um Konzepte und Innovationen, hat sich bereits eine neue Art der Zusammenarbeit ergeben: "Von der alten Hersteller-Zulieferer-Kaskade geht es immer mehr in Richtung Netzwerkstruktur", sagte Peter Gutzmer, stellvertretender Vorsitzender und Technologievorstand beim Autozulieferer Schaeffler.

Diese Zusammenarbeit ist allein deshalb nötig, weil die intellektuellen Herausforderungen des Systemwechsels und auch die finanziellen Investitionen sehr anspruchsvoll sind. Dabei werden die Zulieferer im Verhältnis zu den Herstellern wohl aufgewertet, wie Gutzmer meint. Sie würden die Entwicklung immer stärker antreiben, weshalb die Autobauer gehalten seien, ganze Systeme "von außen" in ihren Produkten zu integrieren.

Schaeffler, unter anderem Spezialist für Komponenten und Systeme für Motor, Getriebe und Fahrwerk, startete 2002 mit seinem ersten elektrischen Konzeptfahrzeug. Neun Jahre später wurde der Elektrobereich des Unternehmens gegründet, für den seither 500.000 Euro investiert und 1.200 Mitarbeiter unter Vertrag genommen wurden. In den kommenden fünf Jahren will der Zulieferer aus dem mittelfränkischen Herzogenaurach, der mit einem Jahresumsatz von zuletzt 13,2 Milliarden Euro zu den größten Familienunternehmen weltweit zählt, eine weitere halbe Milliarde aufwenden und die Mannschaft verdoppeln, wie Gutzmer vor Journalisten ankündigte. Bei Schaeffler geht man davon aus, dass in den nächsten 15 Jahren acht bis 20 Prozent der Fahrzeuge weltweit rein elektrisch unterwegs sein werden und 30 bis 40 Prozent mit Hybridantrieb.

Deshalb engagiert sich das Unternehmen verstärkt im Motorsport, wo in der Formel E rein elektrisch angetriebenen Boliden auf städtischen Rennkursen, wie zuletzt in der Karl-Marx-Allee unweit vom Alexanderplatz im Herzen Berlins, eine Leistung von bis zu 270 PS erbringen und 225 km/h schnell werden. "Wir wollen in einer frühen Phase der Entwicklung in den Wettbewerb eintreten", begründet Gutzmer das Formel-E-Engagement, "damit die Ingenieure erkennen, wo die Grenzen der Technik liegen". Dabei zeige sich auch das Potential von Elektroautos.

Verschiedene technische Konzepte stehen im Wettbewerb zueinander: Elektromotor, Leistungselektronik, Getriebe, Hinterachse, Kühlsystem und Software. In dem gemeinsamen Rennteam, zu dem neben Schaeffler auch der VW-Tuner Abt und Audi (für die Software zuständig!) gehören, geht es für Gutzmer weniger um Siege als um die Verbesserung der Antriebskonzepte: "Die Systemkompetenz ist hier noch wichtiger ist als bei der Formel 1."

Beim Elektromotor für den Rennsport müssen unterschiedliche Anforderungen unter einen Hut gebracht werden: Energieeffizienz und hohes Drehmoment, gute thermische Eigenschaften und Gewicht. Schaefflers E-Motor für die Rennserie verfügt über drei Gänge, was laut Gutzmer einen kompakten und leichten Motor mit hohem Wirkungsgrad im günstigen Drehzahlbereich ermöglicht, den man nicht oft schalten müsse.

Vom Segeln und Kriechen

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Sparsamkeit, damit dem Fahrer auf der Piste nicht vorzeitig der Saft ausgeht. "Motorsportsiege werden auch auf der Bremse gewonnen", pointiert Gutzmer, will sagen: Rekuperation spielt eine große Rolle. Bei der Bremsenergierückgewinnung wirkt die Elektromaschine als Generator, der die beim Verzögern freiwerdende Energie in elektrische Energie umwandelt und der Batterie zur Verfügung stellt, ein ähnliches Prinzip wie beim Fahrraddynamo. Das System lässt sich auch gezielt als Rekuperationsbremse einsetzen.

Auch wenn er dem Elektroauto in den kommenden Jahren das größte Wachstumspotential voraussagt, ist sich Gutzmer sicher, dass es den Verbrennungsmotor weiterhin geben wird. Daher arbeitet Schaeffler an verschiedenen Modulen zur Mild- und Vollhybridisierung. Etwa an der elektrischen Kupplung für Handschalter (Gutzmer: "40 Millionen Handschalter weltweit werden nicht so schnell verschwinden"), um spritsparendes "Segeln" oder auch "Kriechen" zu realisieren. Oder die elektrische Achse, bei der der E-Motor auf der Achse für Vortrieb sorgt, mit dem Effekt, dass ein Hybridfahrzeug mit Allradantrieb ausgerüstet werden kann. Die elektrische Achse soll sich in Zukunft um weitere Funktionen erweitern lassen, etwa um eine Parksperre oder um einen zusätzlichen kleinen Antrieb für die Drehmomentverteilung ("Torque Vectoring"), was Sicherheit und Fahrdynamik erhöht.

Außerdem tüfteln die Schaeffler-Ingenieure am Radnabenantrieb, der Elektromotor, Leistungselektronik und Controller, Bremse sowie Kühlung vereint – alles innerhalb der Felge. "Eigentlich gehört der E-Motor der Zukunft in die Radnabe", postuliert Gutzmer. Das schaffe Platz, verbessere die aktive Sicherheit und erhöhe Manövrierbarkeit und Fahrdynamik. Den Beginn des Radnabenmotors an der Hinterachse prognostiziert Gutzmer für die Zeit ab 2020 – "und dann wohl ohne mechanische Bremse".

Die Automobilindustrie steht unter Strom, die Entwicklungsmöglichkeiten sind groß.
Quellen
    • Text: Kristian Glaser (Kb)
    • Foto: Schaeffler