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Spannung hoch, Emissionen runter
Mildhybrid-Pkw erfahren eine kleine Renaissance

RobGal

Schon lange wissen Autohersteller und Zulieferer, dass die Leistung des 12-Volt-Bordnetzes nicht mehr ausreicht. Bereits um die Jahrtausendwende wurde das 42-Volt-Bordnetz angekündigt, denn schon damals war absehbar, dass die elektrischen Systeme wie die Klimaanlage oder die Fahrerassistenten den Energieverbrauch im modernen Auto in die Höhe treiben. Und es kamen und kommen immer mehr hinzu.
Das gewohnte 12-Volt-Netz, das in den 1950er Jahren eingeführt worden war, werde an seine Grenzen stoßen, prognostizierte man und ging davon aus, dass zwischen 2003 und 2005 das Zeitalter leistungsfähigerer Bordnetze beginnen werde. Also forcierte die Automobilwirtschaft das 42-Volt-Netz, aber schon 2002 wurde die Entwicklung eingestellt, weil sie zu teuer war. "Experten ermittelten einen Mehrpreis von 1.000 Mark (511 Euro) pro Fahrzeug", sagte Uwe Toppel von der Abteilung Technik im Verband der Automobilindustrie (VDA) im Gespräch mit dem Kraftfahrtberichter.

Heute, rund 15 Jahre später, erzwingt die Politik mit Blick auf den Klima- und Umweltschutz geradezu ein leistungsfähigeres Bordnetz. Die Branche braucht 48 Volt, denn verbrauchsmindernde Systeme wie Bremsenergierückgewinnung, Start-Stopp-Automatik oder die Mildhybridtechnologie brauchen kurzzeitig viel Energie.

Die EU ist Vorreiter und führte strenge Grenzwerte ein, "fünf Jahre vor den USA", betonte Christian Schäfer, Direktor für Vorausentwicklung und Architekturen für Bordnetze bei Delphi Deutschland. Ab 2020 gilt für die Autohersteller als Vorgabe ein Flottendurchschnitt von bis zu 95 Gramm CO2 pro Kilometer für 95 Prozent und ab 2021 für alle Pkw-Neuwagen. Heute werden maximal 130 g/km CO2 verlangt. Autoherstellern, welche die künftigen Werte nicht einhalten, drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe.

Aus diesem Grund sitzen Hersteller wie Zulieferer unter Hochdruck am 48-Volt-Bordnetz. Es ist vor allem für Mildhybrid-Pkw interessant. Dabei arbeitet wie bei Hybridfahrzeugen allgemein üblich neben dem Verbrenner auch ein Elektromotor. Anders als bei Vollhybriden, die mehr oder weniger kurze Strecken rein elektrisch fahren können, und anders als beim Mikrohybrid, bei dem die Bremsenergierückgewinnung verbrauchsreduzierend zum Laden der Starterbatterie genutzt wird, unterstützt der Elektromotor beim Mildhybrid den Verbrennungsmotor etwa in der Startphase oder beim Beschleunigen. Durch diese Leistungsspritze kann in das Auto von vornherein ein kleinerer Verbrennungsmotor eingesetzt werden. Beispiele sind die Hybridversionen des 7er BMW, der Mercedes S-Klasse oder die beiden – bereits wieder eingestellten – Honda-Modelle Civic Hybrid und Insight.

Mehr Agilität, weniger Verbrauch

Die Ingenieure des US-amerikanischen Zulieferers Delphi konnten schon ein 48-Volt-Konzept vorstellen. Entwickelt wurde es im Wuppertaler Delphi-Entwicklungszentrum für Elektrik und Elektronik gemeinsam mit den Delphi-Ingenieuren für Antriebstechnik in Luxemburg. Die innovative Technologie unterstützt den Verbrennungsmotor leistungsmäßig, sorgt dadurch für mehr Agilität und reduziert gleichzeitig den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Werte um zehn bis 15 Prozent. Das Delphi-Konzept ist für Automodelle unterschiedlicher Fahrzeugsegmente geeignet und sowohl für Benzin- als auch für Diesel-Pkw vorgesehen, außerdem kann es von jedem Autohersteller eingesetzt werden. Und es ist bezahlbar, verspricht Delphi. Es werde sich als "wegweisend" erweisen, meint Delphis Technik-Chef Jeff Owens, "weil es die Einhaltung strenger Abgasvorschriften ermöglicht, ohne Abstriche an der Fahrdynamik hinnehmen zu müssen".

Verglichen mit den technisch sehr aufwendigen Hochvolt-Mildhybriden bringt das 48-Volt-Konzept der Wuppertaler Entwicklungsingenieure "70 Prozent des Energie- beziehungsweise Emissionsvorteils bei nur 30 Prozent der Kosten", erklärt Owens. Denn die Technologie erlaubt kleinere, sparsamere Motoren. Weil sich die Motorleistung etwa durch Bremsenergierückgewinnung um 20 Prozent erhöht, muss nicht auf Power verzichtet werden.

"Großer Nutzen, geringe Kosten" ist das Motto, unter das Delphi sein 48-Volt-Mildhybrid-System, das nur 17 Kilogramm wiegt, gestellt hat. Herzstück der Innovation ist ein Hybridsteuergerät, das den Verbrennungsmotor sowie die Boost- und Ladefunktion des Elektromotors beziehungsweise Generators steuert. Zu Demonstrationszwecken haben die Delphi-Ingenieure einen Honda Civic auf 48 Volt umgerüstet. Er verfügt über 25 Prozent mehr Drehmoment im niedrigen Drehzahlbereich und startet mit so viel Power wie ein reines Elektroauto. Zudem "füllt ein zusätzlicher elektrischer Turbolader das Turboloch auf", erklärte Sebastian Schilling, Technischer Direktor von Delphi Europa. Schilling zeigt sich überzeugt, dass vor allem in urbanen Gebieten das Konzept "sein Umwelt- und Ressourceneinsparpotential voll entfalten kann".

Die US-amerikanischen Wirtschaftsanalysten von IHS Global Insight gehen davon aus, dass 48-Volt-Hybridautos in den kommenden zehn Jahren weltweit drastisch zunehmen werden und jedes zehnte im Jahr 2025 weltweit verkaufte Auto ein Mildhybrid sein wird. Laut Delphi-Prognosen werden sie zahlenmäßig dann mit den heute vorherrschenden Vollhybriden gleichauf liegen.
Quellen
    • Text: Beate M. Glaser (Kb)
    • Foto: Maksym Yemelyanov