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Vorsicht rote Ampeln!
Handyfans sind schwer zu stoppen

RobGal

Autofahrern verbietet der Gesetzgeber, sich während der Fahrt mit dem Handy zu beschäftigen. Am Steuer darf man das Gerät noch nicht einmal in die Hand nehmen. Aber dem Fußgänger ist es erlaubt, in eine Textnachricht oder ein Handygespräch vertieft durch den dichtesten Stadtverkehr zu laufen.
Nun könnte die Situation durch das neue "Pokémon-Go"-Spiel noch verschärft werden, befürchtet der ADAC. Dabei geht der Spieler mit seinem Smartphone durch die Straßen, um in einer vermischten Darstellung von Realität und virtueller Welt Monstern nachzujagen. Der Autoklub mutmaßt, dass es mit der Einführung des Spiels hierzulande zu ähnlich "dramatischen Zwischenfällen" kommen könne wie in den USA, wo spielende Autofahrer sogar auf der Autobahn wendeten.
Eine internationale Studie der Dekra-Unfallforschung in sechs europäischen Städten ergab bereits, dass 17 Prozent der Fußgänger ihr Smartphone "auf unterschiedliche Weise" nutzten, während sie im Straßenverkehr unterwegs waren. Doch die Ablenkung durch Telefonieren, Musikhören, App-Nutzen oder Tippen von Textnachrichten ist riskant. "Viele Fußgänger unterschätzen offenbar die Gefahren", sorgen sich die Dekra-Unfallforscher.
Weil es hierzulande immer wieder zu schweren Unfälle mit abgelenkten Fußgängern an Übergängen mit Straßenbahngleisen kommt, haben Köln und Augsburg Versuche mit sogenannten Bodenampeln gestartet. Die Bodenwarnleuchten wurden in beiden Städten an jeweils zwei Fußgängerüberwegen eingelassen. Sie blinken Rot als zusätzliches Signal, wenn sich eine Bahn nähert.
Um herauszufinden, ob die Bodenampeln die Smartphone-Fans tatsächlich vorsichtiger werden lassen, gab die rheinische Stadt eine Vorher-Nachher-Untersuchung bei der Studiengesellschaft für Tunnel- und Verkehrsanlagen (StUVA) in Auftrag. Die Analyse ergab, dass "vorher" ziemlich viele "Rotlichtläufer" die Gleise überquerten, je nach Standort mehr als 80 Prozent, wie dem Untersuchungsbericht zu entnehmen ist. Das waren eher Jüngere als Ältere und eher Männer als Frauen. Die Gründe sind altbekannt: keine Zeit, bin in Eile, will die Bahn noch erreichen oder einfach unkomfortable Signalschaltung. Außerdem stellt der Untersuchungsbericht fest, dass die meisten Passanten hinter einer eingefahrenen Bahn herlaufen, wenn das Signal noch auf Rot steht.

"Kein Grund zu warten"

Bei der Befragung der "Rotsünder" stellte sich heraus, dass das Sperrsignal oft nicht mehr akzeptiert wird, weil der Grund zu warten nach der persönlichen Einschätzung nicht mehr gegeben ist, wenn die Bahn die Fußgängerüberquerung bereits passiert hat.
Nach der Installation der Bodenampeln gaben einige Passanten an, bei Rot eher stehenzubleiben. Doch der größere Teil, obwohl aufmerksamer geworden, passierte trotzdem die Gleise, weil sie, so die häufige Begründung, keine Veranlassung zu warten sahen. Tatsächlich konnten die Verkehrsbeobachter der StUVA keine Verbesserung des Verhaltens bei Rotlicht erkennen.
Im Gegenteil. Während die Situation bei dem einen Standort gleich geblieben war, erhöhte sich beim anderen der Anteil der Rotsünder sogar leicht. Das ging vor allem auf das Konto von "Mitläufern": "Startete eine Person eine Überquerung bei rotem Lichtsignal, folgte häufig ein ganzer Pulk nach", stellte die StUVA fest.
Aufgrund dieser Ergebnisse beschloss die Stadt Köln, einen ganz anderen Verkehrsversuch zu starten. Die Farben in der roten Streuscheibe der Ampel wurden einfach umgekehrt: Statt eines roten erscheint an den Überwegen ein schwarzes Männchen vor intensiv rotem Hintergrund. Das ist ungewöhnlich und fällt auf. Die städtischen Verkehrsexperten versprachen sich davon, dass die Passanten durch das auffällige Ampelsignal eher das Rotlicht beachten würden. Die Untersuchung bestätigte diese Annahme: Die Wartebereitschaft der Fußgänger bei Rot erhöhte sich deutlich. Ignorierten vorher 86 Prozent der Passanten das Rotlicht, sank der Anteil nach dem auffälligen Farbentausch auf immerhin 58 Prozent. Weil Vergleichsuntersuchungen aber fehlen, räumt die StUVA ein, weiß man nicht, ob die Verhaltensänderungen ausschließlich auf die veränderten Signalschablonen zurückzuführen sind.
Der Test mit Bodenampeln in Köln verbesserte die Akzeptanz des Rotlichts an Gleisübergängen zwar nicht, doch wurden die Fußgänger vorsichtiger und vergewisserten sich intensiver, wenn sie bei Rot über die Gleise gingen. Hingegen erwies sich der Farbentausch in der Streuscheibe der roten Ampel ganz real als nützlich, er senkte den Anteil der Rotlichtläufer deutlich.
Im australischen Sydney, wo man auch mit dem Phänomen von abgelenkten Smartphonenutzern im Straßenverkehr zu kämpfen hat, wurden nach deutschem Vorbild ebenfalls Bodenampeln installiert. Am besten ist aber, man lässt das Handy im Straßenverkehr ganz in der Tasche. Oder macht es wie die New Yorker: Gerade in der quirligen US-Metropole sind die Fußgänger viel mit dem Smartphone unterwegs, doch bleiben sie an jeder Ampel wie automatisch stehen, wenn sie Rot zeigt.
Quellen
    • Text: Beate M. Glaser (Kb)
    • Foto: cunaplus - Fotolia.com