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Der Kläger verlangt Versicherungsleistungen nach einem Verkehrsunfall, bei dem sein vollkaskoversicherter Pkw Mercedes beschädigt wurde. Die Einstandspflicht der beklagten Vollkaskoversicherung steht dem Grunde nach außer Streit.
Der Kläger holte ein Schadensgutachten ein. In dem Gutachten waren Stundensätze einer Mercedes-Fachwerkstatt eingesetzt.Danach betrug der Reparaturaufwand insgesamt 9.396,24 €. Das Fahrzeug war auch bisher immer in Mercedes-Benz-Werkstätten gewartet und repariert worden. Die Beklagte regulierte nach einem von ihr selbst eingeholten Gutachten, in dem allerdings die Stundensätze einer freien Werkstatt zugrunde gelegt waren, einen Nettobetrag von 6.425,08 €. Der Differenzbetrag ist Gegenstand des Rechtsstreites.

Das Amtsgericht Mitte in Berlin hat mit Urteil vom 1.2.2013 – 114 C 3023/12 – der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 15.10.2014 – 44 S 106/13 – die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Die Revision hat Erfolg.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausging, dass die Reparatur auch in der markenungebundenen Werkstatt zu einer vollständigen und fachgerechten Reparatur führen würde und deshalb seien nur die geringeren Stundensätze zu berücksichtigen. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass entscheidungserheblich lediglich das vertragliche Leistungsversprechen des Versicherers ist und die gesetzlichen Vorschriften zum Schadensersatz keine Anwendung finden.

Für die Auslegung, welche Kosten als für die Reparatur erforderlich im Sinne der AKB 2008 anzusehen sind, gelten allerdings die allgemeinen Maßstäbe. Dabei sind vertragliche Bedingungen, also auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung verstehen muss.

Anders als das Berufungsgericht meint, können – auch fiktive – Aufwendungen für die Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt nach den allgeneinen Grundsätzen der Auslegung je nach Einzelfall als erforderliche Kosten im Sinne des Absatzes A 2.7.1 der AKB 2008 angesehen werden. Das ist zum einen dann zu bejahen, wenn die fachgerechte Reparatur nur in einer markengebundenen Fachwerkstatt erfolgen kann. Zum anderen ist dies auch zu bejahen, wenn es sich um ein neueres Fahrzeug handelt oder um ein solches, das bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet oder repariert wurde. Aus der verständigen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ist eine Reparatur in der Markenfachwerkstatt immer dann erforderlich, wenn aufgrund der Art der anfallenden Reparaturarbeiten nur dort eine vollständige und fachgerechte Reparatur durchgeführt werden kann.

Neben den technischen Notwendigkeiten einer Reparatur in der Markenfachwerkstat wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch den Werterhalt seines Fahrzeugs im Auge behalten. Er wird daher berücksichtigen, dass insbesondere bei neueren Fahrzeugen, die noch einer Herstellergarantie unterliegen, die Reparatur in einer Markenfachwerkstatt üblich ist. Das kann auch bei älteren Fahrzeugen in Betracht kommen, wenndas Fahrzeug in der Vergangenheit zur Erhaltung eines höheren Wiederverkaufswertes stets in einer Markenfachwerkstatt gewartet und repariert wurde. Bei einem großen Teil des Publikums herrscht nämlich wegen fehlender Überprüfungsmöglichkeiten die Einschätzung vor, dass bei einer regelmäßigen Wartung und Reparatur in der Markenfachwerkstatt eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Reparatur ordnungsgemäß und fachgerecht erfolgt ist (vgl. BGH VersR 2010, 225 – sog. VW-Entscheidung -; BGHZ 183, 21 Rn. 15). Dagegen wird die Reparatur eines älteren Fahrzeugs in einer markengebundenen Werkstatt nicht mehr als üblich anzusehen sein, wenn das Fahrzeug bereits in der Vergangenheit in freien Werkstätten repariert worden ist oder wenn vom Hersteller vorgesehene Wartungsarbeiten nicht in der Markenwerkstatt durchgeführt wurden.

Mit dem Abschluss der Vollkaskoversicherung erstrebt der Versicherungsnehmerregelmäßig nicht nur den Schutz vor wirtschaftlich nachteiligen Folgen hinsichtlich des eigenen Fahrzeugschadens bei selbst verschuldeten Unfällen, sondern auch die Befreiung vom Risiko der Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen den Unfallgegner bei unklarer Haftungslage. Die Praxis zeigt, dass Versicherungsnehmer es in derartigen Fällen es vorziehen, ihren Fahrzeugschaden bei der eigenen Kaskoversicherung zu regulieren und diesem die Prüfung des Regresses beim Unfallgegner zu überlassen. Dass der Umfang seines Anspruchs gegenüber dem Versicherer insoweit generell hinter dem zurückbleiben soll, was im Schadensfall von einem haftpflichtigen Schädiger verlangt werden kann (vgl. dazu: BGHZ 155, 1 – Porsche-Urteil -; BGHZ 183, 21 – VW-Urteil -; BGH VersR 010, 1096 – Audi-Quattro-Urteil -;BGH VersR 2010, 1097 – Mercedes A 170-Urteil -; BGH VersR 2010, 1380 – Eurogarant-Urteil - ; BGH NJW 2014, 3236; BGH VersR 2015,861Rn. 9 ff.), wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Begriff der erforderlichen Kosten im Sinne der AKB 2008 nicht entnehmen.

Er wird in diesem Verständnis bereits durch den Umstand bestärkt, dass am Markt zunehmend Tarife mit Werkstattbindung angeboten werden, bei denen sich der Versicherungsnehmerverpflichtet, im Reparaturfall eine vom Versicherer ausgesuchte Werkstatt zu beauftragen, was diesem mit einem niedrigeren Beitrag honoriert wird. Das erweckt bei dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den Eindruck, sein Fahrzeug auch in eine Markenfachwerkstatt geben zu dürfen, wenn er einen solchen Tarif mit Werkstattbindung gerade nicht gewählt hat und statt dessen höhere Prämien zahlt (vgl. dazu auch: LG Hamburg r+s 2014, 168 f.). Einer diesbezüglichen Auslegung steht – anders als die beklagte Vollkaskoversicherung meint – nicht das im AKB 2008 enthaltene Weisungsrecht des Versicherers entgegen. Denn dieses Weisungsrecht steht unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit bei dem Versicherungsnehmer. Im konkreten Fall kommt es aber auf ein mögliches Weisungsrecht des Versicherers im Reparaturfall gar nicht an, denn der Kläger lässt nicht reparieren, sondern rechnet seinen Schaden auf Gutachtenbasis abrechnen.

Auch im Falle der fiktiven Abrechnunggelten die gleichen Kriterien wie im Falle der Reparatur. Sind die Kosten der Reparatur in einer Markenfachwerkstatt als erforderliche Kosten im Sinne des AKB 2008 anzusehen, so gilt das auch bei fiktiver Schadensabrechnung. Da in dem Rechtsstreit noch weitere tatsächliche Feststellungen bezüglich der Kosten der Reparatur in der Markenfachwerkstatt zu treffen sind,weil ein Vorschaden nicht repariert worden war, weist der Senat den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück.

Fazit und Praxishinweis: In der Fahrzeugvollkaskoversicherung können auch fiktive Reparaturkosten in einer Markenfachwerkstatt als erforderliche Kosten im Sinne der AKB 2008 angesehen werden. Das ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn die fachgerechte Wiederherstellung des verunfallten Fahrzeugs nur in einer markengebundenen Fachwerkstatt erfolgen kann und zum anderen auch dann, wennes sich um ein neueres Fahrzeug oder um ein solches handelt, das der Versicherungsnehmer bisher stets in einer Markenfachwerkstatt hat warten und reparieren lassen. Damit folgt der IV. Zivilsenat zumindest in Teilen der Rechtsprechung des VI. Zivilsenates in Bezug auf die Stundenverrechnungssätze bei der Reparatur. Wichtig an der Entscheidung ist, dass eindeutig die tatsächlich durchgeführte Reparatur mit der Abrechnung der fiktiven Kosten der Reparatur gleichgestellt wurde. In beiden Fällen sind die erforderlichen Kosten gleich zu behandeln.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung