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Der spätere Beklagte befuhr mit dem von ihm gesteuerten Pkw zunächst die linke Fahrspur der noch zweispurig verlaufenden Straße und wechselte vor deren Verengung auf eine Fahrspur auf die rechte Fahrbahn, die als einzige Fahrspur an der Engstelle vorbei führte. Der hinter dem Beklagten fahrende Kläger fühlte sich hierdurch behindert. Er blieb immer dicht hinter der Stoßstange des Pkws des Beklagtenund folgte diesem, bis dieser seinen Pkw am rechten Fahrbahnrand anhielt. Der spätere Kläger stieg wutentbrannt aus seinem Fahrzeug und rüttelte derart am Griff der verschlossenen Fahrertür des Beklagten, dass dieser befürchtete, der Griff werde abreißen.
Anschließend trommelte der Kläger stark auf das Fenster der Fahrertür ein und schlug mehrfach wie wild gegen das Beklagtenfahrzeug. Der Beklagte fühlte sich bedroht und fuhr langsam nach vorne weg. Dabei fuhr der Beklagte, was allerdings bestritten ist, über den Fuß des Klägers. Der Kläger verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld von 1.600,-- €und klagt letztlich vor dem örtlich zuständigen AG Pforzheim. Das erhebt Beweis und verurteilt zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 600,-- €. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung des Beklagten hatte Erfolg.

In der Sache selbst hat das Rechtsmittel des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Pforzheim mit dem Aktenzeichen 2 C 175/15 Erfolg.Dabei kann dahin stehen, ob der Beklagte dem Kläger über den Fuß rollte, was bestritten ist,und welche Verletzungen hierdurch im Einzelnen verursacht wurden. Ein Anspruch scheidet jedenfalls aufgrund einer überwiegenden eigenen Verantwortung des Klägers aus. Ein aufgebrachter Verkehrsteilnehmer, der verbal einschüchternd gegenüber einem Fahrzeugführer auftritt und Tätlichkeiten gegenüber dem Pkw verübt, indem er am Türgriff rüttelte,muss mit dessen Flucht aus dieser bedrohlichen Situation rechnen. Kommt es bei dem Fortfahren zu Verletzungen des Verkehrsteilnehmers, kann eine Haftung des Fahrzeugführers aus §§ 823 Abs. 1, 11 S. 2 StVG, 115 VVG aufgrund überwiegender eigener Verantwortlichkeit des Geschädigten entfallen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger sehr aufgebracht war gegenüber dem Beklagten verbal einschüchternd auftrat und Tätlichkeiten gegenüber dem Pkw des Beklagten verübte. Ein Anspruch des Klägers aus §§ 823 Abs. 1 BGB, 7, 11 S.2 StVG, 115 VVG scheidet jedenfalls aufgrund einer überwiegenden eigenen Verantwortlichkeit des Klägers für die Schadensentstehung aus. Im Hinblick auf den Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens ergibt sich dies unmittelbar aus §§ 9 StVG, 254 BGB, im Hinblick auf den Schmerzensgeldanspruch aus dem Gewicht des Mitverschuldens im Sinne des § 254 II BGB im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung (hierzu Palandt-Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, § 253 Rdn. 20).

Offen bleiben kann dabei, ob das Verhalten des Beklagten sogar durch Notwehr gerechtfertigt war oder nicht. Diese Frage kann aber zur Entscheidung des Rechtsstreites offen bleiben. Die Verantwortung des Klägers für den Vorgang überwiegt derart, dass diejenige des Beklagten - auch unter Einbeziehung der Betriebsgefahr seines Pkw - demgegenüber zurücktritt. Ein Anspruch auf Ersatz materieller Schäden besteht ebenso wenig wie ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes

Fazit und Praxishinweis: Die Straße ist grundsätzlich kein Kriegsschauplatz. Verbale Gefechte und bedrohliche Auseinandersetzungen zwischen Kraftfahrern gehören nicht in den öffentlichen Straßenverkehr. Ein aufgebrachter Verkehrsteilnehmer, der verbal einschüchternd gegenüber einem Fahrzeugführer auftritt und Tätlichkeiten gegenüber dem Pkw verübt, muss mit dessen Flucht aus dieser bedrohlichen Situation rechnen. Kommt es bei dem Fortfahren zu Verletzungen des Verkehrsteilnehmers, kann eine Haftung des Fahrzeugführers aus §§ 823 Abs. 1, 11 S. 2 StVG, 115 VVG aufgrund überwiegender eigener Verantwortlichkeit des Geschädigten entfallen. Deshalb der Aufruf der Unfallzeitung: Fahren Sie immer vorsichtig und umsichtig!
Quellen
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