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Die Klägerin erstellte für den Geschädigten nach dem Verkehrsunfall vom 17.4.2015 in Weinheim ein Schadensgutachten über den Umfang und die Höhe der Schäden. Gleichzeitig unterzeichnete der Geschädigte mit der Auftragserteilung auch eine Vergütungsvereinbarung sowie eine Abtretungserklärung. Die Einstandspflicht der beklagten Kfz-Versicherung steht außer Streit.
Das Gutachten stellte Reparaturkosten von 2.926,08 € fest. Für das Gutachten berechnete die spätere Klägerin 648,29 €. Darauf zahlte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung nur 614,04 € und lehnte weitergehende Zahlungen ab.

Das Sachverständigenbüro klagte aus abgetretenem Recht den Differenzbetrag von 34,25 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Weinheim ein. Das AG Weinheim sprach der Klägerin mit Urteil vom 13.10.2015 – 3 C 118/15 - lediglich 2,67 € nebst Zinsen zu und wies im Übrigen die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg.

Der Klägerin steht gegenüber der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung aus abgetretenem Recht gem. §§ 7 I, 17 StVG, 115 VVG, 249, 398 BGB der geltend gemachte restliche Anspruch auf Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von noch 34,25 € vollumfänglich zu. Die zur Schadensfeststellung erforderlichen Kosten eines Kfz-Sachverständigengutachtens gehören zu den Kosten der Wiederherstellung nach § 249 II 1 BGB und sind vom Schädiger zu erstatten. Der Geschädigte ist nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbeseitigung frei. Er darf zur Schadensbehebung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint.

Der Geschädigte ist daher grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lageohne das Schadensereignis entspricht. Allerdings ist der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, wenn er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Jedoch muss der Geschädigte nicht zu Gunsten des Schädigers sparen. Es muss immer der Grundsatz beachtet werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung vorzunehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Gutachters darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihn in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem kostengünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH DS 2014, 90 Rn. 7; BGH DS 2014, 282 Rn. 14 f; KG NZV 2015, 507).

Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage der von ihm beglichenen Rechnung des von ihm beauftragten Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet dann bei der Schadenshöhenschätzung ein wesentliches Indiz für die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 II 1 BGB. In der Entscheidung vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 – (BGH DS 2014, 282) stellt der BGH im Vergleich zu seiner Entscheidung vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (BGH DS 2014, 90)klar, dass der Geschädigte seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast nichtschon allein durch die Vorlage der Sachverständigenkostenrechnung, sondern ausschließlich durch die Vorlage der von ihm beglichenen Rechnung genügt (BGH DS 2014, 282 Rn. 16; LG Stuttgart DS 2015, 318). Auch wenn der von dem Geschädigten im vorliegenden Fall nicht beglichenen Rechnung der Klägerin eine Indizwirkung für den erforderlichen Geldbetrag im Sinne des § 249 BGB nicht zukommt, so steht dem Geschädigten gleichwohl ein Anspruch auf Ersatz der - berechneten - Sachverständigenkosten zu, wennund soweit diese nicht deutlich überhöht sind und dies für den Geschädigten erkennbar ist (LG Stuttgart DS 2015, 318).

Relevant ist insoweit, inwieweit der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen haterkennen können, inwieweit die vom Sachverständigen später zu Grunde gelegten Preise über der üblichen Vergütung liegen wird (LG Fulda BeckRS 2015, 09391 Rn. 25). Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbartenoder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den branchenüblichen Preisen, so sind die berechneten oder vereinbarten Kosten nicht mehr geeignet, den erforderlichen Aufwand darzustellen. Im Rahmen der Schadenshöhenschätzung dürfen dann allerdings vom Gericht keine pauschalen Begrenzungen auf 100,-- € vorgenommen werden, sondern es müssen tragfähige Anknüpfungspunkte zu Grunde gelegt werden. Im vorliegenden Fall wurde eine konkrete Honorarvereinbarung getroffen.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze ist weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich, dass die mit der Klägerin vereinbarten Preise für den Geschädigten erkennbar über den üblichen Preisen liegen. Das gilt sowohl für das Grundhonorar als auch für die Nebenkosten. Im Übrigen ist der Schädiger dadurch ausreichend geschützt, dass er bzw. seine Haftpflichtversicherung einen Anspruch hat, sich Schadensersatzansprüche gegen den Sachverständigen vom Geschädigten abtreten zu lassen, sofern der Sachverständige überhöhte Kosten abrechnet (vgl. OLG München Beschl. v. 12.3.2015 – 10 U 579/15 -; OLG Naumburg DS 2006, 283). Der Klägerin stehen auch die geltend gemachten Anwaltskosten zu. Die Berufung ist in vollem Umfang begründet.

Fazit und Praxishinweis: Mit diesem Urteil hat die Berufungskammer des LG Mannheim die bis zum BGH-Urteil VI ZR 357/13 bestehende Rechtsprechung umgesetzt. Im Gegensatz zu dem nach dem Urteil des LG Mannheim verkündeten Urteil des BGH vom 26.4.2016 – VI ZR 50/15 – geht die Berufungskammer zu Recht davon aus, dass auch nicht beglichene Rechnungen des vom Geschädigten beauftragten Kfz-Sachverständigen Indizwirkung für die Bestimmung des erforderlichen Geldbetrages im Sinne des § 249 II 1 BGB haben kann.Auch wenn der vom Geschädigten (noch)nicht bezahltenRechnung des Sachverständigen eine Indizwirkung für den erforderlichen Geldbetrag im Sinne des § 249 BGB nicht zukommt, so steht dem Geschädigten gleichwohl ein Anspruch auf Ersatz der – berechneten, aber noch nicht beglichenen - Sachverständigenkosten zu, wennund soweit diese nicht deutlich überhöht sind und dies für den Geschädigten erkennbar ist.
Quellen
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