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Die Parteien streiten über die Haftungsanteile an einem Verkehrsunfall vom 16.8.2014 in Bxxx. Der spätere Kläger bog von der I-Straße kommend mit seinem Fahrzeug Toyota nach links in die C-Straße ein. Dabei kam es zur Kollision mit dem Fahrzeug des beklagten Fahrers eines Mercedes-Pkws, der bei der ebenfalls beklagten Kfz-Versicherung haftpflichtversichert war.
Der beklagte Mercedes-Fahrer hatte vor der Einfahrt in den Kreuzungsbereichden Fahrstreifen für den Geradeausverkehr verlassen und fuhr unter Befahren einer Sperrfläche in den Kreuzungsbereich ein. Das Landgericht Bielefeld hat mit Urteil vom 2.6.2015 – 2 O 359/14 – dem Kläger nach einer Haftungsquote von 100 % vollen Schadensersatz für den Fahrzeugschaden, die Sachverständigenkosten, die Unkostenpauschale und den Nutzungsausfall zuerkannt.

Hinsichtlich der geltend gemachten Mietwagenkosten in Höhe von 828,-- € hat es lediglich 396,-- € zuerkannt. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt, um eine vollständige Klageabweisung zu erreichen. Mit der Anschlussberufung hat der Kläger die noch offenen Mietwagenkosten in Höhe von 432,-- € verlangt. Das Berufungsgericht hat eine Beweisaufnahme durchgeführt, indem es unter anderem den Sachverständigen Prof. T. zu seinem verkehrsanalytischen Gutachten gehört hat. Berufung und Anschlussberufung haben teilweise Erfolg.

Soweit das Landgericht von einer 100-protentigen Haftung der Beklagten ausging, ist das angefochtene Urteil abzuändern. Nach § 17 I, II StVG ist eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge vorzunehmen. Aufgrund der Beweisaufnahme ergibt sich, dass der Unfall überwiegend, nämlich zu 70 % von dem beklagten Mercedes-Fahrer und zu 30 % von dem Kläger selbst verursacht wurde. Zu Lasten des beklagten Mercedes-Fahrers spricht, dass er die Sperrfläche überfahren hat. Einen Rotlichtverstoß vermag der Senat nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festzustellen. Einen Verstoß gegen § 2 I StVO verneint der Senat im Gegensatz zum Landgericht Bielefeld bereits dem Grunde nach. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der beklagte Mercedes-Fahrer sich außerhalb des dem fließenden Verkehr dienenden Bereiches bewegt hat. Das Überfahren der rechtsseitigen unterbrochenen Linie im Bereich der Einmündung stellt keinen Verkehrsverstoß dar.

Vielmehr belastet auch den Kläger neben der von seinem Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr ein unfallursächliches Verschulden wegen Verstoßes gegen § 9 III 1 StVO, wonach der Linksabbieger entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen muss. Nach Abwägung der beiderseits gesetzten Verursachungsbeiträge hält der Senat eine Haftungsverteilung von 70 % zu 30 % zu Lasten der Beklagten für angemessen. Der nach der vorgenannten Haftungsquoteanteilig zu ersetzende Schaden ist mit insgesamt 11.273,10 € anzusetzen. Hinsichtlich der geltend gemachten und vom Landgericht zugrunde gelegten Reparaturkosten von 9.032,02 €, der Sachverständigenkosten von 938,08 €, der Nutzungsentschädigung für die Zeit bis zum 24.8.2014 in Höhe von 450,-- € und der Unkostenpauschale von 25,-- € steht die Schadenshöhe nicht im Streit. Streitig sind allein die Mietwagenkosten . Die Firma Auto X hat mit Rechnung vom 5.9.2014 die Mietwagenkosten mit 828,-- € berechnet. Diese sind – im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts Bielefeld – in voller Höhe ersatzfähig. Soweit das Landgericht diese Schadensposition aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflichtverletzung im Hinblick auf das Schreiben der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung gekürzt hat, begegnet dies in der Tat durchgreifenden Bedenken.

Die Anschlussberufung weist zu Recht darauf hin, dass die Beklagten nicht unter Beweis gestellt haben, dass die in dem Schreiben aufgeführten Preise auch tatsächlich erreicht werden könnten, wenn der Kläger dort angemietet hätte. Dann aber kann eine von dem Schädiger zu beweisende für einen höheren Schaden kausale Schadensgeringhaltungspflichtverletzung – entgegen der Ansicht des Landgerichts – nicht bejaht werden (vgl. LG Nürnberg-FürthSP 2011, 365 Rn. 11). Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kannder Geschädigte allerdings vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 II 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Situation des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf. Dabei hat der Geschädigte das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Der Kläger hat konkret nicht dargelegt, dass die Anmietung zu den Preisen der Firma Auto X dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügte. Er hat auch nicht dargetan, dass er sich auf dem örtlich relevanten Markt orientiert und Vergleichsangebote eingeholt hat. Die Ermittlung der Schadenshöhe und damit des angemessenen Normaltarifes ist Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters.

Der Tatrichter ist weder gehindert, seiner Schadensschätzung den Schwacke-Mietpreisspiegel noch die Fraunhofer-Erhebung oder auch beide Listen zugrunde zu legen. Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen über Mietpreise im Einzelfall zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen führen können, genügt nicht, im Zweifel an der einen oder der anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Was die richtige Schätzgrundlage ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Sogar innerhalb der Oberlandesgerichte in Nordrhein-Westfalen ist diese Frage nicht einheitlich geklärt (siehe hierzu: OLG Düsseldorf MDR 2015, 454 Rn. 29). Der hier erkennende Senat spricht sich – wie der 13. Zivilsenat des erkennenden Gerichts (OLG Hamm SP 2012, 75 Rn. 11) – für die Mittelwertlösung aus. Der Mittelwert aus beiden Schätzgrundlagen ergibt 816,52 €. Der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Betrag aus der Mietwagenkostenrechnung in Höhe von 828,-- € weicht nur unwesentlich von dem Mittelwert ab und wird deshalb vom Senat letztlich im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO als noch angemessen und erforderlich erachtet.

Fazit und Praxishinweis: Mit diesem Berufungsurteil hat der erkennende 9. Zivilsenat des OLG Hamm zum einen zu der Frage der Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall und zur Frage dererforderlichen Mietwagenkosten Stellung genommen. Als Schätzgrundlage hält der Senat zur Ermittlung des angemessenen Normaltarifes für Mietwagenkosten die sogenannte Mittelwertlösung für vorzugswürdig. Das begegnet der Kritik. Abzustellen ist auf den Normaltarif. Wird ihm dieser nach den Preisen des Schwacke-Mietpreisspiegels angeboten, so kann der Geschädigte dabei von einem erforderlichen Mietpreis ausgehen, da auch der BGH diesen Preis bereits gut geheißen hat (vgl. BGH ZfS 2008, 383, 441).
Quellen
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