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Am 23.8.2012 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem der Pkw des Geschädigten beschädigt wurde. Der Geschädigte beauftragte einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung eines Schadensgutachtens.
Der Sachverständige berechnete961,16 €. Hierauf zahlte die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung nur 734,-- €. Den Differenzbetrag von 227,16 € macht der Kfz-Sachverständige aus abgetretenem Recht bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Bochum gegen die Unfallverursacherin persönlich geltend, nachdem die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung die Erstattung des restlichen Betrages abgelehnt hatte. Die Klage gegen die Schädigerin persönlich hatte Erfolg.

Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht gegen die beklagte ein Anspruch auf Zahlung weiterer 227,16 € aus dem Verkehrsunfall vom 23.8.2012 gemäß §§ 7 StVG,115 VVG, 249, 398 BGBzu. Bei dem Unfallereignis wurde der PKW der Geschädigtendurch das Kraftfahrzeug der Beklagten beschädigt. Die alleinige Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Hinsichtlich der Haftungshöhe kann der Kläger von der Beklagten den Rechnungsbetrag in vollerHöheabzüglich des vom Haftpflichtversicherer der Beklagten bereits gezahlten Teilbetragesverlangen, also den mit der Klage geltend gemachten Differenzbetrag in Höhe von 227,16 €.

Der Kläger ist berechtigt, die vom Schadensersatzanspruch der Geschädigten umfassten restlichen Gutachterkosten, die hier streitgegenständlich sind, von der Beklagten zu fordern. Er hat diesen Teil des Schadensersatzanspruchs durch wirksame Abtretung von der Geschädigten erworben. Die Beklagte kann die Erstattung der Sachverständigenkosten nicht mit der Begründung verweigern, die streitgegenständliche Rechnung sei überhöht. Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag zu zahlen, d.h. die Kosten, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Regelung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGHNJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann).

Zwar kann dem der Einwand des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich entgegenstehen, da der Geschädigte gehalten ist, den Aufwand zur Schadensbeseitigung im Rahmen des Zumutbaren möglichst gering zu halten. Dabei kommt jedoch eine subjektbezogene Schadensbetrachtung zum Tragen, d.h. der Geschädigte darf sich bei der Beauftragung des Sachverständigen damit begnügen, einen für ihn erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen, ohne zuvor Marktforschung betreiben zu müssen, um den honorargünstigsten Sachverständigen zu erreichen (vgl. BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90). Bei der Schadensschätzung ist zu berücksichtigen, dass die tatsächliche Höhe der Honorarrechnung vom 28.8.2012 bei der gerichtlichen Schätzung gem. § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Aufwandes im Sinne des § 249 II 1 BGB darstellt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten gilt dies auch für den hier aus abgetretenem Recht vorgehenden klagenden Sachverständigen. An der Wirksamkeit der Abtretung bestehen keine Bedenken. Für die Schadensberechnung ist nämlich maßgeblich, wie sich Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit aus der Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung darstellen. Auch darauf, ob die Geschädigte die Rechnung des Klägers bereits beglichen hat, kann es nicht ankommen, sofern sie selbst den Sachverständigen beauftragt hat, so wie dies hier unstreitig der Fall war, und die Beauftragung nicht im Rahmen eines sog. Schadensservices erfolgt ist.

Die Wirkung der konkreten Honorarrechnung des Sachverständigen als wesentlichem Indiz im Rahmen des § 287 ZPO hat die insofern darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht hinreichend erschüttert. Sie hat nämlich keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass die Geschädigtebei der Beauftragung des Klägers hätte erkennen müssen, dass dieser eine Vergütung verlangt, welche die branchenüblichen Preise deutlich überschreitet.

Was die Höhe der branchenüblichen Preise betrifft, hält das Gericht die VKS-BVK-Honorarbefragung 2012/2013 für eine taugliche Grundlage zur Ermittlung der üblichen Sachverständigenvergütung bei der Abwicklung von Verkehrsunfällen. Der Ansicht der beklagten Unfallverursacherin, dass gerade das von der HUK-Coburg veröffentlichte Tableau die Branchenüblichkeit in höherem Maße abbildet, folgt das Gericht nicht. Demnach ist werde das Grundhonorar noch die Nebenkosten zu beanstanden. Der Erforderlichkeitbzw. Erkennbarkeit entgegen würde daher lediglich ein auffälliges Missverhältnis zwischen Gesamtpreis des Sachverständigengutachtens und der erbrachten Leistung stehen (vgl. OLG München, Beschl. v. 12.3.2015 – 10 U 579/15 -).

Der hier insgesamt angesetzte Rechnungsbetrag von 961,61 € überschreitet im Übrigen die Grenzen der VKS-BVK-Honorarbefragung 2012/2013 unter Zugrundelegung von möglichem Grundhonorar und Nebenkosten nicht, so dass der Geschädigten keine eindeutigeunderhebliche Überschreitung des erforderlichen Betrages auffallen musste.

Die Beklagte dringt also auch mit dieser Einwendung nicht durch. Da es auf die Gesamtkosten ankommt, geht auch der Verweis der Beklagten auf die allgemeinen Kosten für die Fertigung von Lichtbildern, die seiner Ansicht nach wesentlich niedriger anzusetzen seien, fehl. Im Übrigen vergleicht sie dabei wesentlich ungleiche Preisgestaltungen, nämlich die Preise für die Anfertigung von Lichtbildern im Internet oder bei Discountern und die übliche Vergütung von Sachverständigen für die Anfertigung von Lichtbildern.

Entsprechendes gilt in Bezug auf die Schreibkosten. Maßgeblich sind nicht andere Berufsfelder, sondern das, was Kfz-Sachverständige üblicherweise als Vergütung hierfür verlangen. Insofern als die Beklagte einwendet, es sei nicht ersichtlich, weshalb eine 3. und 4.Ausfertigung des Gutachtens erstellt worden sei, ist zu beachten, dass bei der – häufig höchst streitigen Regulierung von Verkehrsunfällen – häufig von allen Beteiligten, insbesondere der Gegenseite samt Versicherung und ggf. anwaltlicher Vertretung – Ausfertigungen der Schadensgutachten angefordert werden. Deren Herstellung ist nach Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden. Auch die Ansicht der Beklagten, dass die Kosten in Anlehnung an das JVEG zu berechnen gewesen wären, geht fehl.Eine Übertragung der Grundsätze des JVEG für die Vergütung gerichtlicher Sachverständiger auf Privatgutachter ist nicht angebracht (BGH NJW 2007, 1450 mit weiteren Nachweisen = DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann; so auch OLG München, aaO.).

Fazit und Praxishinweis: Mit zutreffender Begründung hat das erkennende Gericht dem Kläger den restlichen abgetretenen Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Schädiger auf Erstattung der vollen Sachverständigenkosten zugesprochen. Dabei hat das Gericht auch zu Recht die Kosten für das 3. und vierte Exemplar des Schadensgutachtens zugesprochen, denn auch diese gehören zu den erforderlichen Rechtsverfolgungskosten. Gerade in Zeiten, in denen der eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer nicht nur die prognostizierten Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungskosten, sondern auch die in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten bestreitet, ist der Geschädigte genötigt, zur Durchsetzung seines berechtigten Schadensersatzanspruchs gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Daher sind von vornherein Exemplare für den Geschädigten, für die eintrittspflichtige Versicherung, für den Anwalt und für das Gericht erforderlich. Das sind mindestens 4 Exemplare, die der Geschädigte benötigt.
Quellen
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