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VW-Müller geht in die Offensive
Gründung der 13. Konzernmarke angekündigt / Investitionen, Zentralismusabbau und Kooperationen mit chinesischen Unternehmen

RobGal

Der VW-Abgasskandal ist, trotz großer Bemühungen, längst noch nicht überwunden. Erst ein Bruchteil der betroffenen Autos wurde zurückgerufen und repariert und auch die juristische Aufarbeitung verlängert sich durch ständig neu hinzukommende Klagen von Kunden oder staatlichen Stellen.
Hinzu kommt auch noch die Explosion eines erdgasbetriebenen VW Touran beim Tanken.

Dennoch wird die weitere Entwicklung des Konzerns mit einigem Optimismus vorangetrieben, wie der Vorstandvorsitzende Matthias Müller bemüht ist, der Öffentlichkeit, der Belegschaft und den Kunden zu vermitteln. In der Elektromobilität hält VW an dem Ziel fest, bis zum Jahr 2025, dem Stichdatum der Bundesregierung für eine Million E-Fahrzeuge auf den hiesigen Straßen, dreißig elektrisch betriebene Modelle mit einer Reichweite von 500 bis 600 Kilometern anzubieten. Diese Stromer sollen auf einer völlig neuen Elektro-Plattform entstehen, wie Müller gegenüber der "Bild am Sonntag" die Zukunftsvorhaben skizzierte.

Bereits drei Monate vorher hatte Müller als Ziel bis zum Jahr 2025 formuliert, dass die rein elektrisch betriebenen Autos des Konzerns 20 bis 25 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen sollen. Dazu gehört auch das Entwicklungsprojekt für einen neuen Schnelladevorgang unter der Federführung von Porsche, durch den die Batterie in nur noch fünfzehn Minuten zu achtzig Prozent aufgeladen wird. Heute dauert die Schnellaufladung eines VW E-Up rund dreißig Minuten. Für das schleppende Vorankommen der Elektroautos macht Müller die fehlende Reichweite, die mangelnde Infrastruktur und die hohen Preise verantwortlich.

Zur Konkurrenz, die den klassischen Automobilherstellern durch IT-Konzerne wie Apple und Google im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren bereitet wird, meinte der VW-Vorsitzende lakonisch, dass das jeweilige Rollenverständnis sehr unterschiedlich sei. Gemeinsame Gespräche habe man abgebrochen. Kampfeslustig sagte Müller, dass man in fünf oder zehn Jahren wissen werde, wie der "Spielstand" sei.

Nicht von ungefähr nimmt der Wolfsburger Autokonzern in der Zusammenarbeit mit chinesischen Technologieunternehmen Fahrt auf. Sowohl das chinesisch-deutsche Joint-Venture FAW-Volkswagen als auch die VW-Tochter Audi kooperieren mit chinesischen Internetunternehmen wie Alibaba (Handel), Baidu (Suchmaschine) und Tencent (Medien, soziale Netzwerke), um das vernetzte Auto voranzutreiben. Auf diesem Feld wird mit Investitionen in Milliardenhöhe gerechnet. Im Vorfeld des Pariser Autosalons Anfang Oktober kündigte Müller zudem an, dass das neue Geschäftsfeld mit urbanen Mobilitätsdiensten, wozu die Vermittlung von Fahrten, Shuttle-Angebote oder Sharing-Konzepte gehören, zur eigenständigen Konzernmarke ausgebaut werden soll. Auf diesem Feld will VW Marktführer in Europa werden. Details zur Gründung der dreizehnten VW-Tochter sollen im November veröffentlicht werden.

Zur VW-Konzernstruktur, die gern als zu starr kritisiert wird, merkte Müller an, "dass wir bislang zu obrigkeitshörig waren". Es sei alles sehr zentralistisch organisiert und auf wenige Personen konzentriert gewesen. Er, Müller, habe das aber schnell geändert.

Nicht zuletzt die Spekulationen über die Höhe der Strafzahlungen für die Abgasmanipulationen ließen den Wert der VW-Aktie zuletzt wieder einbrechen. Dennoch gibt sich die Konzernleitung zuversichtlich, die Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen, denn die finanzielle Stärke des Unternehmens sei nach wie vor "ziemlich robust". Die Rückstellungen im Zusammenhang mit der Diesel-Malaise betragen nach VW-Angaben 17,8 Milliarden Euro. Diese Summe umfasse alle bislang bekannten Sondereffekte.
Zurzeit verhandeln die US-amerikanische Regierung und der Wolfsburger Autobauer über die Höhe der Strafzahlungen für den Abgasbetrug. Eine Einigung soll bis Januar nächsten Jahres unter Dach und Fach sein, noch bevor die neue Regierung im Amt ist und die politischen Beamten möglicherweise ausgetauscht werden. Experten halten es nicht für wahrscheinlich, dass die Gesamthöhe der Strafen über die Rückstellungen des Konzerns hinausgehen werden. Die höchste Zahlung dieser Art musste bislang Toyota entrichten. Der japanische Autobauer war Anfang 2014 zur Zahlung von 1,2 Milliarden Dollar wegen klemmender Gas- und Bremspedale verdonnert worden, nachdem bei Unfällen Todesopfer zu beklagen waren.

Hohe Investitionen in die technologische Entwicklung, der Ausbau internationaler Zusammenarbeit, die Demokratisierung interner Entscheidungsvorgänge – wenn diese Elemente wirkungsvoll umgesetzt werden, könnte VW nicht nur erfolgreich, sondern auch beispielgebend sein.
Quellen
    • Text: Olaf Walther (Kb)
    • Foto: Volkswagen