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AG Leipzig spricht die fiktiven Verbringungskosten nach Unfall zu
AG Leipzig Urteil vom 1.10.2015 – 110 C 1850/15 –

RFWW

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall beauftragte der Geschädigte einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Der Schadensgutachter setzte für den beschädigten BMW-Pkw Verbringungskosten von 149,40 € ein.
Die regulierungspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung regulierte diesen Betrag nicht. Sie war der Ansicht, bei fiktiver Abrechnung des Schadens würde diese Schadensposition nicht anfallen. Der Geschädigte nahm daraufhin gerichtliche Hilfe in Anspruch. Die Klage vor dem Amtsgericht Leipzig hatte Erfolg.

Der Kläger hat gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung einen Anspruch auf Zahlung von restlichem Schadensersatz in Höhe von 149,40 € gemäß §§ 115 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 VVG, 249 ff BGB. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Der Kläger kann hier auch noch Verbringungskosten in Höhe von 149,40 € beanspruchen. Gemäß § 249 BGB kann der Geschädigte nur den Betrag ersetzt verlangen, der objektiv erforderlich ist oder war, das heißt die Aufwendungen, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (Palandt/Grüneberg, BGB Kommentar 73. Auflage 2014, § 249 BGB, Rz.12).

Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff zu Schadens und Zweck des Schadensersatzes und dem Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensgeringhaltungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Hiergegen hat der Kläger jedoch nicht verstoßen. Er kann Verbringungskosten auch als Nettobeträge geltend machen. Schon die Änderung des § 249 II BGB durch das Schadensrechtsänderungsgesetz vom 1.8.2002 zeigt, dass eine fiktive Abrechnung anderer Schadenspositionen als der Umsatzsteuer nicht ausgeschlossen sein soll, denn der Gesetzgeber hat nur diese von der fiktiven Abrechnung ausgenommen (AG Berlin-Mitte, NJW 2008, S. 529/530). Auch liegt kein Verstoß gegen das Verbot vor, den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, besser zu steilen, als denjenigen, der konkret abrechnet. Bei dieser Argumentation handelt es sich um einen Zirkelschluss, da bei der fiktiven Abrechnung noch gar nicht feststeht, ob Verbringungskosten nicht anfallen (AG Berlin-Mitte, NJW 2008, S. 529/530).

Würde man die Verbringungskosten in Abzug bringen, würde die Dispositionsfreiheit des Geschädigten wesentlich eingeschränkt. Es würde ihm auferlegt, einen aufwendigen Preisvergleich der einzelnen Werkstätten anzustellen und die Werkstätten auszusuchen, die keine Verbringungskosten berechnen. Hierzu ist der Geschädigte aber nicht verpflichtet, wenn weit verbreitet Verbringungskosten bei Werkstätten üblich sind (vgl. LG Aachen, NZV 2005, S. 649) oder wenn Verbringungskosten bei einer Reparatur in einer regionalen Fachwerkstatt üblicherweise anfallen (so auch jetzt Grüneberg in Palandt BGB, Kommentar 73. Auflage 2014, § 249 BGB, Rz. 14, in Abweichung zur 72. Auflage). Abgesehen davon, dass der Kläger im hiesigen Prozess substantiiert vorgetragen hat, dass Verbringungskosten auch bei der Reparatur in der BMW Werkstatt XY in Leipzig anfallen, und zwar konkret bei einer Reparatur in Höhe von 149,40 € hat der Kläger auch das Schadensgutachten vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass Verbringungskosten in Höhe von 149,40 € kalkuliert sind. Der Kläger ist nicht verpflichtet, aufwendige Informationen einzuholen, um festzustellen, ob eine Werkstatt in Leipzig und Umgebung nun doch keine Verbringungskosten berechnet.

Fazit und Praxishinweis: Der BGH hat zu den fiktiven Verbringungskosten bisher noch keine Entscheidung getroffen. Eine Revision wurde kurz vor der Verhandlung durch die revisionsführende Kfz-Haftpflichtversicherung zurückgenommen. Allerdings ist festzuhalten, dass im Falle der zulässigen Abrechnung auf Gutachtenbasis die üblichen Preise einer regionalen Markenfachwerkstatt der Abrechnung zugrunde gelegt werden dürfen. Das gilt auch für Verbringungskosten und UPE-Zuschläge, wenn diese üblicherweise in der regionalen Markenfachwerkstatt verlangt werden, wenn das verunfallte Fahrzeug dort repariert wird. Vgl. auch die Ausführungen im FAQ der Unfallzeitung unter Verbringungskosten .
Quellen
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