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Am 16.10.2014 ereignete sich in Dortmund ein Verkehrsunfall. Die Haftung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung zu einhundert Prozent ist unstreitig.
Der Geschädigte hatte nach dem Unfall einen Kfz-Sachverständigen beauftragt, ein Schadensgutachten zu erstellen. Seine Kosten berechnete er mit 674,16 €. Der Geschädigte trat seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachterkosten an den Sachverständigen ab, der sie dann weiter an die klagende Factoring-Firma abtrat. Diese glich die Gutachterkosten in vollem Umfang aus. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung zahlte auf die Gutachterkostenrechnung nur 497,-- €. Der Restbetrag von 177,16 € ist Gegenstand der Klage. Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 9.3.2015 – 414 C 10341/14 – die Klage überwiegend abgewiesen und nur 39,36 € zugesprochen. Die dagegen eingelegte Berufung hatte in vollem Umfang Erfolg.

Die zulässige Berufung ist in vollem Umfang begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Zahlung weiterer 137,80 €gemäß §§ 7 I 1 StVG, 115 I 1 Nr. 1 VVG, 398 BGB zu. Dass die Beklagte gegenüber dem Geschädigten aus dem Unfallereignis vom 16.10.2014 dem Grunde nach zu 100% zum Schadensersatz verpflichtet ist, steht zwischen den Parteien ebenso außer Streit wie die Wirksamkeit der Abtretung des Schadensersatzanspruches von dem Geschädigten an den Sachverständigen und von diesem an die Klägerin. Über die bereits ausgeurteilten 39,36 €hinaus ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin weitere 137,80 € zu zahlen, weil dieser Betrag ebenfalls zu dem zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag im Sinne des § 249 II 1 BGB gehört. Die Kosten, welche mit der Beauftragung eines Sachverständigen zur Feststellung der Schadenshöhe einhergehen, gehören dem Grunde nach zu den gemäß § 249 I BGB zu ersetzenden Schäden (vgl. BGH DS 2007, 144; Palandt, BGB, 74. Auflage, § 249, Rn. 58 m.w.N.).

Der Höhe nach ist der Schadensersatzanspruch gemäß § 249 II 1 BGB auf die zur Beauftragung eines Sachverständigen erforderlichen Kosten begrenzt (vgl. BGH, DS 2014, 90 Rn. 7 m. w. N.). Erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Maßgeblich abzustellen ist im Rahmen dieser so genannten subjektbezogenen Schadensbetrachtung auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten, weswegen sich der Geschädigte bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen damit begnügen darf, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (vgl. BGH, DS 2007, 144; BGH DS 2014, 90 Rn. 7 - ).

Seiner Darlegungslast zur Erforderlichkeit der mit der Beauftragung des Sachverständigen angefallenen Kosten genügt der Geschädigte durch Vorlage einer Rechnung des von ihm in Anspruch genommenen Sachverständigen, denn die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten nieder (vgl. BGH, DS 2014, 90 Rn. 8; BGH, Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 528/12 - Rn. 27 - ). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht erforderlich, dass der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen bereits beglichen hat. Zwar hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 -, ausgeführt, dass der Geschädigte seiner Darlegungslast durch die "Vorlage der - von ihm beglichenen - Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeuges beauftragten Sachverständigen" genügt, jedoch ist mit dem vorstehend zitierten, in Parenthese gesetzten Zusatz in Abgrenzung zu früheren Entscheidungen kein zusätzliches Erfordernis aufgestellt worden.

In der genannten Entscheidung hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sowohl sein Urteil vom 11.02.2014 - als auch sein Urteil vom 15.10.2013 zitiert, ohne - was geboten gewesen wäre - klarzustellen, nunmehr in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung weitergehende Anforderungen stellen zu wollen. Insoweit wäre es der Sache nach auch nicht gerechtfertigt, zusätzlich auf die Bezahlung des Rechnungsbetrages abzustellen. Denn auch einer unbezahlten Rechnung kommt die notwendige Indizfunktion zu, welche Rückschlüsse auf die vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten zulässt. Denn der Geschädigte hat sich gegenüber dem Sachverständigen verpflichtet, den ausgewiesenen Rechnungsbetrag zu begleichen, so dass diesem ein klagbarer Anspruch zusteht und der Geschädigte bereits mit der Eingehung dieser Verbindlichkeit sein Vermögen unmittelbar in entsprechender Höhe belastet hat.

Hinzu kommt, dass ein wirtschaftlich schwächerer Geschädigter, der auf die Ersatzleistung des Schädigers angewiesen ist und nicht in Vorleistung gehen kann, sich anders als ein wirtschaftlich leistungsfähigerer Geschädigter nicht mehr auf die mit der Vorlage der Rechnung einhergehende Indizfunktion berufen könnte. Ein vernünftiger Grund für eine solche Ungleichbehandlung ist indes nicht ersichtlich. Ungeachtet dessen ist für den vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Sachverständige seine Vergütung erhalten hat, nachdem der Geschädigte seinen Schadensersatzspruch erfüllungshalber an den Sachverständigen abgetreten und dieser seine Forderung realisiert hat, indem nach Abtretung der Forderung - ausweislich des unstreitigen Parteivortrags - das Honorar von der Klägerin gezahlt worden ist. Mit der Vorlage der Sachverständigenkostenrechnung hat der Kläger die Erforderlichkeit der angefallenen Kosten dargelegt. Dass diese Kosten erforderlich gewesen sind, ist nicht etwa dadurch widerlegt, dass der Geschädigte hat erkennen können, dass der von ihm beauftragte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt hat, welche die in der Branche üblichen Preise übersteigen und er daher dem schadensrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot folgend gehalten gewesen wäre, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (vgl. BGH NJW 2014, 1947 Rn. 9 ).

Die insoweit darlegungs-und beweisbelastete Beklagte (vgl. BGH NJW 2014, 1949 = DS 2014, 90 Rn. 11) hat nicht hinreichend dargetan, dass die Rechnung des Sachverständigen die in der Branche üblichen Preise übersteigt und der Geschädigte dies erkennen konnte. Der Verweis der Beklagten auf das Honorartableau 2012 der HUK Coburg ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend, weil zum einen nicht ersichtlich ist, weswegen diese Erhebung aus dem Jahr 2012 für ein Schadensereignis aus dem Jahr 2014 maßgeblich sein soll. Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, weswegen der Geschädigte dieses gekannt haben soll und einen Sachverständigen gefunden hätte, der zu den dortigen Sätzen sein Gutachten erstattet. Vielmehr kann nach Auffassung der Kammer insbesondere anhand der zum Unfallzeitpunkt aktuellen Honorarbefragung des BVSK die Höhe der erforderlichen Sachverständigenkosten gemäß § 287 ZPO geschätzt werden. Danach halten sich die berechneten Sachverständigenkosten einschließlich der Nebenkosten im Bereich des Üblichen, so dass diese als erforderlich anzusehen sind.

Fazit und Praxishinweis: Mit überzeugender Begründung hat die Berufungskammer des LG Dortmund die Indizfunktion auch der unbezahlten Sachverständigenrechnung bejaht. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Rechnung bezahlt ist oder nicht, denn auch die Belastung mit einer Verbindlichkeit steht der Bezahlung gleich. Zutreffend hat die Berufungskammer des LG Dortmund auch die Heranziehung des Honorartableaus der HUK-COBURG als geeigneten Maßstab für die erforderlichen Sachverständigenkosten abgelehnt. Das von einer Versicherung erstellte Tableau kann keine allgemeingültige Schätzgrundlage sei, denn dann würde der Maßstab der Schuldnerin den vom Geschädigten zu bestimmenden Maßstab der Erforderlichkeit ersetzen. Maßgeblich bleibt die Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen. Darin spiegelt sich die subjektbezogene Schadensbetrachtung wider.
Quellen
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