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AG Mitte sieht Honorartableau der HUK-COBURG nicht als Schätzgrundlage an
AG Mitte in Berlin Urteil vom 21.1. 2016 – 21 C 3071/15 –

RFWW

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall beauftragte der Geschädigte einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Gleichzeitig schloss er mit dem Sachverständigen eine schriftliche Honorar- und Abtretungsvereinbarung.
Der Unfall war schuldhaft durch einen bei der HUK-COBURG versicherten Kraftfahrer verursacht worden. Die HUK-COBURG als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung kürzte die berechneten Sachverständigenkosten unter Hinweis auf das Honorartableau der HUK-COBURG. Da der Schadensersatzanspruch auf Erstattung der vollen Gutachterkosten abgetreten war, klagte der Kfz-Sachverständige die gekürzten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Mitte in Berlin ein. Die Klage hatte Erfolg.

Der klagende Sachverständige ist aktivlegitimiert. Das ergibt sich eindeutig aus der vorgelegten Abtretungsvereinbarung. Dem Kläger steht auch der restliche Schadensersatzbetrag zu. Der Geschädigte war berechtigt, den Kläger mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Ein Verkehrsunfallgeschädigter kann grundsätzlich einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeug beauftragen und vom Schädiger nach § 249 II 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind dabei diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Verkehrsunfallgeschädigten machen würde. Gleichwohl ist unter dem Gesichtspunkt der Schadensgeringhaltungspflicht nach § 254 II 1BGB der Geschädigte gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dies verlangt von ihm jedoch nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte.

Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von § 249 II 1BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift vernachlässigt werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Daher ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte des Verkehrsunfalls den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Verkehrsunfallgeschädigten, insbesondere auf seine individuellen Schwierigkeiten zu nehmen. Allgemein darf sich der Verkehrsunfallgeschädigte bei der Beauftragung eines Kraftfahrzeugsachverständigen aber schon damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor Marktforschung nach einem preislich günstigeren Sachverständigen betreiben (BGH NJW 2014, 1947,1948; KG BeckRS 2015, 10435 Rn. 28).

Bei der vom Gericht sodann vorzunehmenden Schadensschätzung nach Maßgabe des § 287 ZPO bildet der in Übereinstimmung mit der Rechnung der ihr zugrunde liegenden Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Aufwandes. Hierin schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten nieder (vgl. BGH aaO.;BGH NJW 2014, 3151; KG aaO Rn 29). Hinsichtlich der Methode zur Abrechnung der Grundgebühr muss sich der Verkehrsunfallgeschädigte vom Schädiger gerade nicht auf eine bestimmte Abrechnungsmethode verweisen lassen, wie die Honorarumfrage bzw. das Gesprächsergebnis eines Sachverständigenverbandes, mithin auch nicht auf das von der Beklagten in Bezug genommene HUK-Tableau (vgl. BGH NJW 2014, 1947,1948 f.).

Die Berechnung des Grundhonorars ist auch nicht unangemessen hoch. Nur wenn der Verkehrsunfallgeschädigte erkennen kann, dass der von ihm gewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot , einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH NJW 2014, 1947, 1949). Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich und auch durch die Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargetan. Die Berechnung des hier in Ansatz gebrachten Grundhonorars in Höhe von 395,-- €für die Begutachtung eines Bruttoschadens in Höhe von 3.230,60 € stellt mit einem Prozentsatz von 12,23 % kein überhöhtes Honorar dar.

Die Höhe des hier in Ansatz gebrachten Grundhonorars bewegt sich noch im Rahmen der in Berlin und Brandenburg üblichen Sachverständigenvergütung.Auch unterliegt die Geltendmachung von Nebenkosten neben dem Grundhonorar keinen grundsätzlichen Bedenken. Zudem ist auch die Höhe der in Ansatz gebrachten Nebenkosten nicht zu beanstanden, sondern noch angemessen. Dass der Geschädigte von vornherein erkannt haben müsste, dass Nebenkosten unangemessen hoch oder gänzlich unbegründet seien, die branchenüblichen Preise als deutlich überschreiten würden, ist nicht ersichtlich. Eine willkürliche Festsetzung der Positionen oder ein offensichtliches, krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Honorar hat sich dem hier geschädigten Kfz-Eigentümer jedenfalls nicht aufdrängen müssen.

Fazit und Praxishinweis: Mit dem Amtsgericht Mitte in Berlin hat ein weiteres Gericht – zu Recht – das Honorartableau der HUK-COBURG als Bewertungsmaßstab der erforderlichen Sachverständigenkosten abgelehnt. Bei dem Honorartableau der HUK-COBURG handelt es sich um ein von der Versicherung selbst erstelltes Tabellenwerk, das allenfalls die Angemessenheit der berechneten Sachverständigenkosten bewerten kann. Im Schadensersatzprozess kommt es aber nicht auf die Angemessenheit, sondern auf die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB an. Wie sich die angegebenen Werte on dem Honorartableau der HUK-COBURG zusammensetzen, ist nicht ersichtlich. Schon von daher kann es keinegeeignete Schätzgrundlage im Sinne des § 287 ZPO sein.
Quellen
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