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Am 18.12.2014 ereignete sich auf einem Parkplatz ein Verkehrsunfall, bei dem der Pkw der Geschädigten, ein VW-Golf Plus, beschädigt wurde. Die Schuld am Zustandekommen des Unfalls trägt der Fahrer, der mit seinem Fahrzeug rückwärts ausparken wollte.
Dabei stieß er gegen das geparkte Fahrzeug der Geschädigten. Die Geschädigte holte bei dem Autohaus einen Kostenvoranschlag ein. Danach belaufen sich die Reparaturkosten auf 1.492,34 € netto. Die hinter dem Schädiger stehende Kfz-Haftpflichtversicherung kürzte den Schadensbetrag um 632,14 € und zahlte nur 859,90 € an die Geschädigte an Reparaturkosten und 20,-- € als allgemeine Unkostenpauschale .

Nachdem die Geschädigte die Kfz-Versicherung zur Ausgleichung der restlichen Schadensbeträge aufgefordert hatte, diese jedoch weitere Zahlungen ablehnte, klagte die Geschädigte die Differenz bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Detmold ein. Die Klage hatte Erfolg, nachdem das Gericht ein schriftliches Sachverständigengutachten einholen ließ.

Die Klägerin hat gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung einen weiteren Anspruch auf Zahlung von 637,44 € aus den §§ 7 I, 18 I StVG, 115 VVG, 823, 249 BGB. Der Unfall ist beim Betrieb des Kraftfahrzeuges des Versicherungsnehmers der beklagten Kfz-Versicherung eingetreten. Die geltend gemachten Reparaturkosten sind in der gesamten Höhe erforderlich im Sinne des § 249 BGB. Das Gericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass zur Reparatur des beschädigten Fahrzeugs der Klägerin der im Kostenvoranschlag genannte Betrag erforderlich ist. Das erkennende Gericht folgt den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen. Dieser hat nachvollziehbar dargelegt, dass entgegen der Behauptung der beklagten Kfz-Versicherung sowohl die Beilackierung als auch die Achsvermessung erforderlich sind, um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.

Entgegen der Auffassung der beklagten Kfz-Versicherung muss sich die Klägerin bezüglich der von der Beklagten behaupteten günstigeren Stundenverrechnungssätze auch nicht auf eine markenunabhängige Werkstatt verweisen lassen. Der Geschädigte leistet im Reparaturfall dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Wählt der Geschädigte den vorgeschriebenen Weg der Schadensbehebung und genügt er dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 BGB, so begründen besondere Umstände, wie das Alter des Fahrzeugs oder seine Laufleistung keine weitere Darlegungslast des Geschädigten. Will jedoch der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Werkstatt verweisen, miss der Schädiger darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass es sich um eine mühelos und ohne weiteres zugängliche Fachwerkstatt handelt und dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in der markengebundenen Fachwerkstatt entspricht (BGH ZfS 2010, 143 – sog. VW-Entscheidung).

Entgegen der Auffassung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung sind diese Anforderungen nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der das erkennende Gericht folgt, gerade bei der fiktiven Schadensabrechnung an den Schädiger zu stellen. Es kommt daher nicht darauf an, ob es bei der von der beklagten Versicherung benannten Werkstatt um eine vergleichbare Fachwerkstatt handelt. Denn diese benannte Werkstatt ist aus der Sicht der Geschädigten nicht mühelos und ohne weiteres zugänglich. Die Wegstrecke zwischen dem Wohnhaus der Klägerin und der Werkstatt beträgt mehr als 20 Kilometer. Das ist nicht mehr zumutbar für die Klägerin. Es kommt nicht darauf an, dass bei einer fiktiven Schadensabrechnung diese Wegstrecke gar nicht anfällt. Denn an den fiktiv abrechnenden Geschädigten sind zur Erhaltung seines ihm zustehenden Wahlrechtes als Herr des Restitutionsverfahrens nicht höhere Anforderungen zu stellen als an den Geschädigten, der tatsächlich reparieren lässt. Soweit die Beklagte auf den Hol- und Bringservice verweist, geht ihr Vortrag fehl. Es ist kein hinreichender konkreter Vortrag, wenn die Beklagte zunächst von einen gegebenenfalls in der Regelkostenlosen Service ausgeht, und später von einem kostenlosen Service spricht. Das ist widersprüchlich. Die Klägerin muss sich auf Unwägbarkeiten nicht einlassen, zumal die Beklagte den behaupteten tatsächlich kostenlosen Service nicht unter Beweis gestellt hat.

Fazit und Praxishinweis: Eine Verweisung auf eine freie Werkstatt in mehr als 20 Kilometer Entfernung vom Wohnort des Geschädigten ist für diesen nicht mehr zumutbar.Das gilt umsomehr im ländlichen Raum. Dann ist die Werkstatt für den Geschädigten nicht mehr mühelos erreichbar. Das Urteil reiht sich in die Reihe der Urteile zur Verweisung ein. Siehe dazu auch die in der Unfallzeitung unter der Rubrik Verweisung veröffentlichten Urteile.
Quellen
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