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Brummis auf Pusteblumen-Reifen
Premiere für Lkw-Reifen und Motorlager aus dem Kautschuk des Löwenzahns / In fünf bis zehn Jahren soll die Serienproduktion starten

RobGal

Als "technische Revolution" präsentierte Continental auf der Nutzfahrzeug-IAA Ende September zum ersten Mal Lkw- und Buskomponenten sowie einen Nutzfahrzeugreifen aus Löwenzahnkautschuk, von Conti "Taraxagum" genannt, abgeleitet aus "Taraxacum", der lateinischen Bezeichnung für den Löwenzahn.
Aus dessen Wurzel wird ein Gummi gewonnen, der durch seine "optimalen Materialeigenschaften" die Entwicklung "technologischer Spitzenprodukte" ermögliche, wie der Autozulieferer erklärte.

2014 produzierte der Reifenhersteller erstmals das Muster eines Pkw-Winterreifens mit einem Laufstreifen aus reinem Löwenzahnkautschuk. Im selben Jahr begannen die Planungen für die Produktion eines Nutzfahrzeugreifens. Dafür werden allerdings zwanzig bis fünfundzwanzig Kilogramm Taraxagum benötigt; bei einem Pkw-Reifen sind es nur ein bis drei Kilogramm. Ende 2015 wurde dann eine Taraxagum-Variante des aktuellen Pkw-Winterreifens Winter-Contact TS 850 im Praxistest auf Herz und Nieren geprüft, zur gleichen Zeit begutachtete Conti-Tech das neue Kautschukmaterial für die Schwingungstechnik, etwa für Motorlager. Das erfordert andere Kautschukeigenschaften als für Reifen. "Unsere Produkte müssen beispielsweise sehr große dynamische Belastungen auch bei hohen Temperaturen aushalten", betonte die Leiterin des Projekts bei Conti-Tech. Schließlich wurde im vergangenen Sommer die Löwenzahn-Ausgabe von Contis Lkw-Reifen Eco-Plus HD3 erstmals gebacken. Die Tests mit dem Löwenzahn-Lkw-Reifen und mit den Schwingungselementen seien "äußerst vielversprechend" verlaufen, sie erfüllten "die hohen Anforderungen im anspruchsvollen Güterverkehr", freut man sich bei Continental.

Neben dem Lkw-Reifen konnte Continental auf der IAA auch den Prototypen eines Motorlagers präsentieren. Es verbindet das Triebwerk mit dem Fahrgestell und soll den Körperschall des Motors so isolieren, dass der Fahrkomfort und die Sicherheit erhöht werden. Zudem wurde zum ersten Mal der Prototyp eines Gelenkwellenzwischenlagers aus Taraxagum vorgestellt. Es hat die Aufgabe, die Schwingungsübertragungen in das Fahrgestell zu stabilisieren und zu minimieren.

Das Potential für eine neueRohstoffquelle

Die Entwicklungsingenieure von Continental sind überzeugt, dass Löwenzahn "das Potential hat, als Nutzpflanze zu einer umweltfreundlichen Rohstoffquelle entwickelt zu werden". Taraxagum könne dazu beitragen, die Abhängigkeit vom herkömmlich produzierten Naturgummi des Kautschukbaums, der in Südamerika, Westafrika, Indien und Südostasien angebaut wird, zu senken. Denn der anspruchslose Löwenzahn kann auch in Nord- und Westeuropa angebaut werden und damit in unmittelbarer Nähe zu Contis Produktionsstätten. Der Reifenbäcker aus Hannover betont, dass sich dadurch die Transportwege deutlich reduzieren ließen. Außerdem werde der Regenwald geschont und stehe die Pusteblume in punkto Anbauflächen nicht in Konkurrenz zu Lebensmittelpflanzen. Das alles erlaube einen nachhaltigeren und kostengünstigeren Umgang mit den Ressourcen.

Die Industrialisierung des Löwenzahnkautschuks ist ein gemeinschaftliches Forschungsprojekt von Continental, dem Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IME), dem Julius-Kühn-Institut, einer Bundesforschungseinrichtung für Kulturpflanzen, sowie dem Pflanzenzuchtexperten ESKUSA. Die Serienproduktion von Taraxagum will Continental in fünf bis zehn Jahren starten und dann schrittweise in die Produkte einfließen lassen.
Quellen
    • Text: Beate M. Glaser (Kb)
    • Foto: Continental