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Kosten für Unfallaufnahme durch Sachverständigen sind zu erstatten
Amtsgericht Hannover Urteil vom 14.10.2015 – 568 C 12550/14 –

RFWW

Nach einem Verkehrsunfall nahm der Geschädigte den Unfallaufnahmedienst eines Sachverständigen in Anspruch, nachdem die kostenlose Unfallaufnahme durch die Polizei nicht möglich war. Der Sachverständige nahm den Unfall auf und berechnete seine Kosten für die Unfallaufnahme dem Unfallopfer gegenüber.
Der Geschädigte und der Sachverständige vereinbarten eine Abtretung erfüllungshalber. Der Sachverständige machte daher insgesamt aus dem Unfallgeschehen vom 3.1.2014 einen abgetretenen Anspruch in Höhe von 730,18 € geltend, auf den die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung 562,87 € zahlte. Der Differenzbetrag ist Gegenstand des Rechtsstreites vor dem AG Hannover. Die Klage hatte Erfolg.

Der klagende Sachverständige hat gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung einen Anspruch auf Zahlung von Sachverständigenkosten in Höhe von 167,31 € aus den §§ 7 I StVG, 115 I 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG, 249, 398 BGB. Der geschädigte Kfz-Eigentümer war ursprünglich forderungsberechtigt. Seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten hatte er an den Sachverständigen abgetreten. Die Abtretung war wirksam. Der Kfz-Eigentümer als Unfallgeschädigter hatte einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten. Die Sachverständigenkosten für die Unfallaufnahme sind als erforderlicher Herstellungsaufwand nach § 249 II 1 BGB anzusehen. Was als erforderlich anzusehen ist, richtet sich danach, was ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten für notwendig erachtet (vgl. BGH Urt. v. 23.2.2010 – VI ZR 91/09 - ).

Den Unfallaufnahmedienst eines Sachverständigen darf der Geschädigte grundsätzlich – von den seltenen Fällen abgesehen, in denen die Haftungslage eindeutig klar ist und eine spätere Beweisnot ausgeschlossen ist – in Anspruch nehmen und die Kosten liquidieren (Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. A. 2015, Rn. 112). Der Geschädigte hat sich bemüht, zunächst eine kostenlose Unfallaufnahme durch die Polizei zu erreichen. Die Polizei konnte wegen anderer priorisierender Einsätze nicht zum Unfallort kommen. Es handelt sich auch um keine Situation, in der die Haftungslage klar gewesen sei und eine spätere Beweisnot ausgeschlossen gewesen sei. Zu Recht ging der Geschädigte davon aus, dass auf Parkplätzen das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme gilt und dass, wenn die Situation unklar ist, Gerichte häufig zu einer hälftigen Schadensteilung kommen. Zwar gab es bei dem Unfall eine Zeugin.

Zu Recht wollte sich der Geschädigte nicht auf diese Zeugin verlassen. Wie das Gericht aus eigener Kenntnis weiß, weichen Zeugen häufig von der ursprünglichen Aussage dann in der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme davon ab. Somit war nach Ansicht des Gerichts der Geschädigte berechtigt, den Unfallaufnahmedienst des Sachverständigen in Anspruch zu nehmen. Sachverständige für Unfallrekonstruktionen haben qualitativ hochwertige Kameras. Es war daher dem Geschädigten nicht zuzumuten, ein Mobiltelefon, wenn er überhaupt eines bei sich trug, zu benutzen, um damit vielleicht nicht brauchbare Bilder zu schießen.

Sachverständige wissen auch, aus welchem technischen Winkel bzw. aus welcher Entfernung die notwendigen Lichtbilder für die spätere Unfallrekonstruktion gefertigt werden müssen. Sie messen auch Kratzer und Anstoßstellen aus, die später eine Aussage darüber treffen können, wie sich der Unfall abgespielt haben muss, wenn die Unfallbeteiligten später gegenteilige Sachverhalte behaupten. Dieses spezielle Fachwissen fehlt dem durchschnittlichen Unfallbeteiligten.

Fazit und Praxishinweis: Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls darf den Unfallaufnahmedienst eines Sachverständigen grundsätzlich – von den seltenen Fällen abgesehen, in denen die Haftungslage eindeutig klar und eine spätere Beweisnot ausgeschlossen ist – in Anspruch nehmen und die Kosten dafür beim Schädiger liquidieren. Dieses Urteil erhält noch mehr Bedeutung, wenn die Polizei nicht mehr zur Unfallstelle kommt, an der nur geringfügige Schäden eingetreten sind. Der Geschädigte hat aber Anspruch darauf, dass sein Schaden dokumentiert und der Höhe nach festgestellt wird.

Diese Kosten gehören zu den notwendigen Rechtsverfolgungskosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall. Sie können aber auch zu dem nach § 249 II 1 BGB auszugleichenden Herstellungsaufwand gehören, wenn die durch den Sachverständigen zu treffenden Feststellungen zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig erscheinen. Ebenso können diese Kosten zu dem mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, wenn die Feststellungen des Sachverständigen zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig sind.
Quellen
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