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Der Kläger fuhr mit seinem Ferrari mit etwa 200 km/h über die Bundesautobahn A44. Auf der Fahrbahn befand sich eine Bodenwelle, die dem Land Nordrhein-Westfalen bekannt war, weil sich dort vor einigen Monaten ein tödlicher Verkehrsunfall ereignet hatte.
Der Ferrari wurde beim Überfahren der Bodenwelle stark beschädigt. Wegen des erlittenen Schadens nahm der Eigentümer des Ferrari-Pkws das beklagte Land in Anspruch. Das für Amtshaftungsansprüche zuständige Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Klage war zu großem Teil begründet, da das LG Aachen, das örtlich zuständig war, zu einer schuldhaften Amtspflichtverletzung gelangte. Durch die Behörden wurde weder eine Geschwindigkeitsbegrenzung noch eine Warnung angebracht.

Die Bodenwelle war laut Sachverständigem besonders stark ausgeprägt, wenn auch bei Fahrzeugen mit einer normalen Bodenfreiheit von15 bis 17 cm nicht unmittelbar gefährlich.

Dem Kläger steht aus Amtshaftungsgrundsätzen aus §§ 839 BGB, Art. 34 GG,9 a, 43 StrWG NW (Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen) ein Schadenersatzanspruch in Höhe der hälftigen Selbstbeteiligung zu. Das Land Nordrhein-Westfalen hat seine dem Kläger gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt. Dadurch hat der Kläger einen Schaden erlitten, für den aber auch der Kläger als Halter wegen Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen die-selbe Verantwortung trägt.Zwar kann in Anbetracht des ausgedehnten Straßen- und Wegenetzes der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften die Gewährleistung einer gänzlich gefahrlosen Nutzung der Verkehrsflächen mit zumutbarem Auf-wand nicht erreicht werden. Vom Straßenbaulastträger ist aber zu erwarten, dass er diejenigen Gefahren ausräumt und erforderlichenfalls vor ihnen warnt, die für den Verkehrsteilnehmer, der die nötige Sorgfalt beachtet, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einrichten kann (BGH VersR 1979, 1055; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1114; OLG Köln, Urteil vom 30.4.2009 – 7 U 189/08 -).

Jedenfalls muss bei wichtigen Straßen ein Verkehrsteilnehmer auch unter Berücksichtigung der angespannten Finanzlage der Körperschaften und des Umstandes, dass ebene Fahrbahnen nicht überall zu erwarten sind, darauf vertrauen dürfen, dass jedenfalls keine ganz erheblichen Niveauunterschiede vorhanden sind (OLG Celle NJW-RR 2007, 972; OLG Jena DAR 2003, 69; OLG Dresden DAR1999, 122; OLG Naumburg NJW 1997, 432; OLG Nürnberg DAR 1996, 59). Welche Niveauunterschiede hiernach auch ohne Warnung noch hinzunehmen sind, hängt nicht allein von der absoluten Höhendifferenz ab, sondern auch von der Art der Vertiefung und den besonderen Umständen der einzelnen Örtlichkeit. Von einer Amtspflichtverletzung des beklagten Landes ist auszugehen. Die zum Unfallzeitpunkt bestehende Bodenwelle stellte seinerzeit eine erhebliche Fahrbahnunebenheit dar, nach der das Land NRWzur Beseitigung oder zur Warnung verpflichtet war. Bodenwellen gefährden Verkehrsteilnehmer ganz allgemein, vor allem aber wenn ein "Sprungschanzeneffekt” einhergeht, so dass sie insbesondere bei Kenntnis der Behörden eine strenge behördliche Pflicht begründen (OLG Schleswig VersR 1980, 1150). Dem entspricht es, dass die obergerichtliche Rechtsprechung bei maßgeblichen Bodenwellen eine Warnung der Verkehrsteilnehmer konkret durch Geschwindigkeitsbegrenzung und Warnung verlangt, insbesondere wenn diese für bestimmte Verkehrsteilnehmer eine "Falle” darstellen und die Behörde die Gefährlichkeit der Bodenwelle erkennen kann (vgl. OLG Hamm, NZV 1996, 494).

Die Bodenwelle auf der A 44 war auch beträchtlich und stellte insbesondere für bestimmte zugelassene Fahrzeuge eine erhebliche Gefahr dar. Der erfahrene Sachverständige Dr. Q hat nicht nur festgestellt, dass die Bodenwelle stark ausgeprägt war. Er hat insbesondere dargelegt, als langjährig tätiger Unfall-rekonstruktionssachverständiger auf Autobahnen eine Bodenwelle des vorliegenden Ausmaßes nicht gesehen zu haben. Gerade Fahrzeuge, die eine hohe Geschwindigkeit und eine geringe Bodenfreiheit aufweisen, sind gefährdet. Demgegenüber befreit die Unfallhäufigkeit an der Unfallstelle das beklagte Land nicht vor einer Warnung der Verkehrsteilnehmer. Zwar hat der Sachverständige ausgeführt, dass bei Fahrzeugen mit einer regulären Bodenfreiheit von 15 bis 17 cm auch bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h keine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben droht. Bei Fahrzeugen, die eine solche Bodenfreiheit aufweisen, sei zu erwarten gewesen, dass eine ausreichende Abfederung der Bodenwelle durch die Fahrzeugfederung erfolgt.

Letztlich ist die Straßenverkehrsbehörde auch Verkehrsteilnehmern von Fahrzeugen mit geringer Bodenfreiheit und hohe Geschwindigkeit zur Warnung verpflichtet. In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass die Verkehrssicherungspflicht für alle zugelassenen Fahrzeuge gilt, die auf der betroffenen Straße fahren dürfen und dort zu erwarten sind (OLG München, Urt. vom 24.5.2012 – 1 U 549/12 -). Für eine behördliche Warnpflicht, etwa durch Zeichen nach § 40 Abs. 6 StVO Zeichen 112 "Unebene Fahrbahn" kann auch die Einschätzung nach dem tödlich verlaufenden Unfall im Juni 2013 angeführt werden. Dass aber die Bodenwelle gerade für Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit und geringer Bodenfreiheit eine unmittelbare Gefahr darstellte, hat der erfahrene Sachverständige Dr. Q nachvollziehbar dargelegt. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass der Aufwand für ein solches Schild äußerst gering gewesen wären und daher hinter der Sicherung von Menschen und erheblichen Werten zurück bleibt, auch wenn es nur einzelne Verkehrsteilnehmer betroffen hätte. Ein ausufernder Schilderwald ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung als Rechtfertigungsgrund für unterlassene Warnungen von Verkehrsteilnehmern nicht anerkannt (vgl. OLG München, Urt. vom 4.4.2013 – 1 U 4266/12 -).

Allerdings sind die klägerischen Schadensersatzansprüche im 50 Prozent zu mindern, denn dem Kläger ist ein Mitverschulden anzulasten. In Rechtsprechung und Schrifttum istanerkannt, dass eine deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen regelmäßig zu einer erhöhten Betriebsgefahr führt und daher auch bei der Verschuldenshaftung der Gegenseite in Ansatz zu bringen ist. Nur wenn die erhöhte Geschwindigkeit keinen Einfluss auf den Unfall hatte, tritt sie hinter einem groben Verschulden des Haftenden völlig zurück. Selbst eine Geschwindigkeit von rund 200 km/h führt allerdings nicht zu einer Alleinhaftung desjenigen, der die Richtgeschwindigkeit überschreitet (OLG Oldenburg, Urt. vom 21.3.2012 – 3 U 69/11 -). Diese Grundsätze gelten auch bei einer Amtspflichtverletzung. So ist etwa anerkannt, dass Fahrzeughalter bei einem Zusammenstoß mit hoheitlichen Sonder-rechtsfahrzeugen, die etwa in Polizei- oder Feuerwehreinsätzen der Amtshaftung unterliegen, sich ihre Betriebsgefahr anrechnen lassen müssen (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten, 14. Auflage, A. I. 9, m. w. Nachw.). Nach Würdigung aller Umstände hält das Gericht danach eine Schadenteilung für angemessen.

Fazit und Praxishinweis: Wenn der zuständigen Behörde eine Gefahrenstelle aufgrund eines zuvor ereigneten Verkehrsunfalls bekannt ist und eine sofortige Beseitigung der Gefahrenstelle nicht möglich ist, ist die Behörde verpflichtet, entsprechende Warnzeichen, die auf die Gefahrenstelle hinweisen, aufzustellen. Bei Bodenwellen wären das die Verkehrszeichen 112 und eine Geschwindigkeitsbeschränkung. Kommt das betreffende Land dieser Amtspflicht nicht nach, haftet es grundsätzlich aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung. Allerdings muss sich der Fahrer des verunfallten Fahrzeugs ein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn ermit höherer als der Richtgeschwindigkeit fährt. Dann muss er sich die erhöhte Betriebsgefahr anrechnen lassen.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung