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Wenn das Sicherheitstraining zum Risiko wird
Die Kurse sollten mehr als technische Fahrzeugbeherrschung vermitteln / Verantwortungsbewusstsein und Rücksicht sind erlernbar

RobGal

Fahrsicherheitstrainings gelten, vor allem gleich nach der Fahrschule, als wirksame Fortbildung für junge Fahrerinnen und Fahrer. Mit derartigen Kursen will man das Unfallrisiko der 18- bis 24jährigen senken, das seit Jahren überproportional hoch ist.
Sogar im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD von 2013 ist das Sicherheitstraining als Teil einer mehrphasigen Fahrausbildung festgeschrieben. Doch wie steht es tatsächlich um die Wirkung dieser vielfältig angebotenen Kurse?

Wirksamkeit und Nutzen solcher Sicherheitskurse haben Björn Kröske, Leiter des Fachbereichs Pädagogische Psychologie an der Berliner Humboldt-Universität, und Conrad Teichert, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent für Weiterbildung am Forschungs- und Innovationszentrum Mensch, Technik, Straßenverkehr (FIZ-MTS) in Kremmen (Brandenburg), untersucht.

In ihrem Fazit stellen sie den weithin anerkannten Trainings ein überraschendes Zeugnis aus: "Insgesamt zeigt sich, dass Fahrsicherheitstrainings, in denen ausschließlich die Fahrzeugbeherrschung geschult wird, das individuelle Unfallrisiko eher zu erhöhen scheinen." Wer also nur lernt, wie man über die Piste brettert oder wie das Auto technisch durch den Verkehr gelenkt wird, lernt zu wenig. "Hingegen können Trainings", betonen die Autoren, "in denen die Grenzen der Fahrzeugbeherrschung aufgezeigt und gefahrenverhindernde Fahrverhaltensweisen" geschult werden, einen "geeigneten Ansatzpunkt" darstellen.

Wenn also, ein Beispiel unter vielen, der ADAC sein "Junge-Fahrer-Training" mit den Worten anpreist: "Mit Gleichaltrigen sind Spaß, Adrenalin und jede Menge Action inklusive", dann führt das in die Irre. Wenn das Training tatsächlich zu einer sichereren Fahrkompetenz führen soll, muss es um richtige Arbeit am Steuer gehen und um das Begreifen, dass die Grenzen der Fahrphysik weder überlistet noch überfahren werden können. Und "Action" hat im Straßenverkehr rein gar nichts zu suchen.

Im Wesentlichen gibt es zwei Formen von Sicherheitskursen: die sogenannten Schleuderkurse, in denen es hauptsächlich um die Beherrschung des Fahrzeugs in kritischen Situationen geht, und die pädagogisch-psychologischen Sicherheitsschulungen. Bei den Letztgenannten handelt es sich um "Lernangebote zur Theorie und Praxis der Fahrzeugbeherrschung, zur Gefahrenantizipation und -vermeidung, zur Gefahrenerkennung und -abwehr sowie zu anderen wissens-, einstellungs- und verhaltensförderlichen Inhalten der Verkehrssicherheitsarbeit". Richtschnur für die zahlreichen Kurse, die vom Allrad- über das Winter- bis zum Wohnwagentraining reichen, sind hierzulande die vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) herausgegebenen Richtlinien, an denen sich vor allem die Verkehrswacht und die Autoclubs orientieren.

Aber auch die Autohersteller haben verschiedene Kursangebote im Programm, in denen es allerdings mehr um "ergänzende Schwerpunkte" geht, etwa um die technischen Möglichkeiten von Fahrerassistenzsystemen oder um die Beherrschung von besonders sportlich ausgelegten Modellversionen. Zudem werden die Teilnehmer im Umgang mit dem Fahrzeug in kritischen Verkehrssituationen geschult. Die Lernziele bei den Kursen der Hersteller sollen durch ihren "Eventcharakter" unterstützt werden.

Allerdings mussten Kröske und Teichert feststellen, dass die im Training erworbenen Fähigkeiten schleichend abnehmen. Selbstüberschätzung, so vermuten sie, ist demnach ein Faktor, der mit der Zeit zu einer riskanteren Fahrweise verleitet. Denn bei manchen Kursteilnehmern stellt sich einige Zeit nach dem Training die gleiche Unfallrate wieder ein wie vor dem Kurs.

Aus ihren Forschungserkenntnissen definieren Kröske und Teichert gute Fahrsicherheitstrainings als "professionell durchgeführte Schulungsmaßnahmen, bei denen Kraftfahrzeugführer lernen, Gefahren im Straßenverkehr vorherzusehen und zu vermeiden bzw. zu erkennen und zu bewältigen". Im Mittelpunkt soll die "Förderung zu einer verantwortungsbewussten Einstellung zur Verkehrssicherheit" stehen. Die Forscher empfehlen, die Wirksamkeit von Fahrsicherheitstrainings nicht ausschließlich an der Reduzierung der Unfallzahlen zu messen, sondern auch zu berücksichtigen, dass Kompetenzen ebenso indirekt die Sicherheit beeinflussen. Verantwortungsbewusstsein und Rücksicht im Straßenverkehr sind wichtig und erlernbar.
Quellen
    • Text: Beate M. Glaser (Kb)
    • Foto: Horst Schmidt - Fotolia.com