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Seit 28 Jahren wird die Öffentlichkeit weichgeklopft
Seit 1987 mühten sich insgesamt elf Verkehrsminister für die Einführung einer Straßennutzungsgebühr

RobGal

Auch so kann man versuchen, Öffentlichkeit und Verbraucher weichzuklopfen. Bereits Jürgen Warnke (CSU), Bundesverkehrsminister zwischen 1987 und 1989 in der CDU/CSU-FDP-Regierung mit Helmut Kohl (CDU) als Bundeskanzler, dachte über Wegekosten und Straßennutzungsgebühren nach.
Sein Grundsatz war, wie die Fachzeitung "Trans aktuell" schreibt: Wer mehr fährt, soll auch mehr zahlen. Sein Nachfolger Friedrich Zimmermann (CSU, 1989 bis 1991) begleitete "engagiert" ("Trans aktuell") die DDR-Verkehrsprivatisierungen durch die Treuhand und wollte eine "DDR-Maut" einführen, was jedoch vom Bundeskanzler gestoppt wurde.

Günther Krause (CDU) war der erste Bundesverkehrsminister, der aus der DDR stammte. Er war von 1991 bis 1993 im Amt und wollte sich ebenfalls an eine Pkw- und Lkw-Maut sowie an eine teilweise Autobahnprivatisierung heranmachen, musste aber nach verschiedenen Affären vor allem im Zusammenhang mit dem Verkauf ostdeutscher Autobahnraststätten zurücktreten. Ihm folgte als Chef des Bundesverkehrsministeriums Matthias Wissmann (CDU), heute Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). In seine Amtszeit (1993 bis 1998) fällt die Einführung einer Autobahnvignette für schwere Lkw ohne Schadstofffilter, ein erster Test zur elektronischen Lkw-Erfassung für eine Autobahnbenutzungsgebühr, die 2002 eingeführt werden sollte, und die Festlegung eines "Zukunfts-Lkw" mit 18,75 Meter Länge und 40 Tonnen Gesamtgewicht. Darüber hinaus wollte Wissmann für neu errichtete Brücken, Tunnel und Gebirgspässe eine Nutzungsgebühr erheben, wozu es aber nicht mehr kam.

Nach der Wahl der ersten rot-grünen Bundesregierung unter Schröder/Fischer wird im Oktober 1998 SPD-Mann Franz Müntefering zum Bundesverkehrsminister ernannt (bis 1999). Er ebnete den Weg zur Einführung der bereits unter Wissmann geplanten entfernungsabhängigen Straßennutzungsgebühr für Lkw. Diese Maut sollte den Zweck haben, die "Lkw-Flut" (Müntefering) einzudämmen und den Transport auf der Straße zugunsten der Schiene zu verteuern. Auf Müntefering folgt sein Parteifreund Reinhard Klimmt, der wie sein Vorgänger nur ein Jahr im Amt war (1999 bis 2000). Er nimmt sich ein "wirksames" Anti-Stau-Programm für Autobahnen vor, die Güterverlagerung auf Bahn und Schiff sowie den kombinierten Verkehr. Er plant außerdem höhere Straßennutzungsgebühren und schärfere Bußgelder für Temposünder. Nach einer Fußball- Finanzaffäre – Klimmt war Präsident des 1. FC Saarbrücken – muss er das Amt an Kurt Bodewig (ebenfalls SPD) abgeben. Der setzt zwischen 2000 und 2002 den Umstieg von der Lkw-Vignette auf die elektronische Maut für Lkw ab zwölf Tonnen um.

Das Desaster um die verzögerte Mauteinführung ist mit dem SPD-Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (2002 bis 2005) verknüpft. Technische Probleme verzögerten nicht nur den geplanten Start zum 31. August 2003, sondern auch die nachfolgenden Termine. Eine bittere Blamage für den Minister wie für das Betreiberkonsortium Toll Collect, an dem unter anderem Daimler und die Telekom beteiligt sind. Stolpe kündigte den Vertrag, weil Toll Collect die Terminvereinbarungen wiederholt nicht einhielt. Es folgten Rücktrittsforderungen, Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mischte sich ein, ein Bundestagsuntersuchungsausschuss drohte – bis die Kündigung wieder rückgängig gemacht wurde und die Lkw-Maut mit 16 Monaten Verspätung an den Start gehen konnte. Stolpe strengte ein Schiedsverfahren gegen Toll Collect an, das bis heute andauert, weil Toll Collect nicht an den Staat zahlen will. Es geht um ausgefallene Mauteinnahmen plus Vertragsstrafen in Milliardenhöhe.

Erfolglose Privatisierungsversuche

Nach der Bundestagswahl 2005 wird die große Koalition mit Angela Merkel (CDU) als Bundeskanzlerin gebildet. Wolfgang Tiefensee (SPD) übernimmt bis 2009 das Verkehrsressort, heute ist er Wirtschaftsminister im rot-rot-grün regierten Thüringen. Er erwies sich als Befürworter von Privatisierungen, wollte die Bahn an die Börse führen, agierte jedoch erfolglos. Auch für seinen Vorschlag, ein Tempolimit auf den deutschen Autobahnen einzuführen, bekam er keine Mehrheit – bis dahin war er strikt gegen eine solche Geschwindigkeitsbegrenzung.

Im Oktober 2009 – Angela Merkel regiert nach der Bundestagswahl mit einer CDU/CSU-FDP- Mehrheit – wird Peter Ramsauer von der CSU Verkehrsminister (bis Dezember 2013). Er setzt die Reform des Flensburger Punktekatalogs durch, stößt den Großversuch mit den umstrittenen Lang-Lkw an und arbeitet an der Einführung der Pkw-Maut für Ausländer, obwohl Angela Merkel sich öffentlich immer wieder gegen eine Pkw-Maut ausgesprochen hatte.

Nach der Bundestagswahl im Dezember 2013 wird eine große Koalition mit Merkel/Gabriel gebildet. Bundesverkehrsminister ist seitdem Alexander Dobrindt (CSU). Nach seinen Vorschlägen wird die Lkw-Maut auf zahlreiche vierspurige Bundesstraßen sowie auf Lkw ab 7,5 Tonnen ausgeweitet. Ab Mitte 2018 sollen alle Bundesstraßen für Lkw mautpflichtig sein. Dobrindt will die Pkw-Maut für Ausländer gegen erhebliche Widerstände auch in der CDU einführen und wird wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes von der EU vorläufig gestoppt.

Kann nach 28 Jahren und elf Bundesverkehrsministern die Pkw-Maut überhaupt noch kommen? Beim "ARD-Deutschlandtrend" im März dieses Jahres sprach sich eine Mehrheit von 52 Prozent der Befragten gegen die Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer aus und nur 43 Prozent dafür.
Quellen
    • Text: Beate M. Glaser/Kristian Glaser (Kb)
    • Foto: fotohansel - Fotolia.com