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Die Klägerinnen sind die gesetzliche Kranken- bzw. Pflegeversicherung der Frau C., die am 9.5.2013 mit ihrem Fahrrad auf einer 3 Meter breiten Straße verunglückte. Die Klägerinnen hatten für die Verunglückte Kranken- und Pflegeleistungen erbracht.
Zum Unfallzeitpunkt war Frau C. 75 Jahre alt. Sie befuhr mit ihrem Rad in H. den 3 Meter breiten T-Wegin Richtung G.Aus entgegengesetzter Richtung näherte sich die beklagte Fahrerin eines Mercedes-Benz-Personenwagens, der bei der ebenfalls beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung haftpflichtversichert war.

Der Pkw weist eine Breite von etwa 1,70 Metern auf. Der Z-Weg ist unstreitig 3 Meter breit. Als Rad und Pkw noch einige Meter entfernt waren, stürzte die Radfahrerin, nachdem sie vorher ins Straucheln kam. Sie schlug mit dem Kopf auf dem Asphalt auf und erlitt schwere Kopfverletzungen. Es trat eine Subaranoidalblutung auf, wodurch sie ins Koma fiel. Sie wurde in eine Klinik in den Niederlanden in U. gebracht. Es schlossen sich weitere Krankenhausaufenthalte, auch in H. in der Bundesrepublik, an. Anschließen lebte sie in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung in H., wo sie am 21.9.2014 verstarb. Die klagende Krankenkasse wendete Behandlungskosten von insgesamt 40.281,56 € und die klagende Pflegeversicherung Pflegeleistungen von insgesamt 21.240,38 € auf. Die Kfz-Versicherung zahlte ein Viertel der geltend gemachten Kosten an die Klägerinnen. Mit der Klage vor dem örtlich zuständigen Landgericht beanspruchten die Klägerinnen den Ersatz der weiteren Beträge. Das LG Münster hat mit Urteil vom 18.12.2015 – 15 O 90/15 – die Klage abgewiesen. Die Berufung blieb erfolglos.

Die Berufungen der klagenden Kranken- bzw. Pflegekassen sind unbegründet. Die angefochtene Entscheidung des LG Münster beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die vorgetragenen Tatsachen eine andere Entscheidung.Wie das Landgericht Münster zutreffend ausführt, setzt das haftungsbegründende Tatbestandsmerkmal "beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges" grundsätzlich voraus, dass sich in dem jeweiligen Unfallgeschehen eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr realisiert hat und das Schadensereignis dadurch insgesamt mitgeprägt wurde (BGH Urt. v. 26.4.2005 – VI ZR 168/04 - = BGH ZfS 2005, 487). Dabei muss die Unfallursache im Betrieb des Kraftfahrzeuges begründet sein. Bei einem Unfallgeschehen ohne tatsächliche Berührung der Verkehrsteilnehmer setzt die Rechtsprechung des BGH voraus, dass das Fahrzeug durch seine Fahrweise zur Entstehung des Unfalls beigetragen hat. Die bloße Anwesenheit eines in Betrieb befindlichen Kraftfahrzeuges an der Unfallstelle reicht nicht aus (BGH Urt. v. 4.5.1976 – VI ZR 193/74 -).

Beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges geschieht ein Unfall auch dann, wenn er durch ein Verhalten des Verletzten oder eines Dritten ausgelöst wurde, dieses Verhalten aber seinerseits in zurechenbarer Weise durch das Kraftfahrzeug mitverursacht wurde. Eine solche weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals entspricht dem weiten Schutzzweck des § 7 I StVG (vgl. BGH Urt. v. 19.4.1988 – VI ZR 96/87 -). Somit genügt es für die Annahme des Merkmals "beim Betrieb" grundsätzlich auch, wenn der Unfall infolge einer Abwehr- oder Ausweichreaktion der verunfallten Person ereignet (vgl. OLG Celle Urt. v. 7.6.2001 – 14 U 210/00 -; BGH NJW 2010, 3713; BGH SVR 210, 466).

Zutreffend hat das LG Münster darauf abgestellt, dass die Beweislast für die Auswirkung der Betriebsgefahr bei dem Unfallgeschehen die Klägerinnen trifft. Dabei ist den Klägerinnen durchaus zuzugeben, dass bei einer festgestellten Fahrbahnbreite von 3 Metern und einer Breite des Mercedes-Pkw von 1,70 m die verbleibenden 1,30 Meter einem Radfahrer durchaus hätte Anlass geben können, auf den Seitenstreifen auszuweichen. Ein solches lässt sich allerdings nicht feststellen. Ebenso ist eine unangepasste Geschwindigkeit des Mercedes-Pkw nicht feststellbar. Da auch die Endlage des Fahrrades nicht genau feststellbar war, bleiben die Unsicherheiten bei den Klägerinnen. Den Klägerinnen kommt auch keine Beweiserleichterung zugute. Die bloße Anwesenheit des Kraftfahrzeuges auf dem T-Weg genügt jedoch nicht, um eine Haftung der Beklagten zu begründen.

Fazit und Praxishinweis: Bei einem Fahrradunfall obliegt es dem geschädigten Radfahrer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass sein Sturz auf einer 3 Meter breiten Straße durch ein sich im Gegenverkehr näherndes Kraftfahrzeug, das etwa 1,70 m breit ist, mitbeeinflusst worden ist und daher nicht ein zufälliges Unfallereignis ist. Für die Annahme einer Haftung bei einem berührungslosen Unfall sind enge Grenzen gezogen (sieheBGH VersR 2010, 1614; BGH ZfS 2005, 487).
Quellen
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