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Bei knapp 1.400,-- € Reparaturkosten liegt kein Bagatellschaden vor
Amtsgericht Kiel Urteil vom 9.6.2016 – 115 C 512/15 –

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Am 28.4.2014 hatte der spätere Kläger seinen VW-Bus T3 in Kiel ordnungsgemäß am Fahrbahnrand geparkt. Die Fahrerin des bei der HUK-COBURG haftpflichtversicherten Fahrzeugs fuhr zu dicht an dem geparkten Fahrzeug vorbei, so dass sie das geparkte Fahrzeug touchierte.
Der damals in Düsseldorf wohnhaft gewesene Kläger beauftragte einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen in Düsseldorf. Dieser bezifferte die voraussichtlichen Reparaturkosten auf 1.393,55 €. Die Sachverständigenkosten beliefen sich auf insgesamt 595,33 € brutto. Darin war ein Grundhonorar von 358,-- € netto und Nebenkosten von 142,19 € netto enthalten. Die einstandspflichtige HUK-COBURG zahlte auf die Sachverständigenkosten lediglich 423,-- €. Der Restbetrag war Gegenstand des Rechtsstreites vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Kiel. Im Prozess wurde seitens des beklagten Versicherungsnehmers der HUK-COBURG eingewandt, ein Gutachten sei nicht erforderlich gewesen, weil ein Bagatellschaden vorgelegen habe. Die Klage hatte Erfolg.


Der Kläger kann vom Halter des unfallverursachenden Fahrzeugs den von der HUK-COBURG nicht regulierten Restbetrag von 172,33 € als Schadensersatz verlangen. Grundsätzlich kann ein Unfallgeschädigter einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (vgl. BGH NJW 2014, 1947 Rn 7 m.w.N.; BGH, Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 471/12 - Rn. 26; BGH DS 2007, 144 Rn. 13). Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde.

Der Kläger kann damit als Geschädigter diejenigen Kosten ersetzt verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Das sind die hier vom Sachverständigen berechneten und vom Kläger beglichenen Kosten in Höhe von insgesamt 595,33 €. Es handelt sich auch nicht um einen Bagatellschaden . Somittragen auch die Ausführungen des Beklagten zum Bagatellschadeneinwand und der damit verbundenen Erforderlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens bereits im Hinblick auf die Schadenhöhe – welche in dem Gutachten mit 1.393,55 € netto angegeben worden sind – nicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, nicht nur darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht. Denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt. Allerdings kann der später ermittelte Schadensumfang im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung nach § 287 ZPO oft ein Gesichtspunkt der Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzungen – wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs – ausgereicht hätten Dabei liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits ein Betrag in Höhe von ca. 750,-- € in einem Bereich, in dem die Bagatellschadengrenze anzusiedeln ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.11.2004 – VI ZR 365/03 - = VersR 2005, 380 m. w. N.). Es lag somit kein Bagatellschaden vor.

Fazit und Praxishinweis: Nach der Rechtsprechung des BGH liegt der Grenzbereich zum Bagatellschaden bei etwa 715,-- €. Selbst wenn man aufgrund der Inflation nunmehr einen Betrag von 750,-- € annimmt, liegt bei einem kalkulierten Schaden von knapp 1.400,-- € kein Bagatellschaden vor. Nachdem der BGH revisionsrechtlich die Bagatellschadensgrenze von umgerechnet 715,81 € nicht beanstandet hat, gilt nach wie vor diese fließende Grenze. Der Betrag darf keineswegs starr gesehen werden. Auf jeden Fall lag der vom Gutachter ermittelte Betrag deutlich über dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Betrag. Dem Geschädigten konnte daher bei der Beauftragung des Kfz-Sachverständigen kein Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungspflicht gemäß § 254 II BGB vorgeworfen werden. Im Übrigen beachte auch die Ausführungen zum Bagatellschaden im FAQ in dieser Unfallzeitung sowie auch die Entscheidungen der Amtsgerichte Halle (Saale) vom 7.6.2016 – 95 C 4070/15 – und Hamburg vom 30.3.2016 – 33a C 336/15 -, über die die Unfallzeitung am 20. und 24. 6.2016 berichtete.
Quellen
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