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Bundessozialgericht entscheiden über Unfall abseits des Weges zur Arbeitsstätte
Bundessozialgericht – 2. Senat – Urteil vom 20.12.2016 – B 2 U 16/15 R –

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Ein Lagerist aus Frankfurt am Main wurde an einem neuen Arbeitsplatz in Ginsheim-Gustavsburg im Kreis Groß-Gerau eingesetzt. Am 7.1.2011 bog er aus unerklärlichen Gründen von der Autobahnabfahrt in die falsche Richtung auf eine vierspurige Bundesstraße ab.
Nach wenigen Minuten und 2,5 Kilometern Fahrtzeit, vorher war ein Wenden nicht möglich, vollzog er ein Wendemanöver. Dabei kollidierte er mit einem anderen Fahrzeug. Bei dem Unfall wurde der Lagerist schwer verletzt. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma und kann sich an den Unfall gar nicht mehr erinnern. Er stellte bei der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik einen Antrag auf Anerkennung des Unfalls als Wegeunfall. Die Berufsgenossenschaft lehnte ab. Nach dem Sozialgericht Frankfurt am Main entschied das Landessozialgericht Hessen dem Antrag des Klägers entsprechend. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des LSG Hessen – L 3 U 118/13 - hatte Erfolg.

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht entschieden, dass der Kläger einen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Wegeunfall erlitten hat, weil er sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem nach dem Wortlaut des § 8 II Nr. 1 SGB VII ausschließlich versicherten unmittelbaren Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstelle befunden hat. Der Kläger befand sich auf einem Abweg. Nur der "unmittelbare Weg", wie es im Gesetz heißt, ist nach dem Gesetz versichert. Verfährt sich ein Arbeitnehmer auf dem Arbeitsweg, besteht ausnahmsweise nur dann Versicherungsschutz, wenn äußere Gründe dafür verantwortlich sind. Das kann eine falsche Beschilderung oder eine Sichtbehinderung wegen Nebels sein. Geht das falsche Abbiegen dagegen auf in der Person liegende Gründe, wie Unaufmerksamkeit, Telefonieren oder auch angeregte Unterhaltungen zurück, entfällt der Versicherungsschutz und der Unfall ist nicht mehr als Wegeunfall unfallversichert.

Den grundsätzlich versicherten Weg zur Arbeit hat der Kläger verlassen, indem er irrtümlich auf die Bundesstraße in die falsche Richtung einbog. Als er den Fehler bemerkte und das Wendemanöver einleitete, hatte er den direkten Weg zur Arbeitsstelle noch nicht erreicht, so dass der Unfall an einer Stelle sich ereignete, die nicht auf dem direkten Weg zur Arbeit lag. Dass der Kläger nur geringfügig, das heißt etwa 2,5 Kilometer vom direkten Weg abgekommen ist, ist unerheblich. "Unmittelbar" im Sinne des Gesetzes bedeutet nämlich nur den direkten Weg. Der Senat hält daher an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Nach den bindenden Feststellungen des Landessozialgerichtes in Hessen ist nicht mehr aufklärbar, aus welchen Gründen der Kläger irrtümlich in die falsche Richtung abgebogen ist. Die Nichterweislichkeit der für den eingeschlagenen Abweg maßgeblichen Gründe geht nach den Regeln der objektiven Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers. Hier hat der Lagerist keine äußeren Umstände darlegen können, warum er den falschen Weg eingeschlagen hat. Daher kann der Unfall auch nicht als Wegeunfall anerkannt werden.

Fazit und Praxishinweis: Mit diesem Urteil ist das Bundessozialgericht seiner Rechtsprechung zum Wegeunfall treu geblieben. Da der Kläger beweisbelastet ist für die Gründe, die zum Abweg geführt haben, er sich jedoch nach dem schweren Unfall nicht mehr erinnern kann, geht diese Tatsache zu seinen Lasten. Wer falsch von seinem Weg zur Arbeit abkommt, steht im Regelfall nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn nach dem Gesetz ist grundsätzlich nur der "unmittelbare Weg" versichert, also der direkte Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Versicherungsschutz ist bei Abwegen ausnahmsweise nur dann gegeben, wenn äußere Gründe für das Verfahren verantwortlich sind, beispielsweise eine schlechte Beschilderung oder eine Sichtbehinderung wegen Nebels oder schlechter Beleuchtung.
Quellen
    • Foto: Blackosaka - Fotolia.com