Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

In Hannover erlitt der Geschädigte einen unverschuldeten Verkehrsunfall, den der bei der VHV-Versicherung versicherte Kraftfahrer verursacht hatte. Der Geschädigte beauftragte einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Gleichzeitig schloss er mit dem Sachverständigen eine Honorar- sowie eine Abtretungsvereinbarung.
Nach Erstellung des Schadensgutachtens sandte er dieses und die Rechnung des Sachverständigen an die VHV-Versicherung. Diese kürzte die berechneten Sachverständigenkosten um 142,93 €. Der Sachverständige trat dann seine abgetretene Forderung an die Verrechnungsstelle weiter ab. Diese klagte aus abgetretenem Recht den gekürzten Betrag zunächst bei dem Amtsgericht Hannover ein. Das AG Hannover wies mit Urteil vom 30.10.2015 – 524 C 5196/15 – die Klage ab. Die dagegen gerichtete Berufung hatte in vollem Umfang Erfolg.

Die Berufung hat Erfolg. Die Klägerin hat gegen die beklagte Kfz-Versicherung einen über den vorgerichtlich gezahlten Betrag hinausgehenden Anspruch auf Erstattung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 142,93 € aus den §§ 7, 17 StVG, 398, 249 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (vgl. BGH VersR 2013, 1544; BGH VersR2013, 1590; BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90). Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (vgl. BGHZ 125, 56).

Der Geschädigte ist daher nach Maßgabe des auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedankens des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensgeringhaltungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (ständ. Rechtsprechung: Vgl..BGHZ 115, 364; BGH NJW 1994, 999; BGH NJW 2000, 800). Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt auf der anderen Seite vom Geschädigten jedoch nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (vgl. BGHZ 115, 364; BGHZ 154, 395). Denn inletzteremFall wirdder Geschädigtenicht selten Verzichte übenoder Anstrengungen machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligationsmäßig darstellen und die dieser daher vom Geschädigten nicht verlangen kann. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (st. Rspr., BGHZ 115, 364; BGHZ 115, 375; BGH NJW-RR 2008, 689; NJW 2009, 1265; BGH NJW 2009, 1663; BGH NJW 2010, 1445; BGH NJW 2010, 2569).

Vor diesem Hintergrund darf sich der Geschädigte bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Ihm ist grundsätzlich nicht zuzumuten, eine Art Markterforschung zu betreiben und in jedem Fall mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen. Solange für ihn als Laien nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen verlangen (so auch: OLG Nürnberg VRS 103, 321; OLG Naumburg NJW-RR 2006, 1029; OLG Düsseldorf NJW-Spezial 2008, 458). Dabei kann grundsätzlich auch ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erstattet verlangt werden (vgl. BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann). Gleiches gilt für die Nebenkosten (vgl.BGH NJW-RR 2007, 56). Dementsprechend war die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern.

Die gesamte, noch streitgegenständliche Honorarforderung ist bei der gebotenen subjektiven Schadensbetrachtung unter Berücksichtigung der Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten als erforderlicher Aufwand anzuerkennen. Den Geschädigten trifft hinsichtlich der Höhe der Sachverständigenkosten weder ein Auswahlverschulden noch besteht eine evidente Kostenüberhöhung, die eine Beanstandungspflicht ausgelöst hätte. Dass der Geschädigte von vornherein hätte erkennen können, dass der Sachverständige nach der Behauptung der Beklagten überhöhte Nebenkosten ansetzen würde, ist zur Überzeugung der Kammer nicht ersichtlich.

Fazit und Praxishinweis: Mit zutreffenden Gründen hat die Berufungskammer des LG Hannover das erstinstanzliche, unzutreffende Urteil des AG Hannover korrigiert. Mit klaren Entscheidungsgründen hat die Berufungskammer die höchstrichterliche Rechtsprechung umgesetzt und die berechneten Sachverständigenkosten sowohl hinsichtlich des Grundhonorars als auch hinsichtlich der Nebenkosten als erforderlichen Herstellungsaufwand angesehen. Da das Gericht auch kein Auswahlverschulden erkennen konnte, war dem Geschädigten auch keine Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht vorzuwerfen. Ebenso klar hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Geschädigte, und nur auf diesen kommt es an, eine evidente Überhöhung der Sachverständigenkosten nicht erkennen konnte. Dass der Geschädigte eine solche hätte erkennen können, hat die beklagte Kfz-Versicherung noch nicht einmal dargelegt, obwohl sie die Darlegungs- und Beweislast trägt.
Quellen
    • Foto: Kamaga - Fotolia.com