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Der Pkw des Geschädigten wurde durch ein bei der Allianz haftpflichtversichertes Kraftfahrzeug beschädigt. Die Schuld am Zustandekommen des Unfalls trägt der bei der Allianz versicherte Fahrer.
Nach dem Unfall beauftragte der Geschädigte einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Für das Gutachten berechnete der Sachverständige insgesamt 898,46 €, worauf die Allianz Versicherung als eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung nur 660,45 € ersetzte. Der Differenzbetrag von 238,01 € ist Gegenstand des Rechtsstreites. Das zunächst zuständige Amtsgericht Bremerhaven verurteilte mit Urteil vom 7.7.2015 – 51 C 1291/14 -zur Zahlung weiterer 119,01 €. Es ließ allerdings die Berufung zu.

Der klagende Geschädigte legte gegen das Urteil Berufung ein. Die Beklagte Allianz Versicherung legte daraufhin Anschlussberufung ein. Die Anschlussberufung war erfolglos, während die Berufung zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zahlung der vollen Sachverständigenkosten führte.

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet, die Anschlussberufung der Beklagten ist zwar ebenfalls zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte nach Grund und Höhe ein auf Erstattung der streitgegenständlichen Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 238,01 € gerichteter Schadensersatzanspruch gemäß §§ 115 I 1 Nr. 1 VVG, 7 StVG, 249 BGB zu.Die geltend gemachte Forderung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Beklagte schuldet dem Kläger gesamten Sachverständigenkosten,weil dieGesamtkosten in Höhe von 898,46 € als zur Schadensbeseitigung erforderlich im Sinne von § 249 II BGB anzusehen sind. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Kosten eines Sachverständigengutachtens als Teil des zu ersetzenden Schadens zu erstatten sind, soweit diese aus Sicht eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung erforderlich waren (vgl. Palandt, BGB, 75, Auflage 2016, § 249, Rn. 58).

Hinsichtlich der Frage, was als erforderlich zu gelten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, das heißt, Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten und seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen. Danach darf ein Geschädigter sich bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen damit begnügen, den in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen und muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (vgl. BGH NJW 2014, 1947). Eine Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten kann nach der oben genannten Entscheidung des OLG München im Ergebnis nur dann verneint werden, wenn selbst für einen Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, das heißt Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen.

Ein Sachverständigenhonorar ist selbst dann noch als angemessen anzusehen, wenn es im oberen Bereich des Erwartbaren angesiedelt ist. Hierbei kommt es entscheidend auf den Gesamtbetrag der Honorarrechnung an. Es kann nicht der Sachverständige benachteiligt werden, der ein niedrigeres Grundhonorar, dafür aber höhere Nebenkosten verlangt oder umgekehrt, wenn das Gesamthonorar andere Gesamthonorare von Sachverständigen in vergleichbaren Fällen nicht übersteigt. Eine Kürzung einzelner Abrechnungspositionen kommt faktisch nur dann in Betracht, wenn die Abrechnung des Sachverständigen in sich so evident fehlerhaft ist, dass dies auch ein Laie erkennen kann. Demnach kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die Rechnung des Sachverständigen insgesamt oder auch nur im Hinblick auf einzelne Nebenposition möglicherweise leicht überhöht ist, solange der Geschädigte dies nicht hätte erkennen können oder müssen. Hierzu ist nichts vorgetragen und im Übrigen auch nichts ersichtlich. Da es auch nicht um die Begutachtung eines bloßen Bagatellschadens ging, hat die Beklagte dem Kläger die Sachverständigenkosten in voller Höhe zu ersetzen. Damit ist die Beklagte aber auch nicht rechtlos gestellt. Vielmehr ist anerkannt, dass sie sich grundsätzlich etwaige Rückerstattungsansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen wegen überhöhter Vergütung abtreten lassen und anschließend selbst gegenüber dem Sachverständigen geltend machen kann.

Fazit und Praxishinweis: Zu Recht hat die erkennende Berufungskammer des Landgerichts Bremen bei der Gesamtschau der Sachverständigenkosten auf den Gesamtbetrag der Rechnung abgestellt. Eine Einzelpostenüberprüfung kann nur dann in Betracht kommen, wenn eklatante Berechnungsfehler vorliegen. Zu Recht hat das Landgericht, anders als das Amtsgericht, darauf abgestellt, dass grundsätzlich die Sachverständigenkosten bei voller Haftung in voller Höhe zu ersetzen sind. Wenn die Kosten nach Ansicht der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung in einzelnen Posten überhöht sein sollte, ist sie bei voller Erstattungspflicht gleichwohl nicht rechtlos, weil sie sich den Erstattungsanspruch des Geschädigten gegen den Sachverständigen abtreten lassen kann (vgl. hierzu Imhof / Wortmann DS 2011, 149 ff.).
Quellen
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