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LG Hildesheim zu Unfall beim Einstieg in einen Eisenbahnreisewagen
LG Hildesheim Urteil vom 7.12.2016 – 5 O 97/16 –

RFWW

Die spätere Klägerin wollte mit der Eisenbahn fahren. Sie begab sich daher auf den Bahnsteig des Bahnhofs Hildesheim.
Als der Reisezug der Nord-West-Bahn einfuhr und sich die Türen des Reisezuges öffneten, trat sie ins Leere, weil sich ihrer Auffassung nach der Boden des Reisezugwagens erheblich unterhalb der Bahnsteigkante befand. Sie stürzte und verletzte sich schwer. Mit einem Rettungswagen wurde sie in eine Hildesheimer Klinik gebracht, in der eine Operation der Halswirbelsäule vorgenommen wurde. Sie verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Nachdem vorgerichtlich keinerlei Schadensersatz und Schmerzensgeld geleistet wurde, klagte die Reisende vor dem örtlich zuständigen Landgericht Hildesheim. Im Verlaufe des Rechtsstreites nahm der Vorsitzende der 5. Zivilkammer den Bahnsteig selbst in Augenschein und stellte fest, dass tatsächlich ein Höhenunterschied von 15 bis 20 Zentimeter besteht. Die Klage hatte aber gleichwohl keinen Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch gegen das beklagte Eisenbahnunternehmen aus der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Zwar behauptet die Klägerin, dass sich der Boden des Eisenbahnwagens – ohne darauf kenntlich zu machen -weit unterhalb der Bahnsteigkante befunden habe und auch die angebrachten Haltegriffe würden keine Hilfe darstellen, da diese im gleichen Farbton gehalten sind wie das übrige Wageninnere. Eine besondere farbliche Hervorhebung bestehe nicht. Demgegenüber wendet die beklagte Eisenbahngesellschaft ein, dass der Höhenunterschied von 18 Zentimetern technisch unvermeidbar sei und auch bei anderen Verkehrsunternehmen gegeben sei. Auch bei Wagen anderer Verkehrsunternehmen sei der Höhenunterschied vorhanden. Daher werde auf den Höhenunterschied mit Warnschildern an den Türen hingewiesen.

Das erkennende Gericht hat durch den Vorsitzenden der Zivilkammer durch Inaugenscheinnahme selbst festgestellt, dass der Höhenunterschied zwischen Bahnsteigkante und Wagenboden zwischen 15 und 20 Zentimetern liegt. Das ist jedoch nach Ansicht der Kammer ein Höhenunterschied, der keine weitere Pflicht zur Vorsorge gegen Schadensfälle Anlass gibt. Verkehrssicherungspflichten beschränken sich auf solche Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen zumutbar sind und die ein normal vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schaden zu bewahren. Eine Pflicht zur Vorsorge gegen alle denkbaren Schadensfälle fordert das Gesetz hingegen nicht. So ist es hier. Jeder Fahrgast muss beim Einsteigen in einen Eisenbahnzug darauf achten, dass er nicht Schaden nimmt.

Fazit und Praxishinweis: Auch in diesem Fall handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Sicherlich ist ein derartiger Höhenunterschied von ca. 18 Zentimetern grundsätzlich eine Stolperfalle. Man bedenke auch, dass Rollstuhlfahrer ohne Hilfe diese Stufe nicht überbrücken können. Da der Höhenunterschied aber offenbar technisch bedingt ist, weil der Bahnsteig baulich noch nicht an die moderneren Züge mit niedrigeren Einstiegen umgebaut ist, reichen offenbar die angebrachten Warnhinweise aus. Ob das immer der Fall ist, ist einzeln zu prüfen. Auf Groß0stadtbahnhöfen mit viel hektischem Betrieb dürfte das zu verneinen sein.
Quellen
    • Foto: pure-life-pictures - Fotolia.com