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Am 9.1.2015 gegen 6.30 Uhr ereignete sich im Gebiet der Gemeinde A im Landgerichtsbezirk Traunstein ein Verkehrsunfall. Das Fahrzeug der späteren Klägerin näherte sich einer Kreuzung, an der es nach links gesteuert werden sollte.
Auf der mit Verkehrszeichen 205 ausgeschilderten Vorfahrtstraße näherte sich aus der Sicht der Zeugin, die das klägerische Fahrzeug steuerte, von links ein Linienbus, der bei der beklagten Versicherung haftpflichtversichert ist. An einer Bushaltestelle vor der Kreuzung hielt der Linienbus an, um dort Personen aufzunehmen. Nach Angaben der Klägerin war der rechte Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet. Deshalb wollte sie vor dem Bus abbiegen.Als der Bus anfahren wollte, fuhr auch die Zeugin mit dem klägerischen Fahrzeug los. Es kam zum Zusammenstoß der beiden Kraftfahrzeuge.

Der Pkw der Klägerin erlitt Totalschaden und musste abgeschleppt werden, weil er nicht mehr fahrbereit war. Die Klägerin holte ein Gutachten der DEKRA ein. Danach belief sich der Wiederbeschaffungsaufwand auf 5.550,-- €. Der Restwert betrug laut Gutachten 1.350,-- €. Zu diesem Preis veräußerte die Klägerin das Fahrzeug und schaffte sich ein Ersatzfahrzeug an. Die Gutachterkosten betrugen 729,33 €, die Abschleppkosten 273,70 € die Kosten der Ummeldung insgesamt 58,30 € und die Kosten für die neuen Zulassungsschilder 15,-- €. Die Klägerin beanspruchte darüber hinaus eine Nutzungsentschädigung für 35 Tage von insgesamt 805,-- € und eine Unkostenpauschale von 25,-- €. Der Gesamtschaden belief sich somit auf 7.456,33 €. Der Linienbus war mit einer Kamera ausgerüstet, die Aufzeichnungen des Verkehrsgeschehens anfertigte.Die Parteien streiten sich um die mögliche Vorfahrtsverletzung durch die Klägerin. Das erkennende Landgericht Traunstein hat Beweis erhoben durch Zeugenanhörungen, und Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie in Augenscheinnahme der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Traunstein.

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht aus keinem rechtlichen Grunde ein Schadensersatzanspruch zu. Vielmehr hat die Fahrerin des Fahrzeugs der Klägerin eine Vorfahrtsverletzung begangen. Nach § 8 II 2 StVO durfte die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs nur dann einbiegen, wenn der vorfahrtsberechtigte Verkehr weder behindert noch gefährdet wird. Im vorliegenden Fall ergibt sich aufgrund der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen und der Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnung der Dashcam im Bus, dass ein irreführendes Fahrtrichtungssignal am Bus nicht gegeben war. Dass der Omnibus nach rechts abbiegen würde, steht in der Beweislast der Klägerin. Diesen Beweis konnte sie nicht führen. Insbesondere konnte das erkennende Gericht die Videoaufnahmen beweismäßig verwerten. DieZulässigkeit von sogenannten Dshcam-Aufzeichnungen wird in der Rechtsprechung und Literatur kritisch und nicht einheitlich gesehen. Soweit ersichtlich, geht die derzeit überwiegende Rechtsprechung, z.B. das LG Heilbronn in NJW-RR 2015, 1019 von einer Unverwertbarkeit derartiger Aufnahmen aus. Als Begründung wird die Einschränkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 I GG in Verbindung mit Art. 1 I GG angeführt.

Im vorliegenden Fall schlägt eine Abwägung der Rechtspositionen zugunsten des Aufzeichnenden aus. Durch die technische Gestaltung der anlassbezogenen Aufnahmen ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts gewährleistet, dass der Eingriff in die Grundrechte recht mild ausfällt. Durch die Videoaufnahmen konnte festgestellt werden, dass ein Vorfahrtsverstoß vorlag. Diesem Vorfahrtsverstoß steht allenfalls die Betriebsgefahr des Omnibusses gegenüber. Bei einem derart schwerwiegenden Verkehrsverstoß, wie im vorliegenden Fall die Vorfahrtsverletzung, ist es gerechtfertigt, die Betriebsgefahr gänzlich zurücktreten zu lassen (vgl. BGH NZV 2007, 451). Im Ergebnis war somit eine überwiegende Verursachung des Unfalls durch die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs anzunehmen und die Klage daher abzuweisen.

Fazit und Praxishinweis: Kameraaufnahmen einer Dashcam sind beweisrechtlich verwertbar, wenn durch die technische Gestaltung – dauerhafte Speicherung von nur 30 Sekunden anlassbezogen und regelmäßiges schnelles Überspielen der sonstigen Aufnahmen – gewährleistet ist, dass der Eingriff in die Grundrechte des Aufgezeichneten nicht gravierend ist und möglichst mild ausfällt. Es kommt aber immer auf den Einzelfall an.
Quellen
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