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OLG Düsseldorf zur Haftung bei Unfall im Kreisverkehr
OLG Düsseldorf Berufungsurteil vom 15.9.2016 – I-1 U 195/14 –

RFWW

Der spätere Kläger und der bei der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung versicherte Kraftfahrer fuhren gleichzeitig an verschiedenen Einfahrstraßen in einen Kreisverkehr ein. Der beklagte Kraftfahrer fuhr mit unangemessener Geschwindigkeit mit etwa 45 bis 48 km/h in den Kreisverkehr ein und verringerte seine Fahrgeschwindigkeit nicht.
Erbenutzte sogar den gesperrten Mittelinselbereich. Es kam zum Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Klägers, der mit etwa 12 km/h in den Kreisverkehr einfuhr. Der Kläger erlitt an seinem Fahrzeug Reparaturkosten von 5.437,22 €. Die Sachverständigenkosten betrugen 762,91 €, die Nutzungsausfallentschädigung 1.180,-- €, die merkantile Wertminderung 150,-- und die Kostenpauschale 25,-- €. Der ersatzfähige Gesamtbetrag beläuft sich daher auf 7.555,13 €.Der Kläger hat diesen Betrag eingeklagt.

Das örtlich zuständige Landgericht Duisburg hat nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 4.12.2014 – 11 O 75/13 - der Klage zur Hälfte stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung des Klägers. Nur die Anschlussberufung hatte Erfolg. Der Berufung der Beklagten blieb der Erfolg versagt.

Die zulässige Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Dagegen muss das Anschlussrechtsmittel des Klägers zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung führen.

1. Zu der Berufung der Beklagten:

Die Beklagten haften dem Grunde nach gemäß der §§ 7, 17, 18 StVG, 115 I VVG. Den beklagten Fahrer trifft das alleinige unfallverursachende Ve4rschulden an der Entstehung des Kreisverkehrsunfalls. Nach dem unfallanalytischen Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen fuhr der beklagte Fahrer mit seinem Pkw mit einer Geschwindigkeit von 45 bis 48 km/h in den Kreisverkehr. Im weiteren Verlauf befuhr der beklagte Fahrer den gesperrten Mittelinselbereich. Nur großdimensionierte Fahrzeuge können eine Ausnahme für das Befahren der Sperrfläche beanspruchen. Durch die Schaffung von Kreisverkehren soll die Geschwindigkeit reduziert werden. Es soll auch ein gefahrloses Einfädeln in den fließenden Verkehr gefördert werden. Mit dieser Zielsetzung ist es nicht vereinbar, wenn Verkehrsteilnehmer unter voller Ausnutzung der Fahrbahn unter Schneidung der Kreisbahn sich einen Vorteil verschaffen wollen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2004, 244).

Mit dem langsameren Einfahren in den Kreisverkehr soll der Verkehrsfluss entzerrt werden. Damit verletzt derjenige, der die Mittelinsel überfährt, das Recht des einmündenden Verkehrsteilnehmers. Damit ist das Verhalten desjenigen, der die Mittelinsel überfährt, mitursächlich für das Zustandekommen eines Unfalls im Kreisverkehr (LG Saarbrücken NZV 2013, 38). Darüber hinaus ist der Beklagte mit völlig überhöhter Geschwindigkeit in den Kreisverkehr eingefahren. Selbst wenn innerorts eine Geschwindigkeit von 50 km/h erlaubt ist, konnte der Beklagte den Kreisverkehr in der ordnungsgemäßen Weise mit dieser Geschwindigkeit nicht durchfahren. Der Kreisradius war für diese Geschwindigkeit zu klein. Es hätte ihn aus der Kurve getragen.

2. Zu der Anschlussberufung des Klägers:

Der Kläger beanstandet zu Recht, dass seine Anspruchsberechtigung über den vom Landgericht festgestellt Umfang hinausgeht. Ein unfallursächliches Annäherungsverschulden lässt sich zu seinen Lasten nicht feststellen. Insbesondere trifft ihn nicht der Vorwurf, durch eine Vorfahrtsverletzung zu dem Unfall im Kreisverkehr beigetragen zu haben. Die von seinem Pkw ausgehende Betriebsgefahr fällt bei der Abwägung der unfallursächlichen Umstände nicht ins Gewicht. Das angefochtene Urteil hat die Vorfahrtsregelung im Kreisverkehr verkannt. An der Einmündung in den Kreisverkehr sind die Verkehrszeichen "Vorfahrt achten" und "Kreisverkehr" gut sichtbar angebracht. Diese Verkehrszeichenkombination gewährt dem Verkehr im Kreisverkehr Vorrang. Sie gebührt auch demjenigen, der die Verkehrszeichen bereits passiert hat und sich im Kreisverkehr befindet, gegenüber demjenigen, der in den Kreisverkehr einbiegen will, Vorrecht. Daraus lässt sich folgern, dass, wenn Verkehrsteilnehmer aus verschiedenen Richtungen in den Kreis einfahren, derjenige Vorrang hat, der als erster in den Kreis eingefahren ist (OLG Düsseldorf Urt. v. 22.9.2008 – I-1 U 7/08 -).

Aus dem Umstand, dass die beiden Beteiligten gleichzeitig den Kreisverkehr erreichten, folgt in der rechtlichen Konsequenz, dass keiner von beiden vorfahrtsberechtigt war. Wenn der Beklagte kein Vorrangrecht hatte, hatte der Kläger auch keine Wartepflicht. Fahren zwei Kraftfahrzeuge gleichzeitig in einen Kreisverkehr ein, muss sich grundsätzlich jeder Fahrzeugführer auf das Einbiegen des anderen einstellen. Im Gegensatz zu dem Beklagten hatte der Kläger bei der Einfahrt in den Kreisverkehr seine Fahrgeschwindigkeit reduziert, und zwar auf etwa 12 km/h, wie das verkehrsanalytische Gutachten feststellte.

3. ZurHaftungsabwägung und zum Umfang der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten:

Bei der Abwägung aller unfallursächlichen Umstände dürfen zu Lasten einer Partei nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die unstreitig oder erwiesen sind. Die Abwägung fällt dabei eindeutig zu Lasten des Beklagten aus. Der Beklagte hat sich vor der Kollision der Fahrzeuge grob fahrlässig verhalten. Er ist mit zu hoher Geschwindigkeit in den Kreisverkehr eingefahren. Er hat verkehrswidrig die Sperrfläche überfahren. Daher haftet er alleine für die Unfallfolgen.

Fazit und Praxishinweis: Nähern sich Verkehrsteilnehmer aus verschiedenen Richtungen dem Kreisverkehr und besteht bei der Einfahrt in den Kreisverkehr die Gefahr, dass sich im Kreisel ihre Bewegungslinien berühren oder gefährlich annähern, gebührt demjenigen Fahrer der Vorrang, der als erster den Kreisverkehr erreicht. Erreichen zwei Fahrzeuge gleichzeitig den Kreisverkehr, ist keiner von beiden vorfahrtsberechtigt. In derartigen Fällen kommt es auf das Fahrverhalten vor der Kollision an.
Quellen
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