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Am 9.7.2015 wurde der spätere Kunde des klagenden Sachverständigen in Frankfurt-Schwanheim das Opfer eines unverschuldeten Verkehrsunfalls. Bei dem Unfall wurde das Kraftfahrzeug des Geschädigten beschädigt.
Nach dem Unfall beauftragte der Geschädigte einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Hierfür berechnete er insgesamt Sachverständigenkosten von 944,-- € netto. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung zahlte nur 832,-- €. Die Forderung auf Erstattung desRestbetrag wurde an den Sachverständigen abgetreten, der den Restbetrag bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Frankfurt – Außenstelle Höchst – rechtshängig machte. Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gem. §§ 823 Abs. 1, 249ff., 398 BGB, 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 115 VVG aus abgetretenem Recht Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten von 112,-- € netto.. Die volle Haftung der Beklagten aus dem Verkehrsunfall steht dem Grunde nach steht zwischen den Parteien außer Streit. Der Kläger ist aufgrund der vorgelegten Abtretungsvereinbarung auch aktivlegitimiert. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten sind in dieser Höhe als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 II BGB ersatzfähig. Der erforderliche Aufwand für die Schadensbeseitigung umfasst die Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in die Lage des Geschädigten aufwenden muss, ohne dass er sich so verhalten muss, wie er dies täte, wenn er den Schaden selbst tragen müsste (BGH NJW 2014, 1947).

Beauftragt der Geschädigte einen Kfz-Sachverständigen zur Feststellung des Schadens an seinem Pkw, darf er einen für ihn erreichbaren wählen, ohne dass er zuvor eine Marktforschung betreiben muss, um den preislich günstigsten Sachverständigen zu finden; lediglich dann, wenn für ihn erkennbar ist, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorare fordert, die die branchenüblichen Preise deutlich übersteigen, wäre von ihm zu fordern, einen anderen Sachverständigen auszuwählen (vgl. BGH, a.a.O.). Danach genügt ein Geschädigter seiner Darlegungslast hinsichtlich der Schadenshöhe in der Regel bereits dadurch, dass er die Rechnung des Sachverständigen vorlegt, wobei deren Höhe für die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Schadensbeseitigung erforderlichen Betrages liefert. Entsprechend ist vorliegend die vom Sachverständigen erstellte Rechnung, zu deren Zahlung der Geschädigte erfolglos aufgefordert wurde, als Indiz für die Angemessenheit ihrer Höhe der Schadensschätzung zugrunde zu legen.

Es ist nicht ersichtlich und nicht in geeigneter Weise unter Beweis gestellt, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung im Sinne des § 254 Abs. 2 S. 1, 2. Alternative BGB verstoßen hat, weil für ihn erkennbar war, dass die Honorarabrechnung überhöht war. Der Kläger hat ausschließlich das Grundhonorar ohne weitere Nebenkosten in Rechnung gestellt. Anderes gilt auch nicht unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 22.7.2014 (NJW 2014, 3151). Darin hat das Revisionsgericht die Festsetzung der Nebenkosten durch das LG Saarbrücken auf pauschal 100,-- €beanstandet. Nach der Zurückverweisung hat das LG Saarbrücken die Nebenkosten anhand bzw. deren Überhöhung anhand des JVEG festgestellt und dort eine 20-prozentige Überschreitung als maximal zulässig erachtet.

Wenn jedoch nicht einmal der Fachjurist ohne Weiteres feststellen kann, welche Honorare und Nebenkosten angemessen sind und nach welchen Tabellen sich diese orientieren sollen und auch der BGH offen lässt, ob die BVSK- Honorarbefragung, das JVEG, eine prozentuale Toleranzgrenze oberhalb der JVEG-Sätze oder keine dieser Tabellen den geeigneten Vergleichsmaßstab bilden soll, ist es dem normalen Geschädigten schlechterdings unmöglich und unzumutbar, entsprechende Ermittlungen und Vergleiche anzustellen. Anders als etwa bei den Mietwagenkosten gibt es keinen allgemeinen Markt, der sich via Internet oder Telefonanrufen einfach und auch für den Laien nachvollziehbar erschließt. Auch handelt es sich bei der Beauftragung eines Sachverständigendigen nach einem Unfall, andere als bei der Anmietung eines Fahrzeuges, keinesfalls um ein Rechtsgeschäft des alltäglichen Lebens.

Solange der Bundesgerichtshof keine eindeutigen Beurteilungskriterien herausgearbeitet hat, die auch dem Laien ermöglichen, in nachvollziehbarer Zeit und ihm aufgrund der Umstände eines Unfalls zumutbar Sachverständigenkosten zu vergleichen und zu überprüfen, sind die in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten das wesentliche Indiz und als Schätzgrundlage der Schadenschätzung gemäß § 287 ZPO weiterhin geeignet. Die in der Rechnung des Sachverständigen enthaltenen Honorarsätze sind keineswegs per se erkennbar übersetzt und gänzlich überhöht. Der Kläger hat daher Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Sachverständigenkosten.

Fazit und Praxishinweis: Mit diesem Urteil hat sich – zu Recht – ein weiteres Amtsgericht gegen die Rechtsprechung des BGH zur Indizwirkung nur bei bezahlten Sachverständigenrechnungen gestellt. Bereits das AG München hatte mit Urteil vom 13.7.2016 – 341 C 30483/15 – (die Unfallzeitung berichtete am 5.9.2016 darüber!) die Indizwirkung auch bei unbezahlten Rechnungen angenommen. Das ist auch logisch, denn der Bezahlung steht die Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung gleich.
Quellen
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