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Die Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall sind Gegenstand eines Rechtsstreites vor dem Amtsgericht Witten. Der Geschädigte hatte einen qualifizierten und vereidigten und öffentlich bestellten Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragt.
Die HUK-COBURG als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung hatte unter Zugrundelegung ihres eigenen Honorartableaus die berechneten Sachverständigenkosten gekürzt. Der Restbetrag war an den Sachverständigen abgetreten, so dass dieser aus abgetretenem Recht vor dem Amtsgericht Witten klagte. Die Klage hatte nur zum Teil Erfolg.

Das erkennende Gericht kann dem Kläger nur einen Teil der eingeklagten restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht zusprechen. Hinsichtlich der Wirksamkeit der Abtretung bestehen keine Bedenken. Allerdings ist der Anspruch nur zum Teil begründet. Gibt der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Höhe des Sachschadens in Auftrag, kann er Erstattung dieser Kosten vom Schädiger insoweit verlangen, als diese Kosten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB objektiv erforderlich waren. Maßgeblich sind nicht die vertraglich geschuldeten Kosten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, der sich das erkennendeGericht anschließt, kann der Geschädigte vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Es ist dabei auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen (vgl. BGH NJW 2014, 3151, 3152 m. w. N).

Auch ist der Geschädigte nach der Rechtsprechung des BGH nicht gehalten, den ihm zugänglichen Markt zu erforschen, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH NJW 2014, 1947, 1948). Der Geschädigte darf sich damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Anders als bei Mietwagenkosten gibt es bei Sachverständigen keine unterschiedlichen Tarife, etwa für eine besonders eilige Gutachtenerstellung gegenüber der Erstellung des Gutachtens mit einer üblichen Bearbeitungsdauer. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer – von ihm beglichenen - Rechnung des in Anspruch genommenen Sachverständigen (BGH NJW 2014, 3151). Diese stellt ein Indiz für die Erforderlichkeit der Kosten dar, da sich in ihr die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls einschließlich der beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig niederschlagen. Diese Indizwirkung tritt jedoch dann nicht ein, wenn die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen demnach bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwands eine maßgebliche Rolle.

Vorliegend hat der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen nicht selbst beglichen. Ob dieser Umstand Einfluss auf die Indizwirkung der vorgelegten Rechnung hat, kann hier allerdings dahinstehen.Denn zum einen hat der Geschädigte mit dem Sachverständigen eine ausdrückliche Honorarvereinbarung getroffen, welche in der Rechnung lediglich auf das konkret erstellte Gutachten angewendet worden ist. Zum anderen ist sowohl die Rechnung als auch bereits die getroffene Honorarvereinbarung nach den oben ausgeführten Grundsätzen nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden, weil die darin berechneten Preise des Sachverständigen erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen. Insoweit ist nach Auffassung des Gerichts, in Übereinstimmung mit der jüngsten Rechtsprechung der Berufungskammer des Landgerichts Bochum (vgl. LG Bochum. Urt. v. 31.05.2016, I-9 S 36/16; LG Bochum, Urt. v. 31.05.2016, I-9 S 18/16) zu differenzieren.

Zunächst ist darauf abzustellen, ob bereits durch den Abschluss der vertraglichen Vereinbarung Preise vereinbart wurden, die auch für den durchschnittlichen Geschädigten erkennbar überhöht sind oder die zumindest Anlass zu Nachfragen geben. Akzeptiert der Geschädigte diese ungeprüft, hat er keinen Anspruch auf vollständigen Ersatz. Das erkennende Gericht nimmt nunmehr eine Überprüfung der Einzelpositionen der Sachverständigennebenkosten vor Die Fotokosten werden mit den Kosten im Supermarkt verglichen. Insoweit hätte der Geschädigte erkennen können, dass die berechneten Lichtbilder erheblich überhöht sind. Das Gleiche gilt für die Schreibkosten. Einer derartigen Betrachtungsweise steht nach Ansicht des erkennenden Gerichts auch nicht die Rechtsprechung des BGH entgegen. Dieser hat in der Entscheidung vom 22.7.2014 ausgeführt, dass es grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, dass das Berufungsgericht verschiedene der im dortigen Fall zur Berechnung des Aufwendungsersatzanspruchs des Sachverständigen festgesetzten Pauschalbeträge als erkennbar deutlich überhöht gewertet und der – von dem Geschädigten zu keinem Zeitpunkt beglichenen - Rechnung keine maßgebliche Indizwirkung für die Erforderlichkeit der Kosten beigemessen hat (BGH NJW 2014, 3151, 3152 Rz. 19).

Revisionsrechtlich zu beanstanden sei lediglich, dass bei der Bemessung der Schadenshöhe im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO vom dortigen Berufungsgericht keine tragfähigen Anknüpfungspunkte zugrunde gelegt wurden. Daher ist auch in diesem Rechtsstreit die mit dem Sachverständigen getroffene Vergütungsvereinbarung nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden. Daher ist die Schadenshöhe gem. § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. Soweit sich die beklagte HUK-COBURG auf ihr eigenes Honorartableau beruft, kann dieses bereits deswegen für eine Schätzung gem. § 287 ZPO nicht herangezogen werden, weil nicht ersichtlich ist, wie die dortigen Zahlen zustande gekommen sind, so dass ihre Verlässlichkeit nicht beurteilt werden kann. Vor diesem Hintergrund kann zudem nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass das Tableau ausschließlich von den Interessen der Beklagten geprägt ist.

Fazit und Praxishinweis: Zwar hat das erkennende Gericht mit unzutreffender Begründung den größten Teil der abgetretenen Sachverständigenkosten nicht zugesprochen, gleichwohl hat das Gericht aber zutreffend darauf hingewiesen, dass das immer wieder von der HUK-COBURG verwandte Honorartableau keine geeignete Schätzgrundlage für den erforderlichen Betrag im Sinne des § 249 BGB ist. Bei dem HUK-COBURG-Honorartableau handelt es sich um eine selbst gefertigte Honorarliste, deren Zahlen durch nichts nachgewiesen sind. Deshalb wird das Honorartableau der HUK-COBURG auch durchgehend als ungeeignet angesehen.
Quellen
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