Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

Streit um Teilprivatisierung
Privatisierung nicht ausgeschlossen / Kritik vom Rechnungshof, Ablehnung in Umfrage / Grundgesetzänderung nötig

RobGal

Die in der Diskussion stehende Bundesautobahngesellschaft nimmt Gestalt an. Nach Beratungen über den ersten Vorstoß von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Teilprivatisierung ist nach regierungsinternen Beratungen nun vorgesehen, dass eine für Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung und Finanzierung der Bundesautobahnen zuständige Gesellschaft die Arbeit zum 1. Januar 2021 aufnimmt.
Diese von Schäuble und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) getroffene Einigung sieht vor, dass eine Gesellschaft privaten Rechts konstituiert wird und ihre Mittel vom Bund zugewiesen bekommt. Nach drei Jahren Tätigkeit soll diese Rechtsform (GmbH) evaluiert werden.

Strittig war von Anfang an zwischen Schäuble und Gabriel, ob sich private Unternehmen, etwa Banken, Versicherungen oder andere private Anleger, an dieser Gesellschaft beteiligen sollen oder nicht. Das ist nun vom Tisch, denn in dem Entwurf ist laut Medienberichten festgehalten, dass die Gesellschaft im vollständigen Eigentum des Bundes bleibt. Damit wäre sie gänzlich unveräußerlich. Ihre finanziellen Mittel sollen rein aus dem Bundesetat für Verkehr und aus Mauteinnahmen stammen. Dennoch sollen öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) für Projekte möglich sein.

Organisatorisch ist beabsichtigt, die Rechtsaufsicht über die privatrechtliche Gesellschaft einem neu zu gründendem Fernstraßen-Bundesamt zuzuweisen. Die bisher in den Straßenbauverwaltungen der Länder und in den entsprechenden Landesbehörden beschäftigten Beamten sollen in dieses Fernstraßen-Bundesamt versetzt werden. Das zur Diskussion stehende Straßennetz umfasst alle rund 13.000 Autobahnkilometer und schätzungsweise 1.300 Kilometer "autobahnähnliche" Bundesstraße. Insgesamt haben die Bundesstraßen eine Länge von 38.000 Kilometern.

Nach dem Kompromiss geht die Kontroverse weiter

Gegen den regierungsintern ausgehandelten Kompromiss wendet sich nun der Bundesrechnungshof. Dessen Präsident Kay Scheller weist darauf hin, dass die derzeitigen Pläne die Möglichkeit für die Autobahngesellschaft bereithalten, regionale Tochtergesellschaften zu gründen. Die hätten das Recht, ihre Aufgaben an Dritte zu übergeben. Damit bleibe ein Hintertürchen für private Investoren geöffnet, wie Scheller kritisiert. In einem Sondergutachten verweist der Rechnungshof auf das Beispiel Frankreich. Dort könnten private Investoren die Höhe der Maut festlegen, zum Nachteil der öffentlichen Hand und der Verbraucher. Bereits seit längerer Zeit problematisieren die Rechnungsprüfer, dass der Straßenbau durch öffentlich-private Partnerschaften regelmäßig teurer für den Steuerzahler ausfällt als in rein öffentlicher Regie.

Kritik kommt auch von der Opposition. So bemängelt Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, dass im Kompromiss von Schäuble und Gabriel lediglich die direkte Privatisierung ausgeschlossen sei. Hofreiter befürchtet, dass eine teilprivatisierte Gesellschaft zu überteuerten und überdimensionierten Bauvorhaben führt, und warnt davor, dass die Gesellschaft noch intransparenter agieren werde, wenn sie nicht in eine GmbH, sondern in eine Aktiengesellschaft umgewandelt würde.
Auch die Öffentlichkeit scheint wenig begeistert zu sein. In einer repräsentativen Umfrage von Infratest-Dimap im Auftrag der ARD lehnten Mitte November 74 Prozent eine Privatisierung der Autobahnen ab, 21 Prozent sprachen sich dafür aus.

Nun stehen Verhandlungen zwischen dem Bund und den Bundesländern an, weil für die Umsetzung des Kompromisses eine Grundgesetzänderung nötig ist. Dafür wäre eine Zwei-Drittel- Mehrheit sowohl im Bundestag, wo die Koalition aus Union und SPD nominell über ausreichend Sitze verfügt, als auch im Bundesrat erforderlich. Von den insgesamt 69 Sitzen im Bundesrat entfallen 20 auf die Länder mit reiner Unions- oder mit schwarz-roter Regierung. Für eine Änderung des Grundgesetzes sind aber 46 Stimmen erforderlich.
Quellen
    • Text: Olaf Walther (Kb)
    • Foto: Gina Sanders - Fotolia.com