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Wer nicht an der Elektrozapfsäule Strom zapft, der wird kostenpflichtig abgeschleppt
AG Charlottenburg in Berlin Urteil vom 16.11.2016 – 227 C 76/16 –

RFWW

Der spätere Kläger ist Besitzer eine Elektrofahrzeuges BMW i3. Mit diesem Fahrzeug fuhr er in eine als Privatstraße bezeichnete und ausgeschilderte Straße in Berlin. Dort befinden sich zwei Elektroladestellen für Elektrofahrzeuge.
Eine Station war mit einem im Ladevorgang befindlichen Fahrzeug besetzt. Die andere Ladestation war frei. Er stellte sich mit seinem Fahrzeug an die Ladestation. Der Ladevorgang konnte jedoch nicht durchgeführt werden, weil das Ladekabel nicht für das vom Kläger benutzte Fahrzeug geeignet war. Da es sich um eine Privatstraße handelt und eine entsprechende Umwidmung erfolgt ist, wies der Straßeneigentümer mit einem Zusatzschild zum Halteverbotszeichen darauf hin, dass widerrechtlich parkende Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden.

Ein weiteres Zusatzschild wies darauf hin, dass das Halteverbot nur während des Ladevorgangs aufgehoben ist. Nach etwa drei Stunden ließ der Grundstückseigentümer das Fahrzeug des Klägers abschleppen. Der Abschleppunternehmer wollte das Fahrzeug nur gegen Zahlung von 150,-- € herausgeben. Der Kläger zahlte, um das Fahrzeug zurückzuerhalten. Er forderte den Betrag zurück. Seine vor dem Amtsgericht Charlottenburg erhobene Klage blieb erfolglos.

Der Klage ist der Erfolg zu versagen. Die durch den Grundstückseigentümer veranlasste Abschleppmaßnahme war rechtens. Der Kläger hat nämlich mit dem Abstellen seines Personenfahrzeugs an der Ladestation, ohne dass er Strom aufgeladen hat, eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 I BGB begangen. Danach kann Schadensersatz verlangen, wer durch verbotene Eigenmacht in seinem Besitzrecht gestört wird. Das Abstellen eines Fahrzeuges im Bereich einer Privatstraße stellt grundsätzlich eine verbotene Eigenmacht und damit eine Beeinträchtigung im Sinne des § 858 I BGB dar (BGHZ 181, 233, 242). Nur für den Elektroladevorgang willigt der Eigentümer des Straßengrundes in die Benutzung desselben ein. Das Ziel der Regelung würde untergraben werden, wenn jedes Elektroauto, für welches keine Ladebuchse vorhanden ist, den Parkraum dauerhaft nutzen könnte und somit Fahrzeuge, die aufgeladen werden sollen,an der Inanspruchnahme der Ladesäule gehindert werden. Dies leuchtet insbesondere ein, da Elektrofahrzeuge für den Ladevorgang besonders viel Zeit benötigen und damit ein besonderes Bedürfnis besteht, Plätze für eben diese zeitintensive Ladetätigkeit zur Verfügung zu stellen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger – was unbestritten blieb – jedenfalls ursprünglich vorhatte, das Fahrzeug zu laden, es aber mangels freier Ladebuchse für einen BMW i3 nicht laden konnte und dann führ knapp drei Stunden an der Ladesäule stehen ließ. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes ergibt sich hier kein anderes Ergebnis. Sonst würde der für die Ladung von Elektrofahrzeugen bestimmte Parkraum von jeglichen Elektrofahrzeugen, die keinen passenden Anschluss für die dort befindliche Ladesäule haben, dauerhaft in Anspruch genommen werden können und ladewillige Halter von aufladebedürftigen Elektrofahrzeugen hätten das Nachsehen. Die Elektroladesäule und der davor befindliche Parkraum ist insofern mit einer Zapfsäule für Verbrennungsfahrzeuge auf einem Tankstellengelände zu vergleichen.

Es leuchtet ein, dass derjenige, der auf einem Tankstellengelände nicht den für ihn richtigen Kraftstoff oder eine freie Zapfsäule finden kann, sein Fahrzeug nicht für mehrere Stunden auf dem Gelände des Tankstellenpächters in Erwartung des Freiwerdens einer Zapfsäule stehen lassen kann. Selbst ohne Beschilderung des Tankstellengeländes muss jedem klar sein, dass der Verbleib von Fahrzeugen auf dem Privatgelände nur für die Inanspruchnahme der dort angebotenen Leistungen, vor allem den Betankungsvorgang und dessen Abwicklung geduldet wird. Nichts anderes kann auch für privat zur Verfügung gestellte Elektroladesäulen angenommen werden."

Fazit und Praxishinweis: Nicht umsonst hat der Bundesgesetzgeber mit der 50. Verordnung zur Änderung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften im Bundesgesetzblatt vom 25.9.2015, 36. Teil I 2015, Seite 1575, 1576 ein neues Verkehrszeichen mit einem Pkw mit Elektrokabel eingeführt. Es wird dem Halteverbotszeichen nach Nummer 286 zugeordnet. Damit soll sichergestellt werden, dass für Fahrzeuge ohne Elektroanschluss bzw. ohne Ladevorgang an der ausgeschilderten und gekennzeichneten Fläche eingeschränktes Halteverbot gilt. Nur Elektrofahrzeuge im Ladevorgang sollen von dem Verbot des Haltens an den gekennzeichneten Stellen ausgenommen sein. Das Urteil entspricht auch im Wesentlichen der BGH-Rechtsprechung zum Abschleppen auf privatem Gelände.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung