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Autonomer Mercedes Actros: Ohne Hand am Steuer über die Autobahn
Weltpremiere eines automatischen Serien-Lkw auf der A8

RobGal

Daimler hat weltweit zum ersten Mal einen Serien-Lkw automatisch über eine Autobahn fahren lassen. Bei der Premierenfahrt am vergangenen Freitag auf der A8 bei Stuttgart saß Daimler- Nutzfahrzeuge-Chef Wolfgang Bernhard hinter dem Steuer eines Actros, auf der Beifahrerseite assistierte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Die Grünen).
Der 430 PS starke Lastwagen ist eine normale "Brot-und-Butter-Version" (Bernhard) des Mercedes Actros 4x2 mit 40 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht. Er ist ausgerüstet mit dem Autobahnpiloten ("Highway Pilot"), der den Wagen ohne Zutun des Fahrers in der Spur hält, beschleunigt, bremst und Abstand zum Vordermann hält – auch bei plötzlich einscherenden Fahrzeugen. Der Pilot fusioniert bereits bestehende Fahrzeugsysteme wie den Notbrems- oder den Abstandhalteassistenten und greift zur Orientierung auf eine 3-D-Umgebungskarte zurück.

Der Autopilot signalisiert dem Fahrer auf der Autobahn, wenn es das Steuer übernehmen kann. Per Knopfdruck übergibt der Fahrer, dann kann er das Lenkrad loslassen. Bei Ereignissen, die das Assistenzsystem nicht bewältigen kann, wie eine Baustelle, fehlende Fahrbahnmarkierungen oder schlechte Witterung, übergibt der Autobahnpilot durch akustische Signale und mit ausreichender Vorlaufzeit zurück an den Fahrer. Sollte der nicht reagieren, "bringt sich der Lkw selbständig und sicher zum Stillstand", wie Daimler erläutert.

Wie ein Autopilot im Flugzeug

Im Juli 2014 stellte Daimler den hochautomatisierten "Future Truck 2025" vor, der auch Überholmanöver ausführt und Baustellen durchfährt, so dass der Fahrer anderen Tätigkeiten nachgehen kann (siehe Kb 3024 vom 7.7.2014). Im Mai dieses Jahres folgte in den USA der "Inspiration Truck" der Daimler-Marke Freightliner, der erste hochautomatisierte Lkw mit Straßenzulassung. Diese beiden Lkw sind Konzeptfahrzeuge, hingegen ist der Actros mit teilautonomem Autobahnpiloten ein serienmäßiger Wagen. Die Landesregierung in Stuttgart erteilte ihm auf der Grundlage eines Gutachtens des TÜV Rheinland eine Ausnahmegenehmigung, mit der er als Versuchsfahrzeug mit bis zu 80 km/h auf Autobahnen im gesamten Bundesgebiet fahren darf. Der Fahrer muss ständig den Verkehr beobachten und jederzeit in der Lage sein, das Steuer zu übernehmen, wie beim Autopiloten im Flugzeug.

Ministerpräsident Kretschmann begrüßte die Premierenfahrt als "Signal für den Aufbruch in ein neues Mobilitätszeitalter" und kündigte die Einrichtung eines technologieoffenen Testfelds für autonome Fahrzeuge in Baden-Württemberg an.

Daimler will mit dem Test-Lkw Erfahrungen sammeln, um die autonome Technologie zur Marktreife zu entwickeln, und erhofft sich davon die Vermeidung von Staus, die Reduzierung von Verbrauch und Emissionen um fünf Prozent, mehr Verkehrssicherheit und geringeren Fahrzeugverschleiß durch fließendere Fahrten. Der Fahrer werde von monotonen Autobahnfahrten entlastet, stressige Staufahrten würden ihm abgenommen. Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard forderte von der Bundes- und EU-Politik gesetzliche Veränderungen, um automatische Autos ohne Sondergenehmigung fahren zu können.

Die Frage eines Journalisten, ob Kretschmann mit dem automatisierten Lkw nicht Probleme bei der von den Grünen unterstützten Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene befürchte, verneinte der Ministerpräsident bei der Pressekonferenz zur Premierenfahrt. "Hier geht es um die Entlastung der Infrastruktur", sagte er. Zum zeitlichen Rahmen für die von Bernhard geforderten gesetzlichen Veränderungen meinte Kretschmann, dass diese "parallel" zur technischen Entwicklung erfolgen würden.

Sven Ennerst, Entwicklungsleiter bei Daimler Lkw, ist zuversichtlich, was das Tempo der Entwicklung betrifft. Die Serienreife des Autobahnpiloten hält er vor dem Jahr 2020 für möglich, den ersten hochautomatischen Lkw, bei dem der Fahrer am Steuer auch anderen Tätigkeiten nachgehen kann, prognostiziert er für 2025.
Quellen
    • Text: Kristian Glaser (Kb)
    • Foto: Mercedes-Benz