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Bundesregierung bringt Pkw-Maut-Gesetz auf den Weg
Finanzieller Effekt umstritten / Protest von den Grenzregionen / Anrainerstaaten planen Klage wegen Diskriminierung von EU-Ausländern

RobGal

Ende Januar beschloss die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Einführung der umstrittenen Pkw-Maut, der als ein Kompromiss mit der EU-Kommission gilt. Demnach müssen bei der offiziell "Infrastrukturabgabe" genannten Straßengebühr Autofahrer, die auf deutschen Straßen unterwegs sind, zahlen.
Für die Höhe ist der Schadstoffausstoß entscheidend, eine Jahresvignette kostet 130 Euro Maximum.

Ihre inoffizielle Bezeichnung "Ausländer-Maut" trägt die Abgabe, weil deutsche Pkw-Halter durch Verrechnung mit der Kfz-Steuer faktisch vollständig von der Maut befreit werden und keinen Cent zusätzlich zu bezahlen haben, während Ausländer zur Kasse gebeten werden. Hieran entzündet sich die Kritik, denn eine solche Ungleichbehandlung wird als Verstoß gegen das Prinzip der Gleichheit in der Europäischen Union angesehen. Wer als deutscher Steuerzahler einen Pkw der aktuellen Schadstoffklasse Euro VI nutzt, bekommt vom Staat sogar noch Geld zurück, er zahlt also nach Einführung der Maut weniger als derzeit. "Ökologischen Steuerungseffekt" nennen das die Maut-Väter.

Das Bundesverkehrsministerium rechnet mit jährlichen Mauteinnahmen in Höhe von 3,9 Milliarden Euro, davon 830 Millionen Euro von Pkw-Haltern aus dem Ausland. Nach Abzug aller Kosten erwartet das Ministerium, dass 520 Millionen Euro zur Finanzierung der Infrastruktur übrig bleiben. Oppositionspolitiker und Automobilklubs bezweifeln das. Nach ihren Berechnungen werden die Kosten für den Verwaltungsaufwand die Mauteinnahmen samt und sonders schlucken.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht in seinem Mautsystem einen "Systemwechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung". Es gibt jedoch keine Garantie, dass die Pkw- Maut ewig durch die Kfz-Steuer kompensiert wird. Und dann müssen auch die Autofahrer in Deutschland zahlen. Zudem bedeutet der Systemwechsel eine Abkehr von der sozialen Komponente, die durch den prozentualen und progressiven Steuersatz gegeben ist. Demnach beteiligen sich reiche Steuerzahler mehr an der Finanzierung staatlicher Aufgaben als Steuerzahler mit geringerem Budget. Nicht so die "Infrastrukturabgabe". Sie macht nur einen Unterschied zwischen abgasreichen und abgasarmen Automobilen, nicht aber zwischen reichen und armen Autofahrern. Mehr noch: Abgasarme Autos, die mit einem niedrigeren Mautsatz belohnt werden, sind in der Regel Neuwagen und nicht für Haushalte erschwinglich, die rechnen müssen.

Der Gesetzesentwurf steht nun zur Beratung im Bundestag an. Wenn alles nach Dobrindts Vorstellung verläuft, schließt sich an die Verabschiedung durch die schwarz-rote Parlamentsmehrheit die Ausschreibung für das elektronische Erhebungs- und Erfassungssystem an. Der Verkehrsminister geht nicht davon aus, dass die Maut vor 2019 kommen wird, also erst deutlich nach der Bundestagswahl.

Erhebliche Widerstände

Wenn überhaupt, denn es hagelt Protest. Zum Beispiel aus den Grenzregionen, etwa von der niederländischen Gemeinde Losser, die an Bad Bentheim in Niedersachsen grenzt. Etliche Losser arbeiten in geringbezahlten Jobs in Deutschland. "Oft liegt das deutsche Einkommen nur wenig über dem, was ein Erwerbsloser in den Niederlanden bekäme", sagte der Bürgermeister der Tageszeitung "Rheinische Post". Müssen dann noch die Kosten für die Vignette gestemmt werden, könnte sich der Job nicht mehr lohnen. Die Losser protestieren gegen die Maut mit Transparenten und einer Petition an Dobrindt, das Rathaus verteilt Aufkleber mit der Aufschrift "Für die Region – gegen die Maut".

Mit "der" Region ist "Euregio" gemeint. 1958 als erste grenzüberschreitende Europaregion gegründet, zählt sie heute 129 kommunale Mitglieder von hüben und drüben. Sie verbindet ein reger kultureller, wirtschaftlicher und kommerzieller Austausch. Die Ressentiments von gestern sind minimiert. Mit der Maut würde der Schlagbaum aber wieder ein wenig heruntergelassen. Lossers christdemokratischer Bürgermeister beschwert sich: "Die Maut ist gegen den europäischen Gedanken." Selbst im weiter entfernt gelegenen Winterberg, einem Wintersportort im Sauerland, dessen Urlaubsgäste zu einem guten Teil aus den Niederlanden angereist kommen, tut man etwas gegen die Maut: Die Kosten werden den ausländischen Gästen durch die Vergabe von Gutscheinen erstattet.

Nun will eine Reihe von EU-Ländern juristisch gegen die Berliner Maut vorgehen. Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried hält die Maut für diskriminierend, weil Ausländer zahlen müssten, Deutsche aber nicht. Das widerspreche "dem europäischen Geist und dem europäischen Regelwerk", sagte der Sozialdemokrat. In Europa müsse "die Stärke des Rechts" gelten, nicht "das Recht des Stärkeren". Deutschlands Anrainerstaaten, Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Polen, Tschechien, und darüber hinaus Ungarn, die Slowakei und Slowenien loten derzeit die Möglichkeit einer gemeinsamen Klage gegen die deutsche Pkw-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof aus.
Quellen
    • Text: Kristian Glaser (Kb)
    • Foto: fotohansel - Fotolia.com