Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

Soeben feierte sich noch die Automobilwirtschaft zur Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung (IAA) selbst, da holt VWs Abgasskandal sie sehr unsanft auf den Boden der Tatsachen.
Klima- und Umweltschutz, Verkehrssicherheit und Kundennutzen sind spätestens seit Fukushima die (auto)mobilen Leitideen, das Auto wird immer weniger als Statussymbol aufgefasst. Wenn auch die Auftritte der Autohersteller in Frankfurt nicht mehr so forsch sind wie in den 90er Jahren, so präsentiert sich doch fast jeder größere Hersteller auf der diesjährigen IAA mit einem 300 PS starken Kompaktwagen oder einem 300 km/h schnellen Serienauto. Der Elektroantrieb, so macht es in Frankfurt fast den Eindruck, soll dafür da sein, die Flitzer noch flitziger zu machen. Die interessantesten Innovationen – zu Sicherheit, Umweltschutz und Komfort – sind bei den Zulieferern zu finden.

Auf die Kampfansagen der IT-Unternehmen, das Automobil der digitalen Welt einverleiben und zu einem Subsystem der ständigen Verfügbarkeit und Datensaugerei machen zu wollen, reagieren die Automobilhersteller nicht gerade mit Selbstbewusstsein. Vielleicht sollte die 66. IAA auch der Selbstermutigung dienen. Bis der Kessel platzte.

Volkswagen hat im großen Stil die Abgasemissionen von Diesel-Pkw manipuliert. Bei offiziellen Tests im Labor wurden erheblich niedrigere Werte gemessen als im Fahralltag. Entdeckt hat den Betrug eine US-amerikanische Behörde nach Hinweisen eines Forschungsinstituts mit Sitz in der Bundesrepublik. VW war schnell geständig, nachdem die Behörden die Zulassung eines neuen Modelljahrgangs zu verweigern drohten. In Wolfsburg gibt man zu, dass weltweit bis zu elf Millionen Fahrzeuge mit der verfälschenden Software ausgestattet sind, aber nicht in allen diesen Modellen soll das Täuschungsprogramm auch wirksam werden. VW-Chef Martin Winterkorn gibt sich überrascht, entschuldigte sich und sagte Transparenz und Aufklärung zu. Mittlerweile hat er seinen Rücktritt angekündigt.

Die Tricksereien wurden im Bewusstsein einer illegalen Tat vorgenommen. Sie sind Betrug am Kunden und stellen eine Gefährdung der allgemeinen Gesundheit sowie der Umwelt dar. Daher ist die Aufregung groß. Die Strafzahlungen für VW könnten allein in den USA in die Milliarden gehen, hinzukommen Kosten für Rückrufe, Schadenersatzzahlungen, strafrechtliche Konsequenzen und nicht zuletzt der Vertrauensverlust. Der Kurs der VW-Aktie ist tief gefallen und zieht andere automobile Aktienwerte mit sich.

Über das ganze Ausmaß und die Beweggründe weiß man noch nicht alles. Unbekannt ist auch, ob andere Autohersteller in ähnlicher Weise tricksen. Es stellt sich die Frage, warum einer der größten und am besten aufgestellten Automobilkonzerne der Welt ein Risiko von solchem Ausmaß einging. Als Antwort lässt sich vorläufig auf den brutalen Wettbewerb im Automobilgeschäft – angeheizt durch die schleppende Weltkonjunktur –, auf den konzerninternen Gewinn- und Kostendruck und das nicht recht in Gang kommende Geschäft in den USA hinweisen. Das sind alles keine VW-Spezifika.

Staatliches Versagen

Der Manipulationsskandal ist auch ein Ergebnis staatlichen Versagens. Seit Jahren ist allseits bekannt, dass die bei den genormten Testverfahren ermittelten Verbrauchs- und Emissionswerte nichts mit denen im realen Alltag der Autofahrer zu tun haben. Daher müssen nun unangekündigte und praxisnahe Testzyklen eingeführt werden.

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die Schäden für Umwelt und Klima durch den motorisierten Verkehr müssen gemindert werden. Alle Beteuerungen der Autolobby, wie sehr Verbrauch und Schadstoffe seit Einführung der Euro-Abgasnormen durch technologische Entwicklungen gesenkt werden konnten, überzeugen nicht, denn die Verbesserungen pro Auto verflüchtigen sich in der Summe, weil die Gesamtzahl der Pkw und Lkw enorm gestiegenen ist und weiter steigt. Das durchschnittliche Fahrzeug muss leichter, leiser, verbrauchsärmer und am besten auch kleiner werden. Die alternativen Antriebe müssen mit Nachdruck vorangetrieben werden. Darüber hinaus muss das gesamte Verkehrssystem qualitativ weiterentwickelt und die unterschiedlichen Verkehrsmittel zusammengeführt werden, denn schon jetzt droht auf der Straße der Verkehrskollaps.

An der Lösung der Probleme muss real gearbeitet werden, und zwar zusammen, über Landes- und Konzerngrenzen hinweg, mit ausreichend Investitionsmitteln und unter staatlicher Begleitung.

Vielleicht ist der Abgasskandal ein heilsamer Schock.
Quellen
    • Text: Kristian Glaser (Kb)
    • Foto: Bogdan Mihai - Fotolia.com