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LG Köln entscheidet zu erforderlichen Sachverständigenkosten nach Unfall
LG Köln Berufungsurteil vom 8.9.2015 – 11 S 302/14 –

RFWW

Am 30.8.2013 ereignete sich in Köln ein Verkehrsunfall zwischen der geschädigten Kfz-Eigentümerin und einem Versicherungsnehmer der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung, bei dem der Pkw der Geschädigten beschädigt wurde.
Die Haftung für die Unfallschäden der Geschädigten ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Die nicht vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte beauftragte den Sachverständigen F. mit der Erstellung eines Schadensgutachtens und trat ihre Schadensersatzansprüche auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen F. erfüllungshalber ab.

Das Gutachten des Sachverständigen vom 13.9.2013 ergab für das Fahrzeug der Geschädigten Netto-Reparaturkosten in Höhe von 2.903,29 € und eine Wertminderung von 800,00 €. Die Honorarrechnungdes Sachverständigen belief sich auf einen Betrag von 859,78 €. Der Sachverständige trat den an ihn abgetretenen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten seinerseits an die später klagende Factoring Firma ab. Die Abtretung wurde der Beklagten angezeigt; diese zahlte lediglich einen Betrag von 749,11 € an die Klägerin. Der Restbetrag ist Gegenstand des Rechtsstreites vor dem AG Köln. Mit Urteil vom 5.6.2014 – 263 C 229/13 – wurde die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 49,51 € nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Fas Gericht ließ jedoch die Berufung zu. Die Klägerin legte Berufung und die Beklagte Anschlussberufung ein. Die Berufung war erfolgreich. Die Berufungskammer des LG Köln änderte das amtsgerichtliche Urteil ab und verurteilte zur Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten. Die Anschlussberufung wurde zurückgewiesen.

Die Berufung ist begründet. Die Anschlussberufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hätte der Klage in vollem Umfang stattgeben müssen, denn der Klägerin steht ein Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe der eingeklagten 110,67 € gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249, 398 BGB zu.

Die Kosten der Schadensfeststellung – also auch die Sachverständigenkosten – sind Teil des nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzenden Schadens, soweit sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei, er kann jedoch vom Schädiger als erforderlichen Wiederherstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Dabei ist er gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dabei darf jedoch das Grundanliegen des § 249 II 1BGB nicht aus den Augen verloren werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (vgl. BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90 = DAR 2014, 194 = MDR 2014, 401).

Zum Zwecke der Erstellung eines Schadengutachtens darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm bei seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Kfz-Sachverständigen zu beauftragen. Er muss keine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe in der Regel durch die Vorlage der Rechnung des in Anspruch genommen Sachverständigen. Deren Höhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des nach § 249 II 1 BGB erforderlichen Betrages, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (vgl. BGH a.a.O.). Dem Schädiger obliegt es dann, Umstände vorzutragen, aus welchen sich ergibt, dass der vom Geschädigten ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, welche die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen und dies für den Geschädigten auch erkennbar war. Weiter hat der Schädiger die Möglichkeit, darzulegen und zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung gem. § 254 II 1 Fall 2 BGB verstoßen hat.

Ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar kann grundsätzlich als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 IIBGB erstattet verlangt werden (vgl. BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144). Erforderlich im Sinne des § 249 II BGB ist nicht nur das, was ortsüblich ist. Sogar wenn das Honorar des Sachverständigen objektiv überhöht ist, ist es bei der gebotenen subjektiven Schadensbetrachtung regelmäßig als der erforderliche" Aufwand anzuerkennen, es sei denn den Geschädigten trifft ein Auswahlverschulden oder die Überhöhung ist derart evident, dass eine Beanstandung von ihm verlangt werden muss. Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, vor der Auftragserteilung Preisvergleiche anzustellen (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 16.6. 2008 – I-1 U 246/07 - ). Es kommt also entscheidend darauf an, ob das Honorar erheblich über den Preisen in der Branche lag und der Geschädigte dies auch erkennen konnte.

Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen bei der Beurteilung der Erforderlichkeit eine maßgebende Rolle (BGHa.a.O.). Der Geschädigte muss hierfür weder nach einem Sachverständigen mit günstigen Preisen recherchieren, noch muss er die Tabellensätze der BVSK-Honorarumfrage kennen (vgl. LG Stuttgart Urt. v. 16.7.2014 – 13 S 54/14 -). Es gelten auch keine anderen Anforderungen für den Fall, dass nicht der Geschädigte selber klagt, sondern der Sachverständige nach entsprechender Abtretung des Anspruchs durch den Geschädigten oder – wie hier – eine Factoring Firma nach weiterer Abtretung durch den Sachverständigen. Denn die Abtretung ändert an der Rechtsnatur des Anspruchs und dessen Voraussetzungen nichts, sondern beinhaltet lediglich einen Wechsel der Gläubigerstellung (so auch LG Stuttgart a.a.O.). Diese Ansicht wird auch dadurch bestätigt, dass der BGH in seinem Urteil vom 22.7.2014 –VI ZR 357/13 -bei dem es um an den Sachverständigen abgetretene Ansprüche ging, denselben Maßstab angelegt hat, welchen er für den originären Anspruch des Geschädigten in seinem Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (=BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90) entwickelt hat (so auch: LG Fulda, Urt.v. 24.4.2015 – 1 S 168/14 - ).

Der BGH hat in dieser Entscheidung lediglich konkreter zu der Frage der Indizwirkungder Rechnung ausgeführt. Danach genügt der Geschädigte seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast regelmäßig durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe infrage zu stellen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zu Grunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen - ex ante zu bemessenden - Betrages im Sinne des § 249 II 1BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Indes ist der vom Geschädigten aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch.

Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH a.a.O.). Hinsichtlich der Frage der Erkennbarkeit ist auf den Gesamtbetrag der Rechnung abzustellen und nicht auf einzelne Nebenkostenpositionen(vgl. dazu OLG München, Beschluss vom 12.3.2015 – 10 U 579/15 – die Unfallzeitung hatte über diesen zutreffenden Beschluss berichtet]). Nach den vorgenannten Grundsätzen hat die Klägerin durch Vorlage der Rechnung grundsätzlich die Notwendigkeit der dem Geschädigten angefallenen Kosten hinreichend dargelegt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die abgerechneten Kosten die branchenüblich im Bezirk des Sachverständigen abgerechneten Kosten erheblich und für den Geschädigten erkennbar übersteigen, hat die Beklagtenseite weder erst- noch zweitinstanzlich aufgezeigt. Damit hätte das angefochtene Urteil voll zusprechen müssen.

Fazit und Praxishinweis: Dieses Urteil der Berufungskammer des LG Köln ist ein gutes Beispiel dafür, wenn die BGH-Rechtsprechung konsequent umgesetzt wird. Zum einen hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass sich mit der Abtretung des Schadensersatzanspruchs dieser nicht verändert. Zum anderen hat das Berufungsurteil deutlich gemacht, dass die berechneten Sachverständigenkosten grundsätzlich zu erstattender Wiederherstellungsaufwand sind, wenn die Begutachtung zweckmäßig erscheint. Dabei kommt es auf die Ex-ante-Betrachtung des Geschädigten an. Der Geschädigte muss nicht die Werte der BVSK-Honorarbefragung kennen. Bei der Überprüfung des erforderlichen Herstellungsaufwandes und der damit vorzunehmenden Schadensschätzung kommt es nur auf den Gesamtbetrag, nicht auf einzelne Rechnungspositionen an, denn die Schätzung des Schadens ist eine Schadenshöhenschätzung.
Quellen
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