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Der Kläger macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich im April 2011 auf der Landstraße bei O. ereignete.
An dem Unfalltag befuhr der Kläger mit seinem Motorrad gemeinsam mit seinem Bruder, seinem Schwager sowie dem Beklagten zu 1. Die Landstraße. Das Motorrad des Beklagten zu 1. istbei der Beklagten zu 2. Haftpflichtversichert. Der Zeuge A, der mit seinem Motorrad als erster in der Motorradgruppe fuhr, kollidierte in einer Kurve mit dem ihm entgegenkommenden Pkw der Zeugin B. Der Kläger fuhr dahinterund stürzte mit seinem Motorrad. Als dritter fuhr der Beklagte zu 1., der ebenfalls stürzte. Als letzter fuhr der Zeuge C, der zwischen den rutschenden und liegenden Motorrädern hindurchfahren konnte.

Der Kläger erlitt erhebliche Verletzungen und sein Kraftrad wurde vollständig beschädigt. Das Landgericht Darmstadt hat eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt und letztlich durch Urteil vom 16.1.2014 – 2 O 541/11 – die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung, die jedoch ohne Erfolg blieb.

Die Berufung ist unbegründet. Der erkennende Zivilsenat des OLG Frankfurt ist an die erstinstanzlichen Feststellungen gebunden. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen. Fahren nämlich mehrere Motorradfahrer einvernehmlich auf der Landstraße in wechselnder Reihenfolge als Gruppe ohne Einhaltung des Sicherheitsabstandes, führt dies zu einem Haftungsausschluss im Hinblick auf diesen Umstand. Kollidiert dabei der dritte Fahrer mit dem zweiten, nachdem der erste einen Unfall verursacht hat,wobei beide nicht mehr rechtzeitig bremsen können, hat der zweite Motorradfahrer gegen den dritten keine Ansprüche aus der Haftung gemäß der §§ 7, 17 StVG. Ausweislich der Beweisaufnahme ergibt sich nämlich, dass die vier Motorradfahrer in einer Gruppe gefahren sind.

Es hat in der Gruppe keine feste Reihenfolge gegeben. Die Motorradfahrer haben auch einvernehmlich den Sicherheitsabstand nicht eingehalten. Angesichts dieser Situation geht der erkennende Senat davon aus, dass alle Beteiligten in der Gruppe einvernehmlich ein besonderes Risiko eingegangen sind, um das entsprechende Gruppenfahrgefühl zu erreichen. Sämtliche Gruppenmitglieder nahmen daher billigend in Kauf, dass entweder sie selbst oder der dahinterfahrende Motorradfahrer de Gruppe ei einer Unfallsituation nicht ausreichend bremsen konnte. Damit haben sie auch billigend in Kauf genommen, dass andere Gruppenmitglieder zu Schädigungen kommen können. Der BGH hat bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotenzial, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Regeln oder geringfügigen Regelverstößen die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht, die Inanspruchnahme des Schädigers für solche Schäden eines Mitbewerbers ausgeschlossen, die er ohne gewichtige Regelverletzung im Sinne grober Fahrlässigkeit verursacht (BGH NJW 2003, 2018; BGH NJW 2008, 1591; BGH DAR 2009, 326; OLG Stuttgart OLGR 2009, 1).

Aus diesen Grundsätzen ist zu folgern, dass das Verbot des venire contra factum proprium des § 242 BGB es nicht zulässt, dass der Geschädigte einen Schädiger in Anspruch nimmt, wenn er bei getauschten Positionen ebenso gut in die Lage hätte kommen können, in der sich nun der Beklagte befindet (vgl. BGHZ 63, 140; OLG Brandenburg Urt. v. 28.6.2007 – 12 U 209/06 – zu im Pulk fahrenden Motorradfahrern). Wird die allgemeine Gefahr, die mit der gemeinsamen Betätigung verbunden ist, von den Beteiligten bewusst auf sich genommen und kann zusätzlich dem einen kein größerer Vorwurf gemacht werden als dem anderen, so besteht keine Veranlassung, den einen mit höheren Haftungsrisiken zu belasten als den anderen. Im vorliegenden Fall was nach Ansicht des Zivilsenates das verabredungsgemäße Fahren mit den Motorrädern im Pulk deshalb besonders gefahrenträchtig, weil damit notwendig und für die beteiligten Motorradfahrer erkennbar der weitergehende Verzicht auf die von der StVO vorgeschriebenen Sicherheitsabstände zum Vorder- und Hintermann einherging. Das bedeutet gleichzeitig die Inkaufnahme erhöhter Sturzrisiken. Eine grobe Fahrlässigkeit des Beklagten zu 1. lag nicht vor.

Fazit und Praxishinweis: Fahren mehrere Motorradfahrer einvernehmlich auf der Straße außerhalb geschlossener Ortschaften in wechselnder Reihenfolge als Gruppe ohne Einhaltung des Sicherheitsabstandes, führt dies zu einem Haftungsausschluss. Kollidiert ein Motorradfahrer mit einem anderen aus dem Pulk, weil dieser abbremsen musste, weil vorher bereits ein Unfall sich ereignet hatte, so ergeben sich wegen des einvernehmlichen Verzichtes auf den Sicherheitsabstand keine Ansprüche aus der Gefährdungshaftung gemäß der §7, 17 StVG.
Quellen
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