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Kein generelles Führerscheinverbot im Alter oder bei Krankheit
Wenn es zum Auto keine Alternative gibt / Keine vorschnellen Schlüsse bei schwerer Krankheit

RobGal

Es ist ein schwieriges Thema, wenn festgestellt oder vermutet wird, dass jemand sich nicht fürs Autofahren eignet, weil er geistig oder körperlich erkrankt ist und dadurch eine Gefährdung des Straßenverkehrs bestehen könnte.
"Der durchschnittliche Straßenverkehrsteilnehmer begreift seine Fahrerlaubnis", so der Bielefelder Rechtsanwalt Jürgen Peitz, "als lebenslange Gewähr für unbeschränkte und insbesondere unkontrollierte Teilhabe am motorisieren Straßenverkehr." Einer Überprüfung muss er sich nach Erhalt des Führerscheins nicht mehr stellen. Ausnahmen werden bei Berufskraftfahrern und bei der Fahrgastbeförderung gemacht, wo alle fünf Jahre die Eignung nachgewiesen werden muss.

Der Gesetzgeber verpflichtet die Pkw-Fahrer jedoch, selbst ihre Fahrsicherheit zu kontrollieren, und das "zu jedem Zeitpunkt, also vor jedem Fahrtantritt und – selbstverständlich – auch während der Fahrt", wie Peitz betont. Das sind strenge Bestimmungen, welche die Betroffenen in extrem schwierige Situationen bringen können. Vor allem auf dem platten Land, wenn soeben an den Busverbindungen "gespart" wurde und wo es schon lange weder ein Lebensmittelgeschäft noch einen Bäcker, Apotheker oder eine Reinigung gibt und sich niemand mehr an den letzten Arzt erinnern kann. Wenn es kaum oder keinen öffentlichen Personennahverkehr und auch sonst keine Alternative zum Auto gibt, geraten Betroffene schnell in Abhängigkeiten – oder in die Isolation.

"Über die Fahreignung wird immer im Einzelfall entschieden."

"Autofahren ist für viele Menschen ein wichtiges Stück ihrer Unabhängigkeit", weiß die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), vor allem auch für Menschen mit Parkinson. Die Folgen der Krankheit können das Autofahren gefährlich machen. Dr. Carsten Buhmann, ärztlicher Leiter der Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, betont aber: "Über die Fahreignung wird immer im Einzelfall entschieden. Es gibt keine allgemein gültigen Richtlinien." In seiner Forschung konnte Buhmann Ermutigendes feststellen: Parkinsonpatienten finden sich nach einer "Tiefen Hirnstimulation" (Hirnschrittmacher) besser im Fahrsimulator zurecht als vorher.

Bei Parkinson sterben im Gehirn langsam die Nervenzellen ab, was zu einem Mangel an Botenstoffen führt und unterschiedliche körperliche (Zittern) und psychische (Aufmerksamkeitsstörungen) Folgen haben kann. "Schon eines dieser Symptome reicht, um seine Fahreignung zu verlieren", sagt Buhmann. Zudem können auch Medikamente gegen die Krankheit die Fahrfähigkeit in Frage stellen, weil sie müde machen oder aggressives Verhalten fördern.

Da es keine standardisierten Tests mit zuverlässigen Aussagen über die Fahrtüchtigkeit bei Parkinson gibt, ist die Feststellung der Fahreignung nicht so einfach. "Wer beispielsweise morgens seine Medikamente einnimmt und danach kurz müde wird, kann abends durchaus fahrtauglich sein, weil die Nebenwirkungen nach einigen Stunden abnehmen", betont der Mediziner.

Über 80 Prozent der Parkinsonpatienten verfügen laut einer Studie aus dem Jahr 2005 über einen Führerschein, davon sind aber nur 60 Prozent aktive Autofahrer. Sie fahren generell unsicherer. Bei einer Befragung von 3.000 Parkinsonpatienten hatten 15 Prozent in den vergangenen fünf Jahren einen Unfall, elf Prozent waren am Crash schuld. Umso mehr sollte man sich vor vorschnellen Schlüssen hüten. Buhlmann und sein Hamburger Team fanden nämlich heraus, dass Patienten mit einem Hirnschrittmacher sicherer Auto fahren und weniger Fehler machen. Die Betroffenen waren zwar langsamer und vorsichtiger unterwegs, aber ähnlich sicher wie die Allgemeinheit der Autofahrer. "Die Aussicht auf ein besseres Autofahren ist allerdings keine Indikation für die Implantation eines Hirnschrittmachers", betont Dr. Buhmann. Bei der Operation werden Elektroden in das Gehirn eingeführt, weshalb der Eingriff kompliziert und aufwendig ist. 360 Parkinsonpatienten haben sich in der Hamburger Universitätsklinik einen Hirnschrittmacher einsetzen lassen. Nur elf Prozent davon gaben das Autofahren auf.
Quellen
    • Text: Beate M. Glaser (Kb)
    • Foto: masterzphotofo - Fotolia.com