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Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz nach einem für den Geschädigten unverschuldeten Verkehrsunfall. Nach dem Unfall beauftragte der Geschädigte einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens.
Die für die Erstellung des Schadensgutachtens berechneten Gutachterkosten hat die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung, die Bruderhilfe in Kassel, nicht vollständig reguliert. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung kürzte die Gutachterkosten um 134,16 €. In erster Instanz wurden dem Kläger diese Kosten durch Urteil des AG München vom 14.7.2014 – 343 C 5489/14 – nicht zugesprochen. Die zugelassene Berufung bei dem LG München I hatte insofern Erfolg, als die Berufungskammer mit Beschluss vom 3.7.2015 die Parteien darauf hinwies, dass es das erstinstanzliche Urteil abändern wird und zur Zahlung der restlichen 134,16 € verurteilen wird.

Nach dem nunmehr anzuwendenden Beurteilungsmaßstab des OLG München zur Frage der Angemessenheit von Sachverständigenhonoraren kommt eine Beschränkung des Sachverständigenhonorars unter Verweis auf BVSK-Umfragen oder unter Heranziehung des JVEG unter keinem Gesichtspunkt in Betracht (vgl. Beschluss des OLG München vom 12.3.2015 – 10 U 579/15 – [die Unfallzeitung berichtete darüber]). Bei der Frage der Angemessenheit von Nebenkosten bei privaten Sachverständigen können diese Quellen daher keine Orientierungshilfe bei der Bemessung der Sachverständigenkosten mehr sein.

Angesichts der gebotenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung und wegen des Fehlens von Sachverständigenkostenordnungen wird in der Regel die von dem Geschädigten vorgelegte Rechnung des Sachverständigen zu erstatten sein. Selbst einzelne überhöht erscheinende Nebenkosten sind dann nicht zu beanstanden, wenn kein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Gesamtpreis des Sachverständigen und seiner Leistung besteht. Eine Kürzung zu Lasten des Geschädigten scheidet aus, wenn der Gesamtbetrag die in der Branche üblichen Gesamthonorare nicht deutlich übersteigt. Zudem kann die Erstattungsfähigkeit nur dann verneint werden, wenn selbst für einen Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt. Nach diesem Maßstab können die von dem Erstgericht vorgenommenen Kürzungen bei den Sachverständigenkosten nach Ansicht der Kammer daher keinen Bestand haben.

Fazit und Praxishinweis: Mit diesem Hinweisbeschluss hat die Berufungskammer des LG München I das umgesetzt, was das OLG München mit seinem Beschluss vom 12.3.2015 – 10 U 579/15 -, über den die Unfallzeitung auch bereits berichtet hatte, zu Recht entschieden hatte. Der BGH hatte in seinem Grundsatzurteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 -, auch darüber berichtete die Unfallzeitung, bereits entschieden, dass der Geschädigte weder den BVSK noch dessen Honorarumfrage kennen muss. Wenn aber der Geschädigte BVSK nicht kennen muss, dann kann auch nicht in einer Ex-post-Betrachtung des Gerichts eine Überprüfung der Sachverständigenkosten an Hand der BVSK-Honorarumfrage erfolgen. Mit dem weiteren Grundsatzurteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 mit zutreffender Anmerkung Wortmann) hat der BGH bereits entschieden, dass die Grundsätze des JVEG auf Privatgutachter nicht anwendbar ist. Daher können – und insofern ist dem LG München I zuzustimmen – die Sachverständigenkosten weder am JVEG noch an der BVSK-Honorarumfrage oder anderen Tabellen, wie dem Honorartableau der HUK-COBURG, gemessen werden.

Es kommt einzig und allein auf die Ex-ante-Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen an. Der Geschädigte hat auch keine Vergleichspflicht. Er hat auch keine Markterforschungspflicht. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, so ist weder der Schädiger noch das Gericht zu einer Preiskontrolle berechtigt (BGH DS 2007, 144). Mithin ist regelmäßig der Schädiger zur Erstattung der berechneten Sachverständigenkosten, auch wenn er eine Überhöhung behauptet, verpflichtet. Dabei ist er aber nicht rechtlos, denn er kann sich den Bereicherungsanspruch abtreten lassen und im Wege des Vorteilsausgleichs gegen den Sachverständigen wegen der behaupteten Überhöhung der Kosten vorgehen (vgl. Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff.).
Quellen
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