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Am 14.4.2014 gegen 10.40 Uhr ereignete sich auf der Kohlenhofstraße in Nürnberg zu einem Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug des späteren Klägers beschädigt wurde. Im Bereich der Gabelung der Kohlenhofstraße kam es zur Kollision der Fahrzeuge.
Die Kohlenhofstraße gabelt sich in 2 Linksabbiegespuren, eine Geradeaus und Linksabbiegespur und eine Rechtsabbiegespur. Der Unfall ereignete sich auf der kombinierten Geradeaus und Linksabbiegespur. Im Fahrzeug des Klägers befand sich eine Dashcam, die das Verkehrsgeschehen und damit auch den Unfall aufnahm.

Der Kläger macht Reparaturkosten in Höhe von 2.132,01 €, Gutachterkosten in Höhe von 411,53 € und eine Unkostenpauschale von 25,-- € geltend. Hierauf zahlte der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners den Betrag von 1.013,56 €. Der Kläger macht unter anderem den Differenzbetrag geltend. Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf restlichen Schadensersatz gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823, 249 BGB und im Hinblick auf die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung in Verbindung mit §§ 115 VVG, 1 PflVG zu. Das Gericht hat die Dashcam-Aufnahmen zu Beweiszwecken zugelassen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der beklage Fahrerden Unfall verursacht hat und die Beklagten für die Schäden am klägerischen Fahrzeug zu 100 % haften. Dieses Ergebnis steht fest aufgrund der informatorischen Angaben des Klägers, den Angaben einer Zeugin, der Videoaufzeichnung und den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen.

Anhand der Videoaufzeichnung aus dem Fahrzeug des Klägers ist zu erkennen, dass der Sachvortrag der Beklagten nicht richtig war. Nach Auffassung des Gerichts durfte die vom Kläger mit der Dash-Cam gefertigte Aufzeichnung als Beweis im Verfahren verwertet werden. Zwar hatte sich das Gericht in der Verfügung vom 12.02.2015 noch dahingehend geäußert, dass es sich der Rechtsauffassung des AG München (Beschluss vom 13.8.2014 - 345 C 5551/14 -) und von einem Beweisverwertungsverbot bzgl. der Videoaufzeichnung ausgeht. Es steht dem Gericht jedoch zu, in dieser höchst strittigen Rechtsfrage, zu der bisher höchstrichterliche Rechtsprechung nicht existiert, seine geäußerte Auffassung zu überdenken und nach erneuter Prüfung zu einer anderen Rechtsauffassung zu gelangen. Insoweit teilt das Gericht nunmehr die von Greger in NZV 2015, 114 ff geäußerte Rechtsauffassung, dass private Videoaufzeichnungen von Verkehrsvorgängen als Beweis verwertbar sein können.

Auf die geänderte Rechtsaufassung hat das Gericht im Termin vom 7.4.2015 hingewiesen. Die Frage, ob sog. Dash-Cam-Videos in einem Zivilgerichtsverfahren nach einem Verkehrsunfall ausgewertet werden dürfen, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Zum Teil wird von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen, weil die Verwendung solcher Kameras gegen § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG verstößt, vgl. AG München, Beschluss vom 13.8.2014 - 345 C 5551/14 -;LG Heilbronn, Urteil vom 3.2.2015 -3 S 19/14 -. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob diese Vorschrift die in oder an Fahrzeugen mitgeführten Kameras überhaupt erfasst. § 6 b BDSG regelt die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Aus dem Wortlaut des § 6 b Abs. 2 BDSG, wonach der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen sind, ergibt sich, dass diese Vorschrift ersichtlich auf die Überwachung öffentlicher Flächen durch stationäre Anlagen abgestellt ist, nicht hingegen jedoch auf Aufzeichnungen aus einem fahrenden Fahrzeug heraus, bei denen die Öffentlichkeit schwerlich auf die Beobachtung hingewiesen werden kann. Selbst wenn man eine Verstoß gegen § 6 b BDSG annehmen würde, führt dies noch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 30. A., § 286 Rn. 15 b.).

Ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot in Zivilverfahren regelt das BDSG gerade nicht. Auch der Eingriff des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des beklagten Fahrers begründet allein jedoch noch nicht das Beweisverwertungsverbot. Vielmehr ist im Rahmen einer umfassenden Güte- und Interessensabwägung zu ermitteln, ob der Eingriff vom Betroffenen hingenommen werden muss. Ist ein starker Eingriff nicht zu bejahen, kann das Interesse des Aufzeichnenden überwiegen, vgl. MüKo, ZPO, 4.A., § 284 Rn. 70. Dementsprechend wurden z.B. ohne Wissen der Betroffenen angefertigt Videoaufnahmen bei einer Körperverletzung zur Aufklärung und Beweissicherung ohne Weiteres imRahmen einer Güterabwägung für verwertbar gehalten (siehe: OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 241).

Gleiches muss bei der Aufklärung eines Verkehrsunfalls mit einem entsprechenden Personenschaden gelten. Jedoch auch bei einem Unfall mit einem reinen Sachschaden kann das Aufklärungsinteresse des Geschädigten das Persönlichkeitsrecht gefilmter Personen überwiegen, das im Bereich der Öffentlichkeit ohnehin nur marginal tangiert ist, wenn lediglich situationsbezogene Aufnahmen vorliegen (so: Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622, 1624). Das Verwertungsinteresse des Klägers ist im vorliegenden Fall erheblich. Die Videoaufzeichnung dient aber auch dazu, dem Gericht eine materiell richtige, mit dem wirklichen Sachverhalt übereinstimmende Entscheidung zu ermöglichen(Greger, aaO, S. 115). Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind auch im Zivilprozess, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses gestritten wird, die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls.

Um die Wahrheit zu ermitteln, seien die Gerichte deshalb grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen, wenn und soweit eine Tatsachenbehauptung erheblich und beweisbedürftig ist. Dies gebiete auch der in § 286 ZPO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie das grundrechtsähnliche Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG, BVerfG, NJW 2002, S. 3619, 3624. Nur mit der Videoaufzeichnung konnte der Kläger den – unrichtigen - Sachvortrag der Beklagten widerlegen. Nur die Verwertung der Videoaufzeichnung führt hier zu einem materiell richtigen Ergebnis. Das Interesse des beklagten Fahrersnicht eines Verkehrsverstoßes überführt zu werden, ist hingegen kein schützenswertes Interesse. Dagegen wiegt das Interesse des Klägers an der vollständigen Unfallaufklärung schwerer (so auch AG München Urteil vom 6.6.2013 - 343 C 4445/13 -).

Insgesamt ergab sich daher, dass der beklagte Fahrer den Unfall durch seinen unvorsichtigen Spurwechsel verursacht hat. Ein Spurwechsel des Klägers lag nicht vor. Der Kläger kann daher vollen Ersatz seines Unfallschadens beanspruchen. Es ergibt sich folgende Schadensberechnung: Der Gesamtschaden des Klägers beträgt 2.568,54 €. Darauf hat die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung 1.013,56 € gezahlt, so dass noch ein Restbetrag zu zahlen ist, zu dem die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen sind. Als Schadensersatzposition besteht ein Freistellungsanspruch gegenüber den Beklagten, der sich durch die Zahlungsverweigerung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat (vgl. BGH NJW 2004, 1868).

Fazit und Praxishinweis: Merkwürdig ist schon das Verhalten der Versicherer, wenn es um die Verwertung der Dash-Cam-Aufnahmen geht. Im Falle des AG Köln (Urteil vom 1.9.2014 – 273 C 162/13 - ) konnte mit Hilfe der Videoaufnahmen das fehlerhafte Fahrverhalten der Klägerin nachgewiesen werden und die Klage gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung daher abgewiesen werden. Im Falle des AG Nürnberg wehrte sich die mitbeklagte Kfz-Haftpflichtversicherung gegen die Verwertung der Dashcam-Aufnahmen. Grundsätzlich sollten zu Beweiszwecken, wenn dem Geschädigten sonst keine Beweismittel zur Verfügung stehen, derartige Aufzeichnungen verwertbar sein. Damit wird auch der Beweislastsituation des Geschädigten Genüge getan.
Quellen
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