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Am 20.1.2009 beschädigte ein Lkw-Schwertransporter der beklagten Firma mit seinem Auflieger im Straßentunnel in T. in Westfalen die Lärmschutzverkleidung an der Decke auf einer Länge von ca. 75 Metern. Die beschädigte Verkleidung war im Jahre 1997 fertig gestellt worden.
Die Reparatur dauerte rund 2 Monate und kostete inklusive der Ingenieurleistungen 225.026,68 €. Das Land Nordrhein-Westfalen forderte von der beklagten Firma und von der hinter der Firma stehenden Kfz-Haftpflichtversicherung diesen Betrag. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung, deren Haftung dem Grunde nach unstreitig ist,zahlte lediglich 177.171,26 €. Sie machte einen Abzug von 47.855,42 € wegen des anzurechnenden Vorteils Neu für alt.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Differenzbetrag gerichtlich geltend gemacht. Das Landgericht Siegen hat mit Urteil vom 3.9.2014 – 5 O 46712 – der Klage stattgegeben und zur Zahlung des Differenzbetrages zuzüglich beantragter 8 % Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten war nur insoweit erfolgreich, dass der Zinssatz auf die üblichen 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz reduziert wurde.

Die Berufung hat in der Sache lediglich insoweit Erfolg, als dass das Urteil des LG Siegen erhöhte Zinsen zugesprochen hatte. Das klagende Land Nordrhein-Westfalen kann nur Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beanspruchen. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagten zum Ersatz des weiteren Schadens in Höhe von 47.855,42 € verurteilt. Der Fahrer des Schwertransporters haftet aus § 831 BGB. Die Fahrzeughalterin haftet aus den §§ 7 I StVG, 1 II StVO, 249 BGB und die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung haftet aus den §§ 115 VVG, 1 PflVG. Allesamt haften als Gesamtschuldner . Streitig ist zwischen den Parteien lediglich, ob das klagende Land Nordrhein-Westfalen den Geldbetrag gemäß § 249 BGB in voller Höhe beanspruchen kann oder ob es sich wegen der teilweisen Erneuerung der Schallschutzverkleidung im Straßentunnel einen Abzug Neu für alt gefallen lassen muss.

Nach herrschender Rechtsprechung und Literatur muss sich ein Geschädigter, der im Wege der Naturalrestitution für eine beschädigte alte, gebrauchte Sache eine neuwertige Sache oder den dafür erforderlichen Geldbetrag erhält, nicht in jedem Fall einen Vorteil anrechnen lassen. Der Grundsatz, dass ein durch die Schädigungshandlung adäquat kausal verursachter Vorteil auszugleichen ist, gilt nicht ausnahmslos. Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Vorteilsanrechnung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzverpflichtung entspricht.Insoweit ist eine Gesamtschau der Interessenlage vorzunehmen. Denn einerseits soll der Schadensersatz grundsätzlich nicht zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Geschädigten führen, andererseits soll der Schädiger aber nicht unbillig begünstigt werden (BGH Urt. v. 24.3.1959 – VI ZR 90/58 – Rz. 9).

Nach dieser grundlegenden Entscheidung des BGH setzt die Vornahme des Abzugs Neu für alt dreierlei voraus: Es muss bei dem Geschädigten eine messbare Vermögensvermehrung eintreten, die sich für ihn wirtschaftlich günstig auswirkt, die Anrechnung des Vorteils muss dem Sinn und Zweck des Schadensersatzrechts entsprechen und die Ausgleichung des Vorteils muss dem Geschädigten zumutbar sein und darf den Schädiger nicht unbillig entlasten (BGH Urt. v. 19.6.2008 – VII ZR 215/06 – Rn. 7; BGH Urt. v. 13.7.1981 – II ZR 91/80 – Rn. 10; Palandt-Grüneberg BGB, 74. Aufl. 2015 Vorb. V. § 249 Rn. 99 m.w.N.), wobei die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen der Schädiger trägt. Ausgehend von diesen Grundsätzen muss sich das klagende Land vorliegend für den teilweisen Austausch der Lärmschutzelemente keinen Vorteil Neu für alt anrechnen lassen, weil die Frage, ob und in welcher Höhe sich der teilweise Austausch der Lärmschutzelemente für das klagende Land in Zukunft tatsächlich wirtschaftlich günstig auswirken wird, mit dermaßen vielen Unwägbarkeiten verbunden ist, dass sich schon ein messbarerVermögensvorteil des klagenden Landes nicht sicher feststellen lässt.

Selbst wenn man einen solchen aber noch bejahen würde, wäre dessen Ausgleich dem klagenden Land jedenfalls nicht zumutbar. Die Elemente besitzen nur eine begrenzte Lebensdauer. Die Schallschutzeigenschaften gehen im Laufe der Zeit durch die im Verkehr auftretenden Feinstäube verloren. Insoweit kann grundsätzlich von einer Lebensdauer von 50 Jahren ausgegangen werden. Aber es ist nicht auszuschließen, dass auch schon früher die Elemente ausgetauscht werden müssen. Dies kann sein, weil neue Sicherheitsaspekte greifen oder weil die Immissionswerte sich ändern und Anwohner verbesserte Lärmschutzvorrichtungen fordern können. Dann sind nicht nur die verbliebenen Elemente, sondern auch die neu eingesetzten insgesamt auszutauschen.

Eine Sanierung macht dann nur insgesamt Sinn. Doch auch wenn ein solchervollständiger Austausch der Elemente nicht erforderlich werden sollte, so lässt sich heute nicht mit hinreichender Sicherheit sagen, ob für das klagende Land zukünftig – etwa unter Berücksichtigung der 50-jährigen Lebensdauer – im Jahr 2047 noch vergleichbare Schallschutzelemente erhältlich sind, die sich mit den jetzt ausgetauschten Elementen kombinieren lassen. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Unwägbarkeiten lässt sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts für das klagende Land eine messbare und sich wirtschaftlich günstig auswirkende Vermögensvermehrung nicht feststellen. Jedenfalls ist nach Ansicht des Gerichts eine Anrechnung eines Abzugs Neu für alt nicht vorzunehmen. Für die Voraussetzungen des Vorteilsausgleichs ist im Übrigen der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig.

Fazit und Praxishinweis: Wie bei jeder beschädigten Sache, so ist grundsätzlich auch bei Beschädigung von Tunneln ein Vorteilsausgleich vorzunehmen, wenn statt der beschädigten alten Gegenstände neue eingesetzt werden. Denn der Geschädigte soll durch den eingetretenen Schaden keinen Vermögensvorteil erleiden, andererseits soll der Schädiger aber nicht unbillig belastet werden. Daher ist der Interessenausgleich regelmäßig dadurch vorzunehmen, dass der Vorteil des Neu für alt durch entsprechende geringere Schadensersatzleistung ausgeglichen wird. Das ist allerdings bei beschädigten Schallschutzelementen in Straßentunneln nicht unbedingt der Fall. Denn nach Ansicht des OLG Hamm tritt durch den Einbau neuer Schallschutzelemente zumindest kein messbarer Vorteil ein, der durch den Vorteilsausgleich neu für alt auszugleichen ist.
Quellen
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