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Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ließ der Geschädigte durch einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen ein Schadensgutachten erstellen. Aufgrund dieses Gutachtens ließ die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung ein Gegengutachten erstellen.
In dem Gegengutachten wurde ein anderer Reparaturweg angegeben. Der Geschädigte beauftragte daraufhin noch einmal den Schadensgutachter, zu dem Gegengutachten eine sachverständige Stellungnahme abzugeben. Dafür berechnete er 250,-- €. Diese Kosten ist die eintrittspflichtige Kfz-Versicherung nicht bereit zu erstatten. Sie meint, sie hätte den Gutachter nicht beauftragt. Die Klage auf Zahlung vor dem Amtsgericht Hamburg-St. Georg hatte Erfolg.

Der Kläger hat gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 250,00 €. Die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Bei den Kosten für die Erstellung der gutachterlichen Stellungnahme handelt es sich um schadensrechtlich erforderliche Kosten. Der Umstand, dass die Beklagte den Sachverständigen nicht beauftragt hat, steht dem Anspruch nicht entgegen. Der Schädiger hat die Kosten eines von dem Geschädigten zur Schadensfeststellung eingeholten Sachverständigengutachtens zu ersetzen, soweit dieses aus Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (vgl. nur BGH, Urt. v. 30.11.2004 – VI ZR 365/03 - = BGHNJW 2005, 356 f.). Da die Begutachtung in der Regel Voraussetzung für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.1988 – X ZR 112/87- = BGH NJW 1989, 953, 956), hat der Schädiger die Kosten für ein von dem Geschädigten in Auftrag gegebenes Schadensgutachten regelmäßig zu erstatten und zwar selbst dann, wenn der Schädiger selbst einen Gutachter beauftragt hat.

Ob der Schädiger auch verpflichtet ist, die Kosten eines von dem Geschädigten in Auftrag gegebenen Ergänzungs- oder Nachtragsgutachtens zu tragen, insbesondere wenn der Schädiger ein Gegengutachten in Auftrag gegeben hat, das den Feststellungen des von dem Geschädigten beauftragten Gutachter widerspricht, hängt nach dem Gesagten davon ab, ob der Geschädigte die Beauftragung seines Gutachters mit der Erstellung eines Ergänzungs- oder Nachtragsgutachtens im Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für erforderlich halten durfte. Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilen (MüKo-BGB/Oetker, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 401).

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts kann die Einholung eines Ergänzungsgutachten durch den Geschädigten aufgrund eines von dem Schädiger eingeholten Gegengutachtens dann als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich angesehen werden, wenn der Inhalt des Gegengutachtens aufgrund technischer Einwendungen gegen das Schadensgutachten eine inhaltliche Auseinandersetzung durch einen technischen Sachverständigen erfordert (vgl. hierzu OLG Koblenz, Beschl. v. 22.11.1991 -14 W 623/91, ZfS 1992, 279). Dies ist etwa der Fall, wenn in dem Gegengutachten abweichende Reparaturkosten in Ansatz gebracht werden, weil ein anderer Reparaturweg oder eine weniger material- und /oder kostenaufwendige Reparaturart für ausreichend angesehen wird, die der Gutachter des Geschädigten in seinem Schadensgutachten nicht berücksichtigt hat. Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. In dem Gegengutachten, das die eintrittspflichtige Kfz-Versicherung vorgelegt hat, wurde ein anderer Reparaturweg mit dem sog. Instandsetzungssystem "Miracle" aufgezeigt.

Der Geschädigte als Laie istnicht in der Lage sich inhaltlich mit diesen technischen Ausführungen auseinanderzusetzen. Der Geschädigte konnte mithin nicht beurteilen, ob und wie sich dieses Instandsetzungssystem auf die Reparaturkosten auswirkt. Er war daher berechtigt, zu Lasten der Beklagten die sachverständige Stellungnahme in Auftrag zu geben. Die Kosten für die ergänzende Stellungnahme sind auch nicht bereits von dem ursprünglichen Gutachten umfasst. Die ursprüngliche Gutachtenerstellung war abgeschlossen. Die Auseinandersetzung mit anderen Schadensgutachten der gegnerischen Versicherung zählt nicht mehr zum üblichen Umfang der Begutachtung. Der Geschädigte begehrte eine zusätzliche Leistung, die auch zusätzlich zu vergüten ist. Es handelte sich bei dem erneuten Tätigwerden des Sachverständigen auch nicht um eine Nachbesserung seines ursprünglichen Gutachtens.

Fazit und Praxishinweis: Wenn der eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer ein Gegengutachten zu dem vom Geschädigten eingeholten Schadensgutachten, das Grundlage der Schadensabrechnung sein soll, vorlegt, ist grundsätzlich der Geschädigte berechtigt, zu dem Gegengutachten eine kostenpflichtige sachverständige Stellungnahme einzuholen, denn der Geschädigte wird in der Regel technischer Laie sein. Bei der sachverständigen Stellungnahme handelt es sich um erforderliche Kosten der Rechtsverfolgung die schadensersatzrechtlich als erforderlich im Sinne des § 249 BGB anzusehen sind. Schon allein das Argument der Waffengleichheit gebietet es, dass der Geschädigte zu dem Gegengutachten durch einen Sachverständigen Stellung nimmt. Ebenso hat die Versicherung zu dem Schadensgutachten einen Sachverständigen beauftragt, das Gegengutachten zu erstellen. Das gleiche Recht muss auch dem Geschädigten als technischen Laien zustehen. Insoweit handelt es sich regelmäßig bei den Kosten fürStellungnahmen zu Gegengutachten um schadensersatzrechtlich erforderliche Kosten, die vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer zu erstatten sind.
Quellen
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