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Am 14.November 2013 ereignete sich in Schorndorf in Baden-Württemberg ein Verkehrsunfall, bei dem der Pkw des Geschädigten erheblich beschädigt wurde. Der Geschädigte beauftragte einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens.
Das Schadensgutachten wies voraussichtliche Reparaturkosten von 6.254,17 € netto aus. Der Wiederbeschaffungswert wurde mit 7.000,-- € angegeben. Für die Erstellung des Gutachtens berechnete der Sachverständige 956,10 € netto. Das Grundhonorar betrug 678,-- € netto. Hinzu kamen Nebenkosten in Höhe von 278,-- €. Die berechneten Fahrtkosten beliefen sich bei 50 km auf 50,-- €. Der Geschädigte hatte seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten zunächst an den Sachverständigen abgetreten, der diese am 9.9.2014 an ein Dienstleistungsunternehmen für Forderungen und Honorarabrechnungen weiter abgetreten hat.

Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung, deren einhundertprozentige Haftung unstreitig ist, hat vorprozessual einen Teilbetrag von 914,51 € bezahlt. Weitere Zahlungen verweigert sie. Das Amtsgericht Schorndorf hat mit Urteil vom 3.4.2014 – 6 C 176/14 - der Klägerin aus abgetretenem Recht 144,13 € zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung und die Beklagte Anschlussberufung eingelegt.Das Berufungsgericht hat für die Frage, ob die berechneten Kosten erheblich über den branchenüblichen Preisen liegen, ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt.

Die Berufung der Klägerin ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Kosten der Schadensfeststellung sind grundsätzlich Teil des nach § 249 II 1 BGB zu ersetzenden Schadens. Das gilt auch für die Kosten von Sachverständigengutachten, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (BGH DS 2007, 144; BGH DS 2014, 90; BGH DS 2014, 282). Der Geschädigte ist in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei, er kann jedoch vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen , wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Nach dem Begriff des Schadens und dem Rechtsgedanken des § 254 BGB ist der Geschädigte jedoch gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, wenn er die Höhe der Kosten beeinflussen kann. Allerdings darf der Grundgedanke des § 249 II 1 BGB dabei nicht aus den Augen gelassen werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (BGH DS 2014, 90 = NJW 2014, 1947).

Zum Zwecke der Einholung eines Schadensgutachtens darf sich der Geschädigte damit begnügen, einen in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Kfz-Sachverständigen zu beauftragen. Er muss keine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen anstellen (BGH DS 2014, 282). Der BGH hat in Abkehr seiner Rechtsprechung aus dem Urteil vom 11.2.2014 (BGH DS 2014, 90) im Urteil vom 22.7.2014 (BGH DS 2014,282) darauf hingewiesen, dass der Geschädigte seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB reffenden Darlegungslast nicht schon allein durch die Vorlage der Rechnung des in Anspruch genommenen Sachverständigen (so noch in BGH DS 2014, 90), sondern ausschließlich durch Vorlage der von ihm beglichenenRechnung genügt.Damit bildet – ex post gesehen – ausschließlich der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen – ex ante zu bestimmenden – Betrages im Sinne des § 249 UU 1 BGB. Die Kammer teilt nunmehr diese Auffassung und hält an ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. Urt. v. 16.7.2014 – 13 S 54/14 -) nicht mehr fest. Dieser Beweislast ist die Klägerin nicht uneingeschränkt nachgekommen.

Die Rechnung des Sachverständigen war zwar an den Geschädigten gerichtet, aber nicht er, sondern die Beklagte hat die Rechnung – zumindest teilweise – beglichen. Damit entfällt die Indizwirkung für die Angemessenheit der Kosten.M Geschädigte steht daher nur dann ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des Sachverständigen, bestehend aus Grundhonorar und tatsächlich entstandenen Nebenkosten, zu, wenn und soweit diese nicht deutlich überhöht sind und dies für den Geschädigten erkennbar war. Eine Erkennbarkeit wird von der Kammer verneint. Ob die Kosten für das Gutachten deutlich überhöht sind, bestimmt sich nicht durch Vergleich mit von Sachverständigenverbänden ermittelten Tabellen, wie etwa der BVSK-Honorarumfrage. Die erkennende Kammer teilt insoweit die Auffassung des LG Saarbrücken im Urteil vom 29.7.2013 – 13 S 41/13 -, welche vom BGH mit Urteil vom 22.7.2014 (BGH DS 2014, 282) bestätigt wurde. In der BVSK-Nebenkostentabelle 2013 sind nämlich auch Gewinnanteile enthalten. Die Kammer hat daher Beweis erhoben und ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der vom Gericht bestellte Sachverständige hat eine Umfrage bei 35 Sachverständigenbüros in der näheren Umgebung gehalten und ausgeführt, dass der vom Schadensgutachter gewählte Abrechnungsmodus branchenüblich ist.

Angriffe der Beklagten gegen den Abrechnungsmodus waren ohne Substanz. Allein ihre Darlegungen, dass eine Abrechnung nach Zeit günstiger wäre, rechtfertigt es nicht, den branchenüblichen Abrechnungsmodus in Relation zur Schadenshöhe in Frage zu stellen. Die Abrechnung der Nebenkosten hängt von der Kostenstruktur des Sachverständigen-Büros und dessen Auftragslage ab. Die vom Schadensgutachter gewählte Untergruppierung der Nebenkosten ist nicht zu beanstanden und diese Abrechnung ist auch vom BGH nicht beanstandet worden. Zwar liegen sowohl das in Rechnung gestellte Grundhonorar als auch die Nebenkosten zwar im oberen Bereich, jedoch noch im Bereich derermittelten Spanne. Obwohl der vom Gericht bestellte Gutachter bei den Nebenkosten des Gutachtens eine Überschreitung des Durchschnittswerts um ca. 25,2 % und des Höchstwertes der Umfrage um ca. 6,2 % festgestellt hatte, sind die Kosten zwar hoch, aber am oberen Rand dessen, was in Rechnung gestellt werden darf.

Die Überhöhung der Kosten war aber für den Geschädigten nicht erkennbar. Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter abgerechneten Kosten die branchenüblichen Kosten überschreiten, führt auch weder dazu, dass die geltend gemachten Kosten von vornherein aus dem Rahmen des nach § 249 II 1 BGB für die Schadensbehebung erforderlichen Geldbetrages fallen, noch rechtfertigt sich daraus die Annahme eines Verstoßes gegen die Schadensgeringhaltungspflicht gemäß § 254 II BGB (BGH DS 2014, 282). Die Kosten des Sachverständigen für das Schadensgutachten sind jedoch nach Auffassung der erkennenden Kammer in zwei Bereichen zu kürzen.

Die Kosten für die Einstellung in die Restwertbörse können nach Ansicht der Kammer nicht verlangt werden. Auch die Fahrtkosten können nicht in voller Höhe geltend gemacht werden. Die Fahrtkosten sind nach Ansicht der erkennenden Kammer lediglich für einen Bereich von 25 km, für Hin- und Rückfahrt mithin 50 km, zu erstatten. Im Großraum Stuttgart ist davon auszugehen, dass im Umkreis von 25 km ein Sachverständiger gefunden werden kann, der in der Lage ist, den Schaden angemessen zu beurteilen. Anderenfalls muss sich der Geschädigte ein Mitverschulden anrechnen lassen. Dieser Entscheidung steht das Urteil des LG Saarbrücken vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 -, in dem vertreten wird, dass das JVEG als Schätzgrundlage für die Schätzung nach § 287 ZPO herangezogen werden könne, steht dieser Entscheidung nicht entgegen, denn der dortige Tatrichter hat das ihm eingeräumte Ermessen anders ausgeübt.

Fazit und Praxishinweis: Soweit die erkennende Kammer des LG Stuttgart der Ansicht ist, dass nur die bezahlte Sachverständigenkostenrechnung ein Indiz für die Erforderlichkeit der berechneten Sachverständigenkosten im Rahmen des Schadensersatzprozesses sei, so ist diese an die BGH-Entscheidung vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 - Rn. 18 (BGH DS 2014, 282) angelehnte Rechtsauffassung unzutreffend. Ob die Rechnung bezahlt oder teilbezahlt oder gar nicht ausgeglichen ist,ist schadensersatzrechtlich unbeachtlich. Denn in dem Augenblick, in dem der Geschädigte die Rechnung übersandt erhält, ist er bereits mit einer Zahlungsverpflichtung belastet. Die Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung steht der Bezahlung gleich. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob der Geschädigte die Rechnung sofort oder später begleicht. Letzten Endes muss er sie doch ausgleichen, weil er eben mit der Zahlungsverpflichtung belastet ist. Auf einen Rechtsstreit mit dem Sachverständigen muss er sich nicht einlassen (vgl. Wortmann VersR 1998, 1204, 1211ff.). Auch die vom LG Stuttgart vorgenommene Preiskontrolle im Rahmen des Schadensersatzprozesses widerspricht der BGH-Rechtsprechung aus dem Grundsatzurteil vom 23.1.2007 (BGH DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann).
Quellen
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