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In Düsseldorf ereignete sich auf dem Blyth-Valley-Ring (Landstraße 239) ein Verkehrsunfall, bei dem insbesondere der Pkw Daewoo der beklagten Fahrerin, der bei der ebenfalls beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung versichert war, beschädigt wurde. Der Unfall ereignet sich nach Angaben aus der Unfallakte und den Zeugenaussagen, weil die beklagte Fahrerin mit ihrem Pkw auf der L 239 wenden wollte, um auf ein gegenüberliegendes Gartengelände zu gelangen. Hinter dem Pkw der Beklagten fuhr der Lkw der Klägerin. Dieser fuhr auf das sich zur Fahrbahnmitte hin eingeordnete und langsamer fahrende Personenfahrzeug auf, weil dieses wenden wollte. In erster Instanz nahm das LG Düsseldorf eine Haftungsverteilung von 50 zu 50 Prozent vor und verurteilte mit Urteil vom 23.2.2015 zur Zahlung hälftigen Schadensersatzes. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die eine vollständige Klageabweisung erreichen wollten.
Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Nach den Feststellungen des Landgerichts steht fest, dass die Fahrerin des an der Mittellinie entlangfahrenden, zur Vorbereitung des beabsichtigten Wendemanövers den Richtungsanzeiger betätigte und langsamer fuhr. Trotz der sofort eingeleiteten Vollbremsung konnte der Fahrer des Lkws den Auffahrunfall nicht verhindern. Bei der Kollision eines wendenden mit einem im fließenden Verkehr befindlichen Kraftfahrzeug spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Wendenden (Burmann/Heß/Jahnke/Janker Straßenverkehrsrecht 23. A. § 9 StVO, Rn. 59 mit Hinweis auf BGH DAR 1985, 316). Andererseits ist es nach der Lebenserfahrung wahrscheinlich, dass ein Auffahrunfall auf einem Verschulden des Auffahrenden wegen unangepasster Geschwindigkeit oder zu geringen Sicherheitsabstandes beruht (Burmann/ Heß/Jahnke/Junker aaO. § 4 StVO Rn.24 m.w.N.).

Die Anwendung des Anscheinsbeweises fürein Verschulden setzt bei Verkehrsunfällen Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt und dadurch den Unfall verursacht hat. Dabei muss es sich um Tatbestände handeln, für die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist BGHZ 192, 84 ff Rn. 7). Wenn ein nachfolgendes Fahrzeug auf einen wendenden abbiegendes Fahrzeug auffährt, ist ein solcher Tatbestand nicht gegeben. Denn nach der Auffassungdes erkennenden Senats lässt die Lebenserfahrung in diesem Fall nicht typischerweise den Schluss auf eine Pflichtverletzung des wendenden Abbiegers zu.

Zwar ist dieser gehalten, den Abbiegevorgang, bzw. das Wendemanöver rechtzeitig und deutlich anzuzeigen. Er muss sich auf der Fahrbahn nach links einordnen und gegebenenfalls auch seine Geschwindigkeit behutsam verringern. Er muss auch den nachfolgendensowie den entgegenkommenden Verkehr beachten und gegebenenfalls das Wenden abbrechen. Aber auch der nachfolgende Verkehrsteilnehmer hat seine Sorgfaltspflichten, nämlich ausreichenden Sicherheitsabstand zu wahren. In der Anhörung der Parteien vor dem Landgericht Saarbrücken hatte die Fahrerin deswendenden Daewoo angegeben, dass der hinter ihr fahrende Lkw bereits dicht an ihrem Fahrzeug war, als sie beabsichtigte auf der Straße zu wenden. In diesem Fall hätte sie voraussehen können und müssen, dass es im Falle eines Wendemanövers zu einer Kollision kommen würde. In dieser Situation hätte sie das Wendemanöver unterlassen müssen. In diesem Fall ist hinsichtlich derVerschuldensanteile eine Abwägung vorzunehmen. Nach Ansicht des erkennenden Senates trägt im Rahmen des § 17 II StVG die Betriebsgefahr des wendenden Fahrzeugs 50 Prozent.

Fazit und Praxishinweis:
Fährt ein Fahrzeug des fließenden Verkehrs auf ein wendendes Fahrzeug auf, so spricht zunächst der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass er mit unangepasster Geschwindigkeit oder zu geringen Sicherheitsabstandes gefahren ist. Andererseits ist bei der Abwägung der gegenseitigen Verursachungsbeiträge die Betriebsgefahr des wendenden Fahrzeugs zu berücksichtigen. Diese wurde von dem OLG Düsseldorf mit 50 Prozent angenommen.
Quellen
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