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OLG Naumburg zur Haftung bei Sturz auf unebenem Gehweg
OLG Naumburg Urteil vom 17.11.2015 – 1 W 40/15 –

RFWW

Die spätere Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stürzte am 23.11.2014 auf dem Gehweg der A-Straße über eine 4,3 cm hoch stehende Gehwegplatte und erlitt einen komplizierten Bruch des rechten Handwurzelknochens. Die Verletzung führte zu Komplikationen und Spätfolgen sowie zum Verlust des Arbeitsplatzes und voraussichtlich zu dauernder Erwerbsminderung. Das in erster Instanz örtlich zuständige Landgericht Dessau-Roßlau hat im Amtshaftungsprozess gegen die Stadt X. als Trägerin der Straßenbaulast das Prozesskostengesuch der Antragstellerin durch Beschluss vom 4.9.2015 zurückgewiesen. Die von der Antragstellerin erhobene sofortige Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss hat in der Sache Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Landgerichtes hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es genügt, wenn der behauptete Anspruch nach summarischer Prüfung vertretbar und der zugrunde liegende Sachverhalt aufklärbar erscheint (vgl. BGH BeckRS 2011, 14719). Die Prozesskostenhilfe soll den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern den Zugang dazu ermöglichen. Es ist auch durchaus möglich, dass das Gericht im Ergebnis einer Beweisaufnahme zu der Feststellung einer haftungsbegründenden Amtspflichtverletzung der Beamten der Antragsgegnerin, der Stadt X.; gelangt, weil der öffentlich-rechtlich ausgestalteten Verkehrssicherungspflicht nach § 10 I des Landesstraßengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt nicht genügt wurde und die Antragstellerin dadurch zu Schaden kam.

Eine Gefahr wird für den Verkehrssicherungspflichtigen dann haftungsbegründend, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (BGH NJW 2014, 2104 f.). In einem solchen Fall sindVorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die befürchteten Schädigungen abzuwenden. Das Ergebnis muss ein solcher Sicherungsgrad sein, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (BGH NJW 2006, 2326; BGH NJW 2007, 1683 f.). Nach § 9 I 2, II StrG LSA haben die Träger der Straßenbaulast, und damit auch die Stadt X., die Straßen und Gehwege in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu unterhalten.

Ein ca. 4,3 cm großer Niveauunterschied, wie er tatsächlich festgestellt wurde, genügt dem Sicherungsgrad nicht. Kann ein Fußgänger mit gehöriger Sorgfalt die Gefahr nicht erkennen, miss die verkehrssicherungspflichtige Gemeinde handeln. In der summarischen Prüfung des Prozesskostenhilfegesuches liegt es auf jeden Fall nahe, dass auch ein die normale Sorgfalt beachtender Fußgänger stolpern und fallen kann. Die Beamten der Antragsgegnerin hatten daher grundsätzlich Anlass zur Reparatur oder Wartung oder Sicherung.

Fazit und Praxishinweis:
Der Träger der Straßenbaulast hat für das gefahrlose Benutzen der Fahrbahn, des Radweges und des Bürgersteiges zu sorgen. Die Fahrbahnteile sind ihrer Verkehrsbedeutung entsprechend in einem Zustand zu versetzen und zu erhalten, dass befürchtete Schädigungen an Leib oder Leben und an Eigentum und Besitz vermieden werden. Wenn nicht eine sofortige Reparatur möglich ist, um eine gefahrlose Benutzung ermöglichen zu können, müssen Absperrungen und Sicherungen vorgenommen werden. Geschieht dies nicht, haftet grundsätzlich die Trägerin der Straßenbaulast aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung gemäß Art. 34 GG, 839 BGB. Diese Haftung kann auch bei einem Sturz über eine ca. 4,3 cm hochstehende Gehwegplatte vorliegen, denn die Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast hat für eine gefahrlose Benutzung des Gehweges zu sorgen.
Quellen
    • Foto: Bilderbaron - Fotolia.com