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Am 14.10.2014 ereignete sich in Ettlingen ein Verkehrsunfall, bei dem der Pkw des späteren Klägers beschädigt wurde. Der Geschädigte ließ ein Schadensgutachten erstellen.
Der vom Geschädigten beauftragte Kfz-Sachverständige berechnete für das Gutachten einen Betrag von 544,90 €. Die hinter dem Unfallverursacher stehende HUK-COBURG hielt die Sachverständigenosten für überhöht und kürzte diese um 70,90 €. Die eintrittspflichtige Versicherung hielt die berechneten Nebenkosten dem Grunde und der Höhe nach für nichtgerechtfertigt. Der Geschädigte war mit der – aus seiner Sicht ungerechtfertigten - Kürzungder Sachverständigenkosten nicht einverstanden und klagte den Restbetrag ein. Der zuständige Richter des Amtsgerichts Ettlingen gab dem Kläger Recht.

Die zulässige Klage führt zum Erfolg. Der Kläger hat gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung von sämtlichen Sachverständigenkosten gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat daher grundsätzlich gem. § 249 BGB den Geldbetrag zu ersetzen, der zur Herstellung des Zustandes erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Dies umfasst auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und damit als Begleitkosten zur Herstellung des Zustandes, der ohne Schädigung bestehen würde, erforderlich sind (BGH NJW 2014, 1947).

Der Umfang, in dem unter anderem Sachverständigenkosten erforderlich sind, richtet sich danach, ob sie eine Aufwendung darstellen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Es besteht insoweit zwar ein Wirtschaftlichkeitsgebot dahingehend, dass im Rahmen des zumutbaren vom Geschädigten von mehreren möglichen Alternativen der wirtschaftlichere Weg der Schadensbeseitigung zu wählen ist, soweit er dessen Kosten beeinflussen kann. Jedoch ist kein Sparen auf Kosten des Schädigers geschuldet (vgl. BGHZ 132, 373). Dabei ist auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten und seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen (vgl. BGH NJW 2007, 1450; BGH NJW 2014, 1947). Zu einer Markforschung ist der Geschädigte grundsätzlich nicht verpflichtet.

Soweit die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung darauf abzielt, dass die berechneten Sachverständigenkosten überhöht seien, so schließt sich das erkennende Gericht der Rechtsprechung des LG Hamburg in seinem Urteil vom 22.1.2015 (LG Hamburg BeckRS 2015, 06583) an. Danach kann derSchädiger nur dann den Ausgleich der Sachverständigenkosten in voller Höhe ablehnen, wenn sich dem Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen und Unterzeichnung einer ihm vorgelegten Vergütungsvereinbarungaufdrängenmuss,dass Preis und Leistung in einemauffälligen Missverhältnis zueinander stehen, weil das Entgelt "deutlich erkennbar", wie es der BGH in dem Urteil vom 11.2.2014 (BGH NJW 2014, 1947, 1948) angibt bzw. "erkennbar erheblich" über den üblichen Preisen liegt, wie der BGH es in dem Urteil vom 22.7.2014 (BGH NJW 2014, 3151, 3153) angibt.

Nach Auffassung des LG Hamburgist bei der Frage, wann von "erkennbar" überhöhten Preisen auszugehen ist, nicht auf Einzelpositionen wie z. B. Foto- oder Fahrtkosten abzustellen, sondern die Überhöhung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, d. h. ausgehend von den zu erwartenden Rechnungsendbeträgen, zu beurteilen, da die Gesamthöhe der Rechnung darüber zu entscheiden hat,ob ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an. Daran gemessen erscheinen hier die geltend gemachten Kosten insgesamt erstattungsfähig. Eine weitere Beschränkung, zum Beispiel auf die Sätze des JVEG, ist nicht angezeigt. Das JVEG zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es im Interesse der Rechtspflege nur für den Bereich des Gerichtsverfahrens eine besondere Pauschalierung und auch Deckelung von Sachverständigenhonoraren herbeiführen will. Für die Preisgestaltung auf dem freien Markt und außerhalb von Gerichtsverfahren lässt sich daher aus dem JVEG nichts ableiten.

Die Tatsache, dass die Rechnung noch nicht ausgeglichen worden ist, ändert nichts daran, dass der Klägerseite der geltend gemachte Anspruch schon jetzt zusteht. Ein Freistellungsanspruch wandelt sich in einen Zahlungsanspruch des Geschädigten um, wenn der Schädiger jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert und der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH NJW 2004, 1868). Die ernsthafte und endgültige Verweigerung ist vorprozessual unstreitig erfolgt und ergibt sich im Übrigen auch spätestens aus der Klageerwiderung. Die eintrittspflichtige HUK-COBURG hält insoweit an ihrer Kürzung fest.

Fazit und Praxishinweis: Mit diesem Urteil hat der zuständige Richter des AG Ettlingen zutreffend die von der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung, deren Haftung aufgrund des von dem Fahrer des bei ihr versicherten Fahrzeugs verursachten Verkehrsunfalls eindeutig ist, vorgenommene Kürzung der notwendigen Sachverständigenkosten beanstandet und die Versicherung zur vollständigen Ausgleichung der berechneten Sachverständigenkosten verurteilt. Die von der Kfz-Haftpflichtversicherung vorgenommene Kürzung der Sachverständigenkosten kann auch nicht durch die Bestimmungen des JVEG gerechtfertigt werden. Damit stellt sich das AG Ettlingen – zu Recht – gegen die vereinzelte Rechtsprechung des LG Saarbrücken und des LG München, die als Mindermeinungen anzusehen sind. Das JVEG findet auf Kostenrechnungen von Privatgutachtern, die nach einem Unfall zur Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragt werden, keine Anwendung (vgl. BGH DS 2007, 144 mit zust. Anm. Wortmann).
Quellen
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