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AG Hohenstein-Ernstthal verwirft HUK-Honorartableau und legt VKS/BVK-Honorarumfrage zugrunde
AG Hohenstein-Ernstthal Urteil vom 1.11.2016 – 1 C 2/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Das erkennende Gericht hat – wie bereits viele andere Gerichte auch – das von den Anwälten des beklagten bei der HUK-COBURG versicherten Unfallverursachers vorgelegte Honorartableau der HUK-COBURG mit klaren Worten in den Entscheidungsgründen als Schätzgrundlage für die Höhe der berechneten Sachverständigenkosten zu Recht verworfen. Es existiert keine Rechtsnorm, die dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung das Recht einräumt, den Schadensersatz der Höhe nach selbst zu bestimmen.
Am 7.8.2015 ereignete sich in Dortmund ein Verkehrsunfall, bei dem der Pkw des Geschädigten durch das vom später beklagten Fahrer gesteuerte Kraftfahrzeug schuldhaft beschädigt wurde. Der Geschädigte zog zur Feststellung der Schadenshöhe und des Schadensumfangs einen örtlichen qualifizierten Kfz-Sachverständigen hinzu, der für 614,58 € das Schadensgutachten erstellte. Die hinter dem Schädiger stehende Kfz-Haftpflichtversicherung, die HUK-COBURG, hat auf die berechneten Sachverständigenkosten lediglich 458,-- € erstattet. Der Differenzbetrag ist Gegenstand des Rechtsstreites des Geschädigten gegen den Unfallfahrer persönlich. Das örtlich zuständige Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der von der Kfz-Haftpflichtversicherung, der HUK-COBURG, vorgerichtlich nicht erstatteten Differenz von 156,58 €. Die hinter dem Beklagten stehende Kfz-Versicherung ist der Meinung, dass als Schätzgrundlage gemäß § 287 ZPO das Sachverständigentableau der HUK-Coburg zugrunde zu legen sei. Dort sei aus einer Auswertung von 500.000 Schadensfällen eine entsprechende Tabelle erarbeitet worden, die aufgrund der Datenvielfalt eine verlässliche Schätzgrundlage darstelle. Die BVSK Honorarbefragung sei jedoch nicht geeignet und bezieht sich dabei auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 -. Des Weiteren hebt der Beklagte auch auf die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.4.2016 – VI ZR 50/15 - ab. Insbesondere führt der Beklagte aus, dass der Kläger bisher die Rechnung des Sachverständigenbüros nicht bezahlt habe und daher die Indizwirkung für die Richtigkeit der Sachverständigenrechnung entfalle.

Das Gericht folgt der Auffassung des Beklagten nicht. Es legt seiner Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO die VKS-BVK Honorarumfrage von 2015 zugrunde. Dies erscheint als Schätzgrundlage ausreichend. Es misst die berechneten Rechnungsposten an dieser Liste und stellt fest, dass die berechneten Positionen sich im Bereich der VKS/BVK-Honorarumfrage halten. Das Gericht hält die VKS-BVK Honorarumfrage für eine verlässliche Schätzgrundlage, die insbesondere geeignet ist, die zu erwartenden Ansätze über anfallende Nebenkosten zuverlässig abzubilden. Insbesondere ist sie hinreichend aussagekräftig und lässt relevante Fragen nicht offen. Soweit der Beklagte meint, dass der Bundesgerichtshof im Urteil vom 22.7.2014, die BVSK Honorarbefragung nicht für geeignet gehalten habe, ist dies nicht zutreffend. Der Bundesgerichtshof hat lediglich festgestellt, dass das Berufungsgericht das Ergebnis dieser Befragung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise nicht als geeignete Schätzgrundlage für die Nebenkosten angesehen hat. Diese Einschätzung des seinerzeitigen Berufungsgerichts des Landgerichts Saarbrücken teilt das erkennende Gericht nicht.

Der Bundesgerichtshof hat aber in seinem Urteil vom 26.4.2016 auch nicht etwa festgestellt, dass das JVEG als Schätzgrundlage zugrunde zu legen sei, sondern lediglich festgestellt, dass das Berufungsgericht dies in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als Schätzgrundlage zugrunde legen durfte. Warum gerade das JVEG eine verlässlichere Schätzungsgrundlage als die VKS/BVK- Honorarumfrage von 2015 sein soll, ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht. Vielmehr ist zu beachten, dass das Kfz- Sachverständigensegment nur einen Teil aller Sachverständigen abbildet, wo hingegen beim JVEG sämtliche Sachverständigenleistungen herangezogen worden sind. Im Übrigen ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten, sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (subjektive Schadensbetrachtung). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Forschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.

Fazit und Praxishinweis: Das von der HUK-COBURG im Rahmen der Schadensregulierung von Kfz-Unfallschäden immer wieder vorgebrachte Honorartableau der HUK-COBURG ist keine geeignete Schätzgrundlage im Rahmen des § 287 ZPO. Wenn es überhaupt auf die Angemessenheit der berechneten Sachverständigenkosten ankommt, sind dafür allenfalls die Honorarumfragen der freien Kfz-Sachverständigenverbände maßgeblich. Da der vom Geschädigten in Dortmund hinzugezogene Kfz-Sachverständige Mitglied des VKS war, hat das Gericht folgerichtig die VKS/BVK-Honorarumfrage zugrunde gelegt.
Quellen
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