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Von HUK-COBURG gekürzte 52,19 € sind für Geschädigten nicht erkennbar überhöhte Gutachterkosten
AG Hamburg-Barmbek Urteil vom 31.8.2016 – 820 C 244/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Nachdem der VI. Zivilsenat des BGH in jüngsten Entscheidungen von Unfall- Geschädigten eine sogenannte Plausibilitätsprüfung der Sachverständigen-Kosten fordert, stellt sich die Frage, ob der BGH von der von ihm selbst aufgestellten These, dass weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt sind, eine Preiskontrolle durchzuführen, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen einhält (so: BGH VersR 2004, 1189 ff: BGH DS 2007, 144 ff), abrücken will. Wenn eine Preiskontrolle eingeführt werden soll, so kann sich diese nur am Gesamtbetrag orientieren, denn Einsichten in betriebswirtschaftliche Berechnungen des Sachverständigen, die zu den Einzelnebenkosten führen, hat der Geschädigte nicht. Maßgeblich kann daher – wie auch im Rahmen der Schadenshöhenschätzung – nur der Endbetrag sein.
Am 22.12.2015 ereignete sich in Hamburg ein Verkehrsunfall, bei dem der Pkw des Geschädigten beschädigt wurde. Der Geschädigte suchte einen ortsansässigen Kfz-Sachverständigen auf, damit dieser ein Schadensgutachten erstellt. Gleichzeitig unterzeichnete er eine Honorarvereinbarung. Die Sachverständigenkosten berechnete der Kfz-Sachverständige entsprechend der Honorarvereinbarung mit insgesamt 482,19 €. Hierauf zahlte die zum Schadensersatz verpflichtete HUK-COBURG nur 430,-- €, so dass ein Restbetrag von 52,19 € verblieb. Da die restlichen Sachverständigenkosten erfüllungshalber abgetreten waren, klagte der Gutachter den Restbetrag aus abgetretenem Recht bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Hamburg-Barmbek ein. Die Klage hatte Erfolg.

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat aus abgetretenem Recht Anspruch auf Erstattung der vollen Sachverständigenkosten. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten halten sich nämlich im Rahmen des nach § 249 II BGB ersatzfähigen Betrages. Sie stellen den erforderlichen Herstellungsaufwand dar, dessen Ersatz der Zedent nach § 249 II BGB beanspruchen kann. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls darf nämlich einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen und kann vom Schädiger nach § 249 II 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Rechtsgedanken des § 254 II 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensgeringhaltungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.

Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte deshalb damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot , einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot ist der Geschädigte gegenüber dem Schädiger jedoch nicht verpflichtet (BGH DS 2007, 144; BGH NJW 2014, 1947).

Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigenkosten können deshalb nur erhoben werden, wenn den Geschädigten ein Auswahlverschulden trifft oder die unangemessene Überhöhung evident und für den Geschädigten als Laie erkennbar ist. Bei der Frage, wann von erkennbar überhöhten Preisen auszugehen ist, ist nicht auf Einzelpositionen wie z.B. Foto- oder Fahrtkosten etc. abzustellen, sondern die Überhöhung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, also ausgehend von den zu erwartenden Rechnungsendbeträgen, zu beurteilen, da die Gesamthöhe der Rechnung darüber zu entscheiden hat, ob ein Missverhäitnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Anderenfalls käme es angesichts der unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten der Kfz-Sachverständigen in denjenigen Fällen zu unbilligen Ergebnissen, in denen ein geringes, deutlich unterhalb der üblichen Sätze in Ansatz gebrachtes Grundhonorar, dafür aber verhältnismäßig hohe Nebenkosten in Rechnung gestellt werden, ohne dass es insgesamt zu einer Überschreitung der üblichen Vergütung kommt (LG Hamburg Urt. v. 22.01.2015 – 323 S 7/14 -). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist weder ein Auswahlverschulden des Zedenten ersichtlich, noch sind die hier streitgegenständlichen Sachverständigenkosten als erkennbar überhöht anzusehen. Sie halten sich vielmehr im Rahmen des nach § 249 II BGB ersatzfähigen Betrages. Eine einzelne Betrachtung der Nebenkosten ist hierbei nicht vorzunehmen, sondern lediglich auf den Rechnungsendbetrag abzustellen. Das geltend gemachte Honorar einschließlich der Nebenkosten übersteigt schon die von dem Beklagten angesetzten und bereits erstatteten Kosten lediglich um 12 % und hält sich damit in einem ohne weiteres vertretbaren Rahmen.

Fazit und Praxishinweis: Im Rahmen der Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO hat das erkennende Gericht mit zutreffender Begründung auf die Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg aus dem Berufungsurteil vom 22.1.2015 – 323 S 7/14 – verwiesen. Danach kommt es auf eine Gesamtbetrachtung des Endbetrages an. Eine Einzelpostenbetrachtung würde einer Preiskontrolle gleichkommen, die der BGH in dem Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (=BGH DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann) untersagt hat. Zwar sind Tendenzen des BGH erkennbar, von dieser untersagten Preiskontrolle abzuweichen, indem er eine Plausibilitätskontrolle annimmt (vgl. dazu BGH DS 2014, 282; BGH DS 2016, 323; BGH NJW 3363 f.), aber entscheidend kommt es nach wie vor auf die Sicht des Geschädigten an. Nur dann, wenn für Ihn erkennbar die berechneten Sachverständigenkosten erheblich überhöht erscheinen, ist er nicht mehr berechtigt, den vollen Rechnungsbetrag vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer zu beanspruchen. Bei einer angeblichen Überhöhung von 12 Prozent im Vergleich zu den bereits außergerichtlich erstatteten Sachverständigenkosten ist von einer erkennbaren erheblichen Überhöhung nicht auszugehen.
Quellen
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