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Die Parteien streiten über restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 25.8.2014 in München ereignete. Unstreitig haftet die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung.
Der Geschädigte beauftragte nach dem Unfall einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Bei der Kalkulation der Reparaturkosten legte der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige ausweislich seines Gutachtens mittlere ortsübliche Satze der Region München zugrunde. Seine Gutachterkosten berechnete er mit insgesamt 624,87 € brutto. Vorgerichtlich zahlte die Beklagte lediglich 497,-- €. Den Differenzbetrag von 127,87 € klagte der Geschädigte ebenso ein wie die gekürzten Reparaturkosten in Höhe von 139,22 €. Die Klage in Höhe von insgesamt 267,09 € hatte Erfolg.

Der Kläger kann von der Beklagten noch weiteren Schadensersatz aus dem Unfall vom 25.8.2014 in Höhe von insgesamt 267,09 € beanspruchen.

1. Zu den restlichen Sachverständigenkosten:

Soweit die Beklagte der Auffassung war, lediglich in Höhe von 497,-- € seien die Gutachterkosten erstattungsfähig gewesen, so irrt sie. Nach der subjektbezogenen Schadensbetrachtung, die im vorliegenden Fall nach der aktuellen Rechtsprechung des OLG München aus dem Beschluss vom 12.3.2015 – 10 U 579/15 – vorzunehmen ist, sind die berechneten Sachverständigenkosten in voller Höhe erstattungsfähig. Denn die Rechnung ist nicht in einer Weise überhöht, dass selbst ein Laie die Überhöhung hätte erkennen müssen und als wirtschaftlich denkender Mensch daher die Rechnung nicht voll bezahlt hätte. Nach der zutreffenden Ansicht des OLG München (die Unfallzeitung berichtete darüber!) ist eine Gesamtbetrachtung der Rechnung vorzunehmen.

Es können nicht etwa die Nebenkosten gesondert auf ihre – vermeintliche – Überhöhung überprüft werden. Eine eklatante und auch für den Laien erkennbare Überhöhung erscheint auf den ersten Blick bei Reparaturkosten in Höhe von 2.100,-- € und Sachverständigenkosten von 624,87 € nicht der Fall zu sein. In dem vom BGH am 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (=BGH DS 2014, 90 = NJW 2014, 1947) entschiedenen Fall betrugen die Sachverständigenkosten sogar deutlich über 50 Prozent der Reparaturkosten . Der Schädiger ist nach dem Beschluss des OLG München (aaO), dem das erkennende Gericht folgt, darauf beschränkt, dem Unfallgeschädigten nachzuweisen, dass die Rechnung an sich nicht nachvollziehbar ist und deswegen von einem wirtschaftlich vernünftigen denkenden Menschen nicht hätte bezahlt werden dürfen. Der Schädiger hätte beweisen müssen, dass ein wirtschaftlich, vernünftig denkender Mensch die Überhöhung der Sachverständigenosten hätte erkennen können. Dieser Nachweis ist der Beklagten nicht gelungen. Daher konnte und musste der Geschädigte davon ausgehen, dass eine Überhöhung der Sachverständigenkosten nicht vorlag.

2. Zu den restlichen Reparaturkosten :

Der Kläger hat weiterhin auch einen Anspruch auf Ersatz der restlichen Reparaturkosten in Höhe von 139,22 €. Er muss sich nicht auf die kostengünstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Werkstatt verweisen lassen. Der vom Geschädigten beauftragte Kfz-Sachverständige legte ausweislich seines Gutachtens mittlere ortübliche Stundensätze der Region München zugrunde. Der Geschädigte ist in den durch das Wirtschaftlichkeitsgebot und das Verbot der Bereicherung gezogenen Grenzen grundsätzlich frei in der Wahl und der Verwendung der Mittel zur Schadensbehebung. Das gilt auch bei fiktiver Schadensabrechnung. Er ist weder verpflichtet, das Fahrzeug zu reparieren noch es zur Reparatur in eine bestimmte Werkstatt zu geben. Es bleibt dem Geschädigten grundsätzlich überlassen, ob und auf welche Weise er sein Fahrzeug tatsächlich instand setzt. Diesen Grundsätzen würde es widerspechen, wenn der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung letztlich auf bestimmte Stundenverrechnungssätze der billigsten, von der regulierungspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung ausgesuchten Werkstatt in der Region beschränkt wäre. Damit wäre nämlich ein Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Geschädigten vorgenommen.

Es würde nämlich in die Dispositionsfreiheit des Geschädigteneingegriffen, wenn er sein Fahrzeug gar nicht reparieren, sondern veräußern will.Der zur Schadensbeseitigung erforderliche Betrag im Sinne des § 249 II 1 BGB wird nicht durch die besonders günstigen Stundenverrechnungssätze einer von der eintrittspflichtigen Kfz-Versicherung ausgesuchten Werkstatt bestimmt, sondern bemisst sich auch bei der fiktiven Schadensabrechnung danach, welche Reparaturkosten maßgeblich sind. Diese richten sich nach den durchschnittlichen, ortsüblichen Stundenverrechnungssätzen in der Wohngemeinde. Der Geschädigte ist nicht gehalten, die billigste Werkstatt zu wählen (vgl. OLG München Urt. v. 13.9.2013 – 10 U 859/13 -). Auch die Kosten für die Beilackierung sind erstattungsfähig, da diese bei der Reparatur üblicherweise anfallen.

Fazit und Praxishinweis: Mit diesem Urteil hat die erkennende Amtsrichterin der 332. Zivilabteilung des AG München zutreffend die verschiedentlich angewandte Rechtsprechung der Zivilkammern des LG München verneint und die Rechtsprechung des OLG München angewandt. Danach muss der Schädiger oder sein Haftpflichtversicherer nämlich darlegen und beweisen, dass die berechneten Sachverständigenkosten eklatant überhöht sind. In dem Revisionsrechtsstreit vor dem BGH, der zu dem Grundsatzurteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – führte, hat der BGH sogar Sachverständigenkosten, die deutlich über 50 Prozent der Reparaturkosten lagen, revisionsrechtlich nicht beanstandet (vgl. BGH NJW 2014, 1947 = DAR 2014, 194 = DS 2014, 90 [die Unfallzeitung berichtete über das Grundsatzurteil]).

Diesen Beweis wird der Schädiger schwerlich erbringen können, denn nach der subjektbezogenen Schadensbetrachtung hätte gerade der Geschädigte diese eklatante Überhöhung erkennen müssen. Es kommt daher, wie der BGH bereits in dem weiteren Grundsatzurteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (=BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann) festgestellt hat, auf die Ex-ante-Sicht des Geschädigten an. Dieser wird als Laie kaum erkennen können, ob die berechneten Gesamtkosten einer Sachverständigenrechnung erkennbar überhöht sind. Auf Einzelposten der Rechnung kommt es nicht an. Daher ist auch die Rechtsprechung des LG Saarbrücken, die einzelne Nebenkosten ex-post überprüft, abzulehnen. Mit diesem Urteil hat die erkennende Amtsrichterin aber auch die Dispositionsfreiheit des Geschädigten gestärkt.

Der Geschädigte muss sich nicht auf noch billigere Stundensätze verweisen lassen, wenn in dem Schadensgutachten bereits unterhalb der Stundensätze der Markenwerkstätten liegende mittlere regionale Stundensätze angegeben sind. Der Geschädigte ist nicht gehalten, die billigste Werkstatt zur Reparatur zu wählen (vgl. OLG München aaO.). Der Schädiger kann ihm auch nicht vorschreiben, wo er sein verunfalltes Fahrzeug reparieren lassen soll. Der Geschädigte kann noch selbst bestimmen und disponieren, wann, wo und ob er sein Fahrzeug reparieren lässt.Die Dispositionsfreiheit steht grundsätzlich dem Geschädigten zu.
Quellen
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